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Mordsmäßig gut - Lavinia Wilson

Treffsicher philosophisch

Spielen ist nicht alles: Lavinia Wilson über Filmrollen, Fernstudium und August Zirners nackten Hintern

Sie war schon eine Stunde früher da. Ist von der Probe für ihren neuen Film zum Treffpunkt in einem Kreuzberger Restaurant gehetzt und hat erst nach geraumer Zeit gemerkt, dass sie genau 60 Minuten zu früh dran ist. "Ich hatte vergessen, die Uhr an meinem Handy auf Winterzeit umzustellen." Lavinia Wilson lacht. Ihre Stimme ist reizvoll, eine Nuance rauchig, eine Prise verrucht, ihre Sprache dagegen glasklar und kultiviert.

Wer die 29-Jährige nach ihrem Äußeren beurteilt, wird zu dem Schluss kommen, sie sei zerbrechlich und müsse beschützt werden. Wer etwas Zeit mit ihr verbringt, erlebt eine kraftvolle junge Frau, die ausgezeichnet für sich selbst sorgen kann. Ihre erste Rolle spielte die gebürtige Münchnerin - Spross eine deutsch-amerikanischen Akademikerhaushalts - bereits mit 11 Jahren. Ihren Durchbruch hatte die Wahlberlinerin 2004 mit dem preisgekrönten Drama "Allein". Zuletzt begegnete sie dem "Tod aus der Tiefe" (lief im September auf Pro Sieben), am 6. Dezember ist sie im "Tatort: Falsches Leben" zu sehen.

Sie sagen offen, Sie nähmen manche Rollen an, um die Miete zu zahlen, andere, weil Sie Lust drauf hätten. Zu welcher Kategorie gehört die Fotografin in "Ein Dorf sieht Mord"?

LAVINIA WILSON Das ist ganz klar eine Rolle, die ich unbedingt spielen wollte, weil Lotte eine Frau ist, die nicht um jeden Preis gefallen will. Eine Haltung, die ich von mir selbst kenne und die ich grundsätzlich sehr gesund finde.

Neben der Krimihandlung erzählt der Film die Geschichte der Gorlebener Atomkraftgegner, die 1980 im Wendland protestierten. Wie wichtig war für Sie dieser Aspekt?

LAVINIA WILSON Total. Ich finde es zwar völlig okay, klassische Krimis zu drehen. Aber wenn man diese Erzählweise nutzen kann, um dem Fernsehzuschauer, der nichts anderes als gemütlich einen Krimi gucken will, quasi nebenbei eine politisch relevante Geschichte unterzujubeln, ist das eine tolle Sache.

Zwischen Ihnen und August Zirner gibt es eine recht aggressive Kussszene.

LAVINIA WILSON Die musste so ruppig sein. Lotte will sich nicht verlieben, sie setzt Sexualität als Machtmittel ein. Sie hat ja nie gelernt zu vertrauen, sie weiß nicht, dass man sich anlehnen kann, ohne als schwach zu gelten. Wenn Lotte einen Mann verführt, muss das also eine Art Kraftprobe sein.

War das Kampfküssen schwierig zu drehen?

LAVINIA WILSONSchon. Es hätte in eine Sexszene münden sollen, aber August hat vorgeschlagen, dass wir das nicht voll ausspielen, sondern ihn stattdessen am Morgen danach zeigen, wie er nackt aufwacht. Damit ist auch dem letzten Deppen klar: Der Akt ist vollzogen, die beiden hatten Sex. Ich bin August sehr dankbar, dass er sich geopfert und seinen nackten Hintern in die Kamera gehalten hat. So musste ich diesmal nicht ran. (grinst)

Thomas Thieme muss gleich mehrfach die Hosen runterlassen.

LAVINIA WILSON Ein Akt von Emanzipation, den ich nur begrüßen kann. (lacht)

Parallel zum Job studieren Sie an der Fernuni Hagen Philosophie. Was fehlt Ihnen an der Schauspielerei?

LAVINIA WILSON Ich liebe das Filmemachen sehr, aber in der Fernsehlandschaft ist es schon oft so, dass man sich fragt, wo ist denn eigentlich mein Hirn? Funktioniert das überhaupt noch? Ich habe Lust darauf, über mich selbst hinaus zu denken. In unserer Branche und erst recht in einer Stadt wie Berlin sind wir pausenlos damit beschäftigt, um uns selbst zu kreisen. Da ist es sehr heilsam, wenn einem wieder ein bisschen Demut beigebracht wird. (lacht) Und das passiert bei einem Studium der Philosophie definitiv.

Sie leben seit neun Jahren mit Ihrem Kol­legen Barnaby Metschurat zusammen. Wie läuft es, wenn Sie zusammen arbeiten?

LAVINIA WILSON Super. Wir hatten allerdings viele Jahre Angst davor und haben es deshalb vermieden. Barnaby ist der Mensch, der mich am allerbesten kennt. Als Schauspielerin muss ich aber behaupten, jemand ganz anderes zu sein. Ich hatte Sorge, dass ich das nicht kann und in eine Art Schockstarre fallen würde. Oder dass wir uns auf die Nerven gehen, denn man benimmt sich ja bei der Arbeit schon anders als zu Hause. Ich blödle am Set gern rum, Barnaby zieht sich eher zurück. Das hätte endloser Konfliktstoff sein können. Aber am Set war's dann kein bisschen kompliziert. Im Gegenteil.

Gerade drehen Sie gemeinsam die Fortsetzung des ZDF-Erfolgs "2030 - Aufstand der Alten". Spielen Sie ein Liebespaar?

LAVINIA WILSON Nee. Barnaby entscheidet sich im Film sogar gegen mich und für eine andere. Ich werde bei ihrer Hochzeit zu Gast sein.

Sie Arme!

LAVINIA WILSON Wieso? Die Kollegin tut mir leid. Wir haben beschlossen, an diesem Drehtag ganz besonders nett zu ihr zu sein, damit sie sich nicht fehl am Platz fühlt.

Susanne Sturm