Die wunderbare Welt des Internets: Alles, was wir wissen, lernen, kaufen oder zur Zerstreuung tun wollen, ist hier nur ein, zwei Klicks weit weg. Es kann aber auch zum Albtraum werden, wenn es dazu genutzt wird, andere zu diskreditieren, als Forum für Beleidigungen und Verleumdungen.

Wozu Mobbing im Netz - das sogenannte Cyberbullying - Betroffene treiben kann, zeigt jetzt das ARD-Drama Homevideo. Der Film nach einer Vorlage des Hamburgers Jan Braren erzählt den Fall eines jungen Schülers, der seinen Alltag als Videotagebuch dokumentiert und sich unter anderem selbst beim Onanieren filmt. Als das Video versehentlich in die Hände von Mitschülern gerät, die es für alle Welt abrufbar ins Web stellen, nimmt die Tragödie ihren Lauf...

Das Netz multipliziert asoziales Verhalten

Als die Lästerseite isharegossip.com Anfang des Jahres auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien landete, wurde erstmals eine breite Öffentlichkeit auf die dunkle Seite des Internets aufmerksam. Die Plattform war nach der Prügelattacke auf einen 17-Jährigen in die Schlagzeilen geraten. Der Junge wollte Mäd­chen zur Rede stellen, die seine Freundin in dem Portal angefeindet hatten. Daraufhin war er von 20 Jugendlichen zusammengeschlagen worden.

Ob das Abschalten von Isharegossip und anderen Websites das Ende derartiger Schikanen unter Jugendlichen bedeutet, ist mehr als zweifelhaft. Einer Studie zufolge ist Cyberbullying bereits ein Massenphänomen. Jeder dritte Heranwachsende sei mittlerweile von Mobbing über das Internet betroffen, warnt beispielsweise die Techniker Krankenkasse. "Die Erwachsenen haben oft keine Ahnung, in welchen Albtraum ihre Kinder gerade trudeln", sagt Homevideo-Regisseur Kilian Riedhof, dessen Film auch zeigt, dass die www-Welt letztlich nicht die Ursache für den Terror unter Jugendlichen ist: "Mobbing gab es auch zu meiner Schulzeit, aber durch das Internet verbrei­tet es sich schneller und großflächiger. Das Netz multipliziert asoziales Verhalten."

Jugendliche sind leichte Opfer

Vor allem die Anonymität in vielen Netzwerken und Chatrooms, aber auch die Möglichkeit, Fotos, Tonaufnahmen und Videos einzustellen, öffnet der Denunziation Tür und Tor. Jugendliche trifft es mit voller Wucht. "Gerade in diesem Alter, wo das Interesse an Sexualität sehr groß, aber auch sehr schambehaftet ist, trifft diese Art von Bloßstellung besonders", so Autor Jan Braren, der sich bereits seit 2007 mit dem Thema beschäftigt.

Dass Homevideo eine längst fällig Debatte auslösen wird, hofft Herbert Scheithauer, Professor für Entwicklungspsychologie und Experte für Cybermobbing. "Ein hochbrisanter Film, der die Problemlagen auf den Punkt bringt", so der Wissenschaftler, der flächendeckende Konzepte zur Förderung von Medienkompetenz an Schulen fordert und für mehr Verantwortungsbewusstsein plädiert: "Wir bewegen uns in virtuellen Welten, die tatsächlich unsere Realität ausmachen. Ich muss das Verhalten, das ich in der alltäglichen Welt zeige, in die Netzwelt übertragen. Das Internet ist kein Fantasiegebilde, wo ich mich voll ausleben kann, ohne Konsequenzen."

Im Anschluss an die Ausstrahlung von "Homevideo" diskutiert Anne Will das Thema in ihrer Talkrunde.

Heiko Schulze