Karoline Herfurth: "Ich habe mich geschämt!"

Schauspielerin Karoline Herfurth über ihre Rolle im Nazidrama "Berlin '36", seit 10. September im Kino

Sie war das Mirabellen-Mädchen in Tom Tykwers "Parfum", hat an der Seite von Kate Winslet in "Der Vorleser" gespielt und wurde für ihre Darstellung in Caroline Links "Im Winter ein Jahr" mit dem Bayerischen Filmpreis geehrt: Karoline Herfurth ist der leuchtende Stern am deutschen Kinohimmel.

Jetzt ist die 25-Jährige in "Berlin '36" in einer historischen Rolle zu sehen. Karoline Herfurth spielt die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann, die bei Olympia 1936 in Berlin als Favoritin für die Goldmedaille galt. Um einen möglichen Sieg Bergmanns zu verhindern, schickten die Nazis Marie Ketteler, in Wahrheit ein Mann, als Konkurrentin in den Wettkampf.

Was haben Sie gedacht, als Sie diese Geschichte gehört haben?

KAROLINE HERFURTH Unglaublich. Wenn man sich so etwas ausgedacht hätte, würden die Leute sagen: Mein Gott, ist das konstruiert. Aber das Leben schreibt eben immer noch die besten Geschichten - was in diesem Zusammenhang allerdings ein bisschen sarkastisch klingt.

Haben Sie Gretel Bergmann persönlich kennengelernt?

KAROLINE HERFURTH Ja, vor zwei Monaten in New York. Wir hatten ein Fotoshooting für die "Vogue" mit Bruce Weber. Danach hat sie uns zu sich nach Hause eingeladen, wo ich ihre Familie kennenlernte. Eine beeindruckende Frau, die so modern war für ihre
Zeit und heute, mit 95 Jahren, so stark ist. Ich habe mich dafür geschämt, Deutsche zu sein.

Warum?

KAROLINE HERFURTH Auch wenn man über diese Zeit viel in der Schule erfährt, bei einem Film nimmt man die Gewalt und die Grausamkeiten nochmal in einer anderen Dimension wahr. Und dann komme ich aus diesem Land, das die Familie ihres Mannes umgebracht hat und dessen Sprache sie sich weigert zu sprechen und sage: Hallo, wir haben einen Film über Ihr Schicksal gemacht, das Sie durch uns erlitten haben!

Ist sie einverstanden mit Ihrer Darstellung?

KAROLINE HERFURTH Ja, zum Glück. Das war mir das wichtigste Anliegen. Sie sagte: Ja, das stimmt. Es fühlt sich richtig an. Das hat mich sehr glücklich gemacht.

Wie authentisch wollten Sie sein?

KAROLINE HERFURTH Wenn man eine historische Figur spielt, und gerade jemanden wie Gretel Bergmann, dann hat man, die Verpflichtung, nah an der Realität zu sein. Wenn ich im Kino eine historische Geschichte sehe, dann ist es oft eine, über die ich vorher nichts gewusst habe. Das Gesehene nehme ich dann erstmal als Tatsache an. Deswegen muss man sich genau einarbeiten, auch in die Zeit. Wie war es damals? Wie war der Mensch, den ich spiele? Wie waren Menschen in dieser Zeit generell?

Und, wie war es für Sie in den 30er-Jahren?

KAROLINE HERFURTH Die Menschen haben sich anders verhalten, hatten einen anderen Habitus. Zum Beispiel, bei einer Szene, in der geweint wird, kann ich nicht so modern weinen, wie ich es heute tun würde.

Wie hat man denn geweint?

KAROLINE HERFURTH Ich glaube, dass es damals nicht angebracht war, sich öffentlich seinen Gefühlen hinzugeben. Heutzutage geht es sehr viel mehr um Innerlichkeit. Es ist gesellschaftlich akzeptiert, sich mit der eigenen Psyche zu befassen. Ich denke, das war damals noch nicht die Tonart. Wenn jemand geweint hat, hat er das verhaltener getan und auch unterdrückter.

Sie sind Berlinerin. In der Stadt erinnert sehr viel an die dunkle Zeit. Haben Sie die Stadt durch den Film neu kennengelernt?

KAROLINE HERFURTH Definitiv das Olympiastadion. Diese größenwahnsinnige, herrschaftliche Architektur, dieser Machtanspruch, der dadurch zum Ausdruck gebracht wird - das sehe ich durch meine Arbeit mit dem Film jetzt noch stärker mit gemischten Gefühlen.

Inwieweit ist das Thema noch aktuell?

KAROLINE HERFURTH Wie sollen Staaten auf eine Instrumentalisierung der Olympischen Spiele politisch reagieren? Das war im letzten Jahr durch Tibet ein Thema. Hier geht es aber um mehr. Es geht um Courage in einer Unrechtszeit, die nicht vergessen werden darf.

Heiko Schulze