Mal gehören Sie zu den Guten, mal zu den Bösen, lernen Sie von der jeweils anderen Seite? Was nehmen Sie von der Gaunerin mit ins Kommissariat?

Anna Schudt: Ach, für Schauspieler ist es einfach schön, unterschiedliche Charaktere zu spielen. So unterschiedlich wie die Menschen, so unterschiedlich sind auch Kriminelle. Und Menschen sind zu vielen Dingen fähig. Das ist oftmals nicht vorstellbar ...

... und der Grund für die Krimiwelle, die durchs Fernsehen schwappt? Im vergangenen Jahr liefen allein im ZDF 462 Krimis.

Anna Schudt:
Jesus! Maria! Wahnsinn!

Die Gewaltverbrechen in der Wirklichkeit nehmen dagegen ebenso kontinuierlich wie rapide ab.

Anna Schudt: Das ist doch mal eine gute Nachricht.
Haben Sie wirklich Mordshunger auf Krimis oder wird einem nichts anderes mehr angeboten?

Anna Schudt: Eigentlich habe ich für mein Leben genug Krimis gemacht (lacht).

Es kommen aber noch ein paar auf Sie zu, oder?

Anna Schudt: Ja, das ist auch nicht schlimm. Ich will mich überhaupt nicht beklagen. "Harter Brocken" zum Beispiel war ja im Endeffekt auch ein Krimi, aber eben anders erzählt. Man kann dieses Genre auch mit einer ganz anderen Erzählstruktur bedienen.

Wie der Tatort aus Dortmund?


Anna Schudt: Das ist vom Prinzip her sehr schwierig. Du musst vier Figuren und einen Fall erzählen, interessante Episodenfiguren haben und auch noch die privaten Erzählstränge der Kommissare irgendwie hineinpacken. Wir haben uns entwickelt in unseren Figuren und in diesen fünf Folgen. Und wir sind ihnen näher gekommen.

Klingt kompliziert und hat auch nicht gleich geklappt.

Anna Schudt: Wir wurden schon sehr kontrovers diskutiert. Ich kenne viele Leute, die das am Anfang total schrecklich fanden. Auf jeden Fall hart.

Mittlerweile wird der Dortmund-Stil von den jungen "Tatort"-Kommissariaten aufgegriffen, während die Kumpelkommissare auslaufen.

Anna Schudt: Auf jeden Fall. Die horizontale Erzählweise ist ein Trend. Gut für uns, weil dadurch wird es spannender. Aber es gibt auch noch andere Sachen, die mich interessieren.

Und die wären?

Anna Schudt: Zum Beispiel historische Stoffe oder Filme, die tief in die Seele eines Menschen blicken beziehungsweise selber so eine Figur zu erschaffen. Das ist etwas, das mich als Schauspielerin reizt.

Das kann man im Krimi doch auch.

Anna Schudt: Ja, aber es gibt aber noch viele andere Themen außer: Warum erschlage ich jemanden oder, warum tue ich jemandem ganz furchtbar weh. Was für eine Biografie muss ich mir dafür ausdenken? Das ist immer so ein Rumstochern in einer Blutsuppe. Dabei gibt so viele andere Dinge, die auch wahnsinnig spannend sind.

Haben Sie eine Vermutung, warum das Krimigenre so ankommt?

Anna Schudt: Der "Tatort" ist eine Institution, das war mir vorher auch nicht so bewusst. Weil ich auch kein "Tatort"-Gucker war. Die Krimiflut hat schon auch mit unserer Zeit zu tun. Wir sind offenbar resistent, weil uns tatsächlich so wenig Schlimmes entgegengebracht wird. Dadurch wird die Schwelle des Aushaltbaren immer höher. Skandinavien beispielsweise ist bekannt für harte TV-Krimis und dabei so eine friedliche Weltregion.

Als Krimiköchin müssen Sie nicht dauernd in der Blutsuppe rumstochern. Hat Sie das an Britta Janssen gereizt?

Anna Schudt: Mich hat an der Britta gereizt, dass sie eine ganz andere Figur ist, als die die ich sonst spielen darf. Sie hat so etwas ganz Weibliches, Fröhliches, Positives und Sonniges. Das spiele ich ja nicht so häufig. Es ist bei mir ja eher immer 'die dunkle Ecke', die ich spiele. Britta ist sie ja nicht eine Ermittlerin im klassischen Sinne, sondern der Pol, bei dem das Private zusammenfließt. Sie ist gar nicht so darauf aus, Fälle zu lösen. Sie kennt die Leute nur eben alle.

Man gibt den Figuren ja immer etwas von sich. Sind Sie privat eher die Janssen oder die Bönisch?


Anna Schudt: Das müssen andere entscheiden. Die Britta Janssen ist mir natürlich viel sympathischer in ihrer Art als Frau Bönisch. Beide haben Facetten, die ich gut verstehe und mag. Dieses Bellen von Frau Bönisch ist mir auch total nah. Obwohl ich hoffe, dass ich privat so etwas nicht habe (lacht). Da würde ich mich schon lieber in der Britta-Ecke sehen, aber irgendwo tief schlummert wohl auch etwas von dem, was Frau Bönisch hat.

Interview: Heiko Schulze