.

HUNGER!/DURST!

Mal eben die Welt retten: Claus Kleber

Das geht manchmal schon mit ein paar Cent oder einer guten Idee. ZDF-Anchor Claus Kleber will mit dem Doku-Zweiteiler HUNGER/DURST (DI, 11.11.) jedenfalls Mut machen

Auf unserem Planeten müsste kein Kind verhungern oder verdursten, wenn wir alles richtig machen. So lautet eine optimistische Vision, die Claus Kleber jetzt in einer neuen zweiteiligen Doku mit den Titeln "HUNGER!" und "DURST!" hinterfragt. Auf einer Reportagereise zu den weltweiten Brennpunkten von Nahrungs- und Wasserknappheit in Indien, China, Mexiko, Sierra Leone, in den USA und Palästina geht der ZDF-Anchorman unter anderem den Fragen nach, warum so viele Lebensmittel bei den Hungernden nie ankommen und wie wir dem Land und den Ozeanen noch mehr abgewinnen können, ohne die Böden auszulaugen und Fischbestände zu zerstören.
Für den langjährigen USA-Korrespondenten und Co-Autorin und Regisseurin Angela Andersen ist dies - nach mehrteiligen Dokus zu Klimawandel und atomarer Aufrüstung -die dritte Zusammenarbeit zu einem weltumspannenden Themenkomplex.

TV SPIELFILM: Nach "Machtfaktor Erde" und "Die Bombe" wieder so ein Monsterthema...

CLAUS KLEBER Da haben sie Recht. Aus solchen Themen große Filme machen, die man auch gern sieht, ist jedes Mal wahnsinnig schwierig. Diesmal auch. Jedes Mal schwören Angela und ich: Unser nächster Film wird
eine Langzeitbeobachtung des Winterschlafs der Koalabären, wo wir an einem Ort sind und nichts anderes machen, als auf einen schlafenden Bären aufzupassen.

Sie machen Witze.

CLAUS KLEBER Leider. Ich glaub nicht mal, dass Koalabären Winterschlaf machen.
Sie haben diesmal wieder die halbe Welt
bereist. Was hat Sie am meisten schockiert, überrascht, wütend gemacht?


CLAUS KLEBER Wo fange ich an? Es wird schnell emotional, wenn Hunger und Reichtum aufeinanderstoßen wie in Indien. Die Grüne Revolution war nirgends erfolgreicher, die Bauern dort liefern unglaubliche Mengen Getreide, niemand müsste in Indien verhungern.

Aber es passiert...

CLAUS KLEBER ...und das macht einen wütend. In Madhya Pradesh, wo viele Kinder verhungern, haben wir ein 16 Monate altes Mädchen gesehen, das zu verhungern drohte und durch unsere Vermittlung in eine Hilfseinrichtung kam. Die haben dem Baby nur ein wenig Zuckerlösung eingeflößt, und schon bald konnte es wieder richtige Nahrung zu sich nehmen. Monate später ist die kleine Chaya mit anderen Kindern über den Hof geflitzt.

Ihre Dreharbeiten haben das Kind gerettet?

CLAUS KLEBER Wenn wir nicht gekommen wären, wäre Chaya verhungert. Leider ist ihre Geschichte damit nicht zu Ende. Aber das erzählen wir lieber im Zusammenhang im Film. Zunächst steht Chaya dafür, wie wenig wir tun müssten, um Leben zu retten. Aber wir tun es nicht. Das ist mörderische Gleichgültigkeit.

Eine bedrückende Erkenntnis. Wollen Sie mit Ihrem Film die Öffentlichkeit wachrütteln?

CLAUS KLEBER Nein, es ist kein Film, der arme Menschen vor die Kamera zerrt und am Ende mit einem Hilfsappell endet. Das Schicksal von Chaya ist das einzige Hungerschicksal im Film. Von seiner Anmutung her ist es ein großer, wenn Sie so wollen, opulenter Film. Mit Respekt vor den Menschen, denen wir begegnen.

Ein Film über Hunger, der Hoffnung macht?

