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Heute schon gelacht?

Westerwelle und Schweinegrippe

Ab heute läuft die heute-show jeden Freitag. Und wem verdankt das ZDF den Erfolg? Letztlich Harald Schmidt

Harald Schmidt ist schuld. Im Dezember 2008 versprach er, pünktlich zum Wahljahr 2009, seine ARD-Show umzukrempeln: Pocher raus, Politik rein! Als großes Vorbild nannte er mehrmals die amerikanische "Daily Show", in der Starkomiker Jon Stewart brüllend komisch die Mächtigen und die Medien seiner Nation seziert.

Zu teuer. Zu politisch. Zu frech.

Mit diesem Plan setzte Schmidt unabsichtlich die müde Mechanik des ZDF in Gang. Die Mainzer hatten bereits im Sommer 2008 eine deutsche Fassung der "Daily Show" konzipiert und eine Pilotfolge der "heute-show" mit Oliver Welke abgedreht. In der Chefetage fand man die Sendung toll, wollte sie aber nicht mit den Zuschauern teilen. Zu teuer. Zu politisch. Zu frech. Und freie Sendeplätze gab es auch nicht.

Stephan Denzer, Erfinder und leitender Redakteur der "heute-show", spricht rückblickend von einem "Entscheidungsvakuum" im Zweiten. Erst als Harald Schmidt Gleiches für die ARD ankündigte, ohne es später jemals zu realisieren, sah sich der Lerchenberg zu spontanem Handeln gezwungen. Die kleine Kabarett- und Comedyredaktion des ZDF, die seit Januar 2007 auch "Neues aus der Anstalt" mit Urban Priol produziert, stemmte im Mai 2009 ihre erste reguläre "heute-show".

Die war selbstironisch, flott und jung.

Die hatte Witz, mehr als zwei Millionen Zuschauer und zwei grandiose Außenreporter: Ex-"Titanic"-Chef Martin Sonneborn und Zonenkomiker Olaf Schubert. Der Erfolg kam prompt: Nach nur zwei Folgen wurde die Show für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, nach nur vier Folgen gab es den Deutschen Comedypreis und eine Liebeserklärung von ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut: Der lässt die "heute-show" jetzt wöchentlich laufen. Ab dem 22. Januar 2010 jeden Freitag um 22.30 Uhr, gleich nach dem weniger lustigen "heute journal".

Die privaten Sender halten schon die Erwähnung von Politikernamen in Comedyshows für einen Abschaltfaktor.

Oliver Welke wertet den neuen Sendeplatz als Chance und Risiko zugleich: "Bislang hatten wir das Privileg, am Donnerstag direkt hinter 'Neues aus der Anstalt' zu laufen. Da waren alle Zuschauer schon versammelt, die sich für Politik und Satire interessieren. Jetzt muss das ZDFPublikum erstmal auf die Suche gehen nach dem Humor."

Dennoch fühlt sich der ehemalige Münsteraner Publizistik- und Politikstudent beim Öffentlich- Rechtlichen perfekt aufgehoben: "Die privaten Sender halten schon die Erwähnung von Politikernamen in Comedyshows für einen Abschaltfaktor."

Im Kölner Redaktionsteam tauschen sich politische Redakteure des ZDF mit Comedyautoren aus, die einst für Harald Schmidt oder die RTL-"Freitag Nacht News" geschrieben haben. Oliver Welke arbeitet an jeder Ausgabe intensiv mit. Denn bei der Aufzeichnung, die in einem Nachbarstudio von Stefan Raabs Show "TV total" produziert wird, ist für Improvisation kein Platz. Eine "heute-show" besteht aus bis zu 800 winzigen Ablaufpositionen. Jedes Wort, jeder Einspieler ist im Drehbuch notiert.

Rainer Brüderle wird zum Idol aufgebaut

Um genug skurrile Ausschnitte aus Polittalkshows,
Nachrichtensendungen und Wahlwerbespots zu haben, schauen Kölner Studenten gegen Honorar alle News-Programme und notieren die Anormalitäten. Was die sogenannten Sichter entdecken, darf nicht automatisch gezeigt werden. "Jeder Ausschnitt wird von uns angefragt und auch bezahlt", sagt Redakteur Stephan Denzer.

Stefan Raab würde nicht mal auf die Idee kommen, aber das ZDF hat Vorbildfunktion. Den Preis fürs Mainzer Beamtentum zahlt am Ende die "heute-show".

Wir mussten uns schon von ganz wunderbaren Ideen trennen, weil andere Sender uns nicht erlaubt haben, eine bestimmte Szene zu zeigen.

Genug Stoff gab es 2009, dem Wahljahr mit Westerwelle, Opel-Pleite und Schweinegrippe. "Wir wussten, wir starten in einer nachrichtenstarken Zeit und werden keinen Mangel an Themen haben", sagt Oliver Welke. Auch die Regierung aus CDU/CSU und FDP wertet er als Geschenk: "Die große Koalition mit der SPD, die wir in den vier Jahren davor hatten, war aus Satiresicht ein Problem. Da hat sich nie einer getraut, seine Position bis zum Ende zu vertreten. Jetzt sind die Fronten wieder klar."

In diesem Jahr soll auch Platz sein für Experimente. "Wir wollen auf jeden Fall Talkgäste einladen", verrät Redakteur Stephan Denzer. Hochkaräter wie Barack Obama oder Hillary Clinton, die gern mal Glanz ins New Yorker Studio der "Daily Show" bringen, werden wohl kaum den Weg ins Kölner Studio finden. Aber es gebe auch deutsche Politiker, die im Ansatz dieses Talent haben, meint Welke. "Wir bauen gerade Rainer Brüderle zu einer Art Idol auf. Wenn er beim Reden mehr Silben verschluckt als artikuliert, ist sein Unterhaltungswert hoch."

Tägliche Show ausgeschlossen

Eines weiß der Moderator schon heute ganz genau: Ein tägliches Format, wie in den USA, wird die "heute-show" nie werden. "Erstens würde das meine Ehe akut gefährden", sagt Oliver Welke, und zweitens würden wir an Materialarmut scheitern. In den USA kann die 'Daily Show' viermal pro Woche ganz wunderbare Sendungen produzieren, weil es dort neben Fox News noch einige weitere Kanäle gibt, die rund um die Uhr absurdeste Sendungen bringen. Im Vergleich dazu ist das deutsche Fernsehen - leider - zu gut."

Michael Scholten