Als er das Drehbuch zu "Der große Crash - Margin Call" in die Hände bekam, war die internationale Bankenkrise gerade auf ihrem Höhepunkt und stürzte Millionen Menschen in den finanziellen Ruin. Sie verloren ihre Häuser, ihre Jobs, ihre Existenzen. Wie die meisten Bankkunden dieser Welt trieb auch Jeremy Irons die Frage um: Wie konnte eine solch globale Finanzkrise passieren? Warum hat niemand die Katastrophe kommen sehen? Und weshalb hat sie niemand rechtzeitig stoppen können?

Im Drehbuch fand er Antworten. Irons spielt John Tuld, den skrupellos agierenden Boss einer Investmentfirma, die sich mit hoch spekulativen Zockereien in eine ausweglose Lage gebracht hat. Das Unternehmen ist dramatisch unterkapitalisiert. Müsste es jetzt über seine Sicherheiten Rechenschaft ablegen, würde ihm dieser "Margin Call" das Genick brechen, denn die Verluste sind nicht nur höher, als die hinterlegten liquiden Mittel ("Margin Account"), sondern als der Wert der gesamten Firma.

Als die Führungsriege das Ausmaß der Katastrophe erkennt, entwickelt sie eine brachiale Strategie, um die Firma und ihre Köpfe zu retten. Die toxischen Finanzprodukte müssen am nächsten Morgen abgestoßen werden, selbst wenn der Markt daran kollabiert - Lehman lässt grüßen.

Für Oscar-Preisträger Irons (er gewann 1991 als Bester Hauptdarsteller in "Die Affäre der Sunny von B.") ist der skrupellose Firmenchef eine Traumrolle. Eine Figur von shakespearischer Wucht, die der 63-Jährige so kraftvoll und kaltherzig ausfüllt, als sei Tulds Erfolgs-credo auch das seine: "Sei der Erste, sei der Beste, oder bescheiße, wo du kannst."

Ein Oscar-Preisträger auf der Müllkippe

Dabei ist der Engländer privat das krasse Gegenteil eines zynischen Kapitalisten. Der Vater zweier Söhne, dem man zahlreiche Affären mit Schönheiten wie Carly Simon oder Patricia Kaas nachsagt, gilt als Querdenker und Individualist. Er lebt mit seiner Frau Sinead (seit 35 Jahren verheiratet) auf dem irischen Kilcoe Castle, das er jahrelang selbst restaurierte, und setzt sich aktiv für den Umweltschutz ein.

Gerade produzierte und moderierte er den Dokumentarfilm "Trashed", der sich mit den rasant wachsenden Müllbergen der Industrienationen auseinandersetzt. "Man kann nicht nur Unterhaltungsfilme drehen", erklärt Irons sein Engagement, für das er beim Drehen oft selbst knietief im Abfall stand.

Neugierig will er bleiben, jeden Tag etwas lernen. So, wie beim Dreh von "Der große Crash". "Die Lehre ist klar. Es ist völlig falsch, Geld dazu zu benutzen, um mehr Geld zu verdienen. Man sollte Geld einzig dazu einsetzen, um Dinge zu kaufen, die man wirklich braucht, wie Nahrungsmittel, Kleidung oder Medikamente."

Susanne Sturm