CLAUS KLEBER Zunächst einmal ist es großes Fernsehen. Er macht auch Hoffnung, es gibt verrückte Geschichten und auch technisch tolle Sachen. Aquapods zum Beispiel, gigantische Stahlnetzkugeln für Fischfarmen im Ozean. Ich bin darin getaucht. Das ist eine Hightech-Idee für die Zukunft, denn wir werden einen großen Teil unseres tierischen Eiweißes weiterhin aus dem Ozean beziehen müssen.

Sie erzählen von neue Entwicklungen gegen den Welthunger. Waren Sie auch im Silicon Valley?

CLAUS KLEBER Sie meinen, wo dieses künstliche Fleisch produziert wird...

...und Eierprodukte auf pflanzlicher Basis.

CLAUS KLEBER Nein, das war mir doch ein bisschen zu sehr Hightech und zu weit weg von den Menschen. Man muss sich für einen Ausschnitt entscheiden, und diesen "Abenteuer Wissen"-Aspekt haben wir bewusst ausgelassen.

Wie soll der unstillbare Welthunger künftig gestillt werden, und wo soll die Nahrung herkommen?

CLAUS KLEBER Wir waren in Afrika, in Sierre Leone - vor Ebola -, wo ein Milliardenkonzern die ganze Landschaft für Anbauflächen umstülpt. Die Menschen dort werden von dieser Entwicklung allerdings völlig überrollt, auch weil das Geld in die Taschen von korrupten Ministern und Stammeshäuptlingen fließt. Wir porträtieren eine Bäuerin, Salamatu, die für ihren Hektar Land, den sie hergegeben hat, als jährliche Pacht 20 Cent bekommt.

Sie beschreiben Afrika nicht nur als Hungerkontinent, sondern als Kontinent, der künftig den Welthunger besiegen könnte?

CLAUS KLEBER Wenn es in 20 Jahren drei Milliarden Menschen mehr auf der Welt gibt - also zwei Chinas -, dann müssen wir aus Afrika nicht nur Nahrung für die Afrikaner, sondern für die Welt bekommen. Das wird aber nicht klappen, wenn wir die Afrikaner betrügen.

Welches Fazit ziehen Sie nach den Dreharbeiten, enthält der Film eine Botschaft für den Zuschauer?

CLAUS KLEBER Wir müssen gerechter sein bei der Nutzung der Ressourcen, wir müssen bewusster sein. Für mich war der Besuch auf einer Milch- und Fleischfarm mit 18 000 Kühen in China diesbezüglich ein Erweckungserlebnis. Ich bin ja ein halber Amerikaner - kurz: ich tue einiges für ein gutes Steak -, aber nachdem ich das gesehen habe, esse ich weniger Fleisch und bewusster.

Sie haben ein neues Verhältnis zum Essen gefunden...

CLAUS KLEBER ...und ein gesünderes. Vielleicht sollte man Fleisch nicht so selbstverständlich auf den Speiseplan nehmen, sondern sich öfter mal fragen: Ist heute der Tag, an dem du Fleisch essen willst? Hey, wir verbrauchen 15 000 Liter Wasser für ein Kilo Steak. Der zweite Teil der Doku heißt "DURST!".

Heiko Schulze

HUNGER! im TV
MI 5.11. ZDF 23.15 Uhr
DURST!
DI 11.11. ZDF 20.15 Uhr
Info: Wie viele Menschen unter Hunger leiden
■ 842 Millionen Menschen (etwa
ein Achtel der Weltbevölkerung) leiden unter chronischem Hunger. Die Zahl ist seit 1990 um 170 Millionen zurückgegangen.
■ Die große Mehrheit der Hungernden (827 Millionen oder 98 Prozent) lebt in Entwicklungsländern, circa 586 Millionen in Asien.
■ Weltweit 15 Prozent aller Kinder unter 5 Jahren (oder: 99 Millionen) sind untergewichtig (Zahl von 2012). 1990 waren es noch 25 Prozent.
■ Es kostet nur 20 Cent am Tag, ein Kind mit allen wichtigen Vitaminen und Nährstoffen zu versorgen.
■ Die Weltbevölkerung wird nach Schätzungen der UN bis zur Mitte des Jahrhunderts um 2 bis 3 Milliarden Menschen wachsen. Der Nahrungsmittelbedarf steigt um 70 Prozent.