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Die britische Miniserie "Hit & Miss"

Extrem überzeugend

Hit & Miss
"Hit & Miss": Chloë Sevigny als transsexuelle Auftragskillerin Mia. Rechts: ihr Sohn Ryan (Jorden Bennie) Sky Atlantic

Serienhelden jenseits der Norm haben Konjunktur. Aktuelles Beispiel: Chloë Sevigny als transsexuelle Auftragskillerin in "Hit & Miss" (dienstags)

Der neue Serienentwurf über einen Auftragskiller ließ ihn völlig kalt. Und auch die Story eines Transsexuellen, der kurz vor der operativen Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau steht, als er erfährt, dass er einen Sohn hat, langweilte Fernsehmacher und "Shameless"-Erfinder Paul Abbott.

Was aber, wenn der Transsexuelle als Hitman arbeiten würde, um sich die OP mit seinen Mordeinkünften zu finanzieren? Wenn er überraschend herausfindet, dass er einen elfjährigen Sohn hat? Und sich plötzlich um dessen Erziehung kümmern muss, als die Mutter stirbt?
Bingo! Aus diesen zwei völlig unvereinbar scheinenden Komponenten entstand "Hit & Miss". Auch Hauptdarstellerin Chloë Sevigny staunte über das Drehbuch, das sie da bekommen hatte:
"Ich wusste schon auf Seite 2: Da steckt so viel wahres Leben drin! Und zugleich ist die Story natürlich sehr provokativ." Also nahm die 38-Jährige mit Vorliebe für heikle Charaktere - zuletzt war sie als fundamentalistische Mormonin in der in den USA heiß diskutierten Polygamistenserie "Big Love" zu sehen - ihre "bislang herausforderndste Rolle" an.

Je schräger, desto besser

Wenn sich ihre Mia nackt im Spiegel betrachtet und weinend auf den Rest ihrer offensichtlichen Männlichkeit einschlägt, ist das zwar auch Sevigny zu viel des Guten. "Ich fand, dass die Szene für die Geschichte nicht nötig war und habe darüber mit den Produzenten diskutiert", verriet sie in einem Interview. Aber letztlich bietet die irritierend schräge Ausgangssituation der sechsteiligen britischen Miniserie besten Nährboden für gute bis außergewöhnlich gute TV-Unterhaltung.

Denn "Hit & Miss" ist keine Freakshow. Vielmehr ein zeitlo­­ses Familiendrama mit Thrillerelementen, eine zarte Liebesgeschichte zwischen Mia und ihrem Sohn Ryan. Und so ganz nebenbei befeuert Produzent Paul Abbott mit der Serie auch noch einen nachhaltigen Trend, den er selbst 2004 mit dem britischen Original von "Shameless" mit losgetreten hat: den Trend zum Antihelden.

Vom Serienkiller, der Mörder umbringt ("Dexter"), über den Drogen kochenden Chemielehrer ("Breaking Bad") und den versoffenen Familienvater aus "Shameless" bis hin zur innerlich zerrissenen Mia aus "Hit & Miss" - Neugier lässt sich beim Publikum fast nur noch mit Extremen wecken. Mit Figuren, die wir Zuschauer nur mit schlechtem Gewissen sympathisch finden dürfen. Wenn überhaupt.

Frank Steinberg

"Hit & Miss"
DI, 14.5., RTL Crime, 20.15 Uhr