Dass Claus von Wagner und Max Uthoff für die ZDF-Sendung "Die Anstalt" einen Preis abräumen, war ungefähr so überraschend wie der Oscar für Juliane Moore als beste Hauptdarstellerin (Bei 100 Euro Einsatz hätten sie hoch profitable 101 Euro Gewinn gemacht). Doch die elfköpfige Jury des Grimme-Instituts sorgte dieses Jahr auch für Überraschungen - und die wahrscheinlich größte davon befindet sich ebenfalls in der Kategorie "Unterhaltung".

So ergatterte die WDR-Produktion "Mr. Dicks" in der Unterhaltungssektion eine der begehrten Grimme-Trophäen. Das Miniserien-Magazin lief auf dem digitalen Fernsehsender EinsFestival und wurde von der Bildundtonfabrik entwickelt, die unter anderem auch das "Neo Magazin Royale" mit Jan Böhmermann produziert. "Mr. Dicks" ist der kettenrauchende Moderator im Detektiv-Look des gleichnamigen Magazins, vollständig animiert, redet nur mit Gesten und hat einen Flamingo als Assistenten an seiner Seite. Die neumodische Variante von "Die Sendung mit der Maus", bloß unter mehr Drogeneinfluss, könnte man meinen.

Das Innovations-Format bietet aber viel mehr als das und widmet sich jede Folge schwungvoll speziellen Themen wie Rausch, Lust, Waffen oder dem Ego. Institutsdirektorin Frauke Gerlach zur Auszeichnung: "Bei unterhaltenden Stoffen wie dem jetzt ausgezeichneten Format "Mr. Dicks" sehen wir die größten innovativen Leistungen."
Die vier aktuellen Folgen gibt es in der EinsFestival-Mediathek zu sehen.

In der Sektion "Information und Kultur" wurden von zwanzig nominierten Produktionen fünf ausgezeichnet. Das Maximum möglicher Preis-Vergaben pro Sektion wurde hier also ausgeschöpft. Die von Channel 4, ZDF und Arte produzierte Dokumentation "Die Kinder von Aleppo" zeigt den syrischen Bürgerkrieg aus der Alltags-Perspektive einer Familie. In den Einzelfolgen der Geschichtsreihe "Akte D" werden historische Entwicklungen wie die Rolle der deutschen Bahn im Dritten Reich geschildert. Außerdem zeichnete die Jury die von Axel Engstfeld (u.a. "Terra X") produzierte Doku "Camp 14" über das nordkoreanische Lagersystem und das im ZDF ausgestrahlte Dokumentar-Porträt "Wir waren Rebellen" über den Südsudan aus. Die letzte Sektions-Auszeichnung geht an den Film "Nach Wriezen", in dem drei straffällig gewordene Jugendliche von dem Tag ihrer Gefängnis-Entlassung an über drei Jahre lang begleitet werden.

Zur letzten Sektion "Fiktion" hört man von Frauke Gerlach ungewohnt harsche Töne: "Die Begeisterung in den Auswahlgremien des Grimme-Preises hielt sich in Grenzen." So wurde auch hier das komplette Kontingent von fünf Preisen ausgeschöpft. Quantität statt Qualität wenn man der Aussage der Institutsdirektorin Glauben schenkt.

Mit dabei ist die BR-Produktion "Der Fall Bruckner", in der die von Corinna Harfouch gespielte Sozialpädagogin in einem Jugendamt alle Hände voll zu tun hat. Auch ein Tatort befindet sich in alter Tradition unter den Ausgezeichneten: Die zwischen Shakespeare-Melodrama und Western angesiedelte HR-Produktion "Im Schmerz geboren" prämiert die Leistungen von Ulrich Matthes und Ulrich Tukur. Der Hessische Rundfunk ist außerdem mit dem Macht-Drama "Männertreu" vertreten. Dort spielt Matthias Brand einen politischen Aufsteiger und Womanizer. Die beiden letzten Preise gingen an die Mauerfall-Komödie "Bornholmer Straße" und die komplett ohne Drehbuch auskommende Greisen-Partnersuche "Altersglühen - Speed Dating für Senioren", in der u.a. Mario Adorf, Senta Berger und Michael Gwisdek das Flirten improvisieren.

Der Grimme Preis wird seit 1964 jährlich in den drei Wettbewerbskategorien "Fiktion", "Information & Kultur" und "Unterhaltung" vergeben. Sehen kann man die nun 51. Grimmepreis-Verleihung am Freitag, dem 27. März 2015, um 22.35 Uhr auf 3Sat.

Steven Sowa