Antje Traue will nicht immer nur ankommen. Dass man irgendwo ins Flugzeug steigt und ein paar Stunden später schon ganz woanders ist, scheint ihr inzwischen ein bisschen suspekt, wo sie jetzt so viel unterwegs ist: "Durch das viele Fliegen sehe ich eigentlich nie etwas von Amerika. Ich dachte, es ist an der Zeit, sich das mal genauer anzugucken." Deshalb ging die Schauspielerin mit einem Freund auf einen zweiwöchigen Roadtrip, von Cape Cod an der Ostküste der USA nach Los Angeles ganz im Westen. 3000 Meilen, fast 5000 Kilometer Fahrt.

Zum Interview meldet sie sich aus Colorado, "zwei Tage vor Los Angeles" und schwärmt gleich von den roten Felsen. Ihr gefällt die Idee, dass sie mit dieser Reise im Grunde gerade dabei sei, sich dieses riesige Land zu erfahren.

Im neuen Superman-Abenteuer "Man of Steel" spielt Traue die rechte Hand des Bösewichts, eine "femme fatale", wie das US-Magazin Entertainment Weekly schreibt. Faora ist das "bad girl", das aufräumt: "Sie erledigt die Schmutzarbeit", sagt Traue lachend. Ihr habe es jedenfalls riesigen Spaß gemacht, gegen Superman anzutreten.

Zwischen vierzig und fünfzig Drehtage hatte sie, keine kleine Rolle, das ist schon amtlich für Hollywood. Für "Man of Steel" hatte Regisseur Zack Snyder ("300") ein geschätztes Budget von umgerechnet 175 Millionen Euro zur Verfügung. In diesen Dimensionen überlässt man nichts dem Zufall. Traue ist noch heute, mehr als ein Jahr nach Ende der Dreharbeiten im Westen Kanadas, etwas überwältigt. Vor zwei Wochen hat sie den Film gesehen: "Im Kino zu sitzen mit all diesen Erinnerungen - ich war immer noch damit beschäftigt, das überhaupt zu verdauen."
Umso mehr, wenn man bedenkt, dass sie noch vor ihrem 30. Geburtstag im Jahr 2011 kurz davor war, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen.
Wovon die Miete zahlen?

Traue, geboren 1981 in der sächsischen Kreisstadt Mittweida, hat versucht, in Deutschland Fuß zu fassen. Sie hat viel Theater gespielt; ein paar Kurzfilme, kleine Rollen in Serien wie "SOKO Köln" oder Kinofilmen wie "Kleinruppin Forever", auch mal einen Werbespot für eine Kreditkarte. Doch sie hat nie wirklich ein Bein auf den Boden bekommen, warum, weiß sie bis heute nicht. Sie fragt sich sogar, "ob mein Gesicht vielleicht einfach nicht zu dem Typ passt, den man in Deutschland gerne besetzt."

Schwere Zeiten waren das, sagt sie heute, und sie stand vor der Entscheidung: "Ich hatte immer gesagt, wenn ich mich mit 30 nicht davon ernähren kann, dann mach ich etwas anderes. Ich war definitiv so weit zu sagen, ich kann meine Miete nicht mehr zahlen, ich weiß nicht, wer mir noch Geld leiht - entweder es passiert etwas oder ich muss aufgeben."
Der Schlüssel zum Erfolg

Dann passierte etwas: Eher durch Zufall kam Traue zum Casting für den in Babelsberg gedrehten SF-Film "Pandorum". Der war zwar nicht sonderlich erfolgreich, öffnete aber ein paar Türen in die USA. Sie verschickte ein Bewerbungs-Tape für "Man of Steel" und es klappte: "Zack Snyder war der Schlüssel zur Tür, weil er sagte: Die möchte ich."

Sie sei gerade durchaus privilegiert, führe ein bisschen ein "Zigeunerleben" in Amerika. Ihre Wohnung in Berlin behalte sie aber, "weil es schon immer ein gutes Gefühl war, ein Zuhause zu haben, wo meine Bücher sind, wo mein Bett steht." Auf die Vermutung, sie sei sehr schnell mit Hollywood warm geworden, meint sie: "Umgekehrt: Die sind mit mir warm geworden."
Im Gegensatz zu Deutschland, wo zum Beispiel ihre Rolle im Til-Schweiger-Kinofilm "Phantomschmerz" (2009) komplett der Schere zum Opfer fiel. Der Regisseur erklärte ihr damals tröstend, da Traues Part als Krankenschwester mit der Hauptliebesgeschichte kollidierte, habe man das Publikum nicht verwirren wollen. "Ich dachte damals schon: Jetzt traut dem Zuschauer doch mal mehr zu, der wird das schon hinkriegen!" Wie sie das sagt, spürt man doch ein wenig die Verletzung, bei aller Professionalität. Phantomschmerz ist, wenn etwas weh tut, das eigentlich weg ist. Letzten Endes möchte Antje Traue vielleicht in Deutschland auch eines: gut ankommen. 

Volker Bleeck