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ARD-Sechsteiler "Weissensee"

Buddenbrooks in der DDR

Buddenbrooks in der DDR
Die Banalität des Bösen: Für "Weissensee" wurden Stasiverhörräume originalgetreu nachgebaut MDR/Julia Terjung

Der sehr sehenswerte ARD-Sechsteiler "Weissensee" zeigt den Zerfall einer Funktionärsfamilie vor dem Hintergrund von Eifersucht und Stasiterror (DI, 21.9., ARD, 20.15 Uhr)

Eine Funktionärsfamilie sitzt im Jahr 1980 in Ostberlin zusammen. Und während man isst und sich unterhält, tickt schon die Uhr für den Staat, der noch im selben Jahrzehnt untergehen sollte. Dieses Bild stand Autorin Annette Hess vor Augen, als sie mit dem ARD-Sechsteiler "Weissensee" begann.

Ähnlich wie die "Buddenbrooks" sind die Kupfers auf dem Zenit ihrer Macht und ihres Ansehens, als der Film einsetzt. Und so wie Thomas Mann von Anfang an die feinen Risse in der Fassade der Bürgerlichkeit sichtbar macht, sät Regisseur Friedemann Fromm ("Die Wölfe") bereits in der ersten Folge Zweifel am Zusammenhalt der Apparatschiks.

Die Liebe als Sprengsatz

Auslöser des Unheils ist der junge, unbedarfte Volkspolizist Martin Kupfer. Gespielt wird er von Florian Lukas, der den Kern des Dramas in einem Satz umreißt: "Als sich Martin in die Tochter einer Dissidentin verliebt, steht nicht nur seine Existenz auf dem Spiel, sondern die seiner ganzen Familie - und das ist nicht übertrieben, sondern leider realistisch."

Der Schauspieler kennt sich aus mit dem Sozialismus. Im Film ("Good Bye, Lenin!") und in der Realität: Vor 37 Jahren kam er in Ostberlin zur Welt, damals noch Hauptstadt der DDR. Für ihn waren die Dreharbeiten wie eine Reise in seine Kindheit. Zum Zeitpunkt der "Weissensee"- Handlung war er sieben Jahre alt und wurde gerade eingeschult: "Da kommen Erinnerungen hoch", sagt er.

Kenner der DDR-Geschichte

Einige von Lukas' älteren Kollegen am Set haben die Achtzigerjahre im Honecker-Staat noch bewusster erlebt. Denn auch Uwe Kockisch und Ruth Reinecke sind in der DDR aufgewachsen. Und Katrin Sass, die als cool-illusionslose Sängerin, gefangen im Kleinkunstbetrieb der DDR-Elite, eine Galavorstellung gibt. Ebenso wie der für seine akribische Vorbereitung bekannte Lukas, der sich von einem ehemaligen Volkspolizisten briefen ließ. Der erklärte ihm, wie eine Verkehrskontrolle in der DDR ablief, eine zentrale Szene in Folge 1.

"Ich hab mir so viel wie möglich von dem anzueignen versucht, was damals den Alltag der Polizisten prägte", sagt Lukas. "Schließlich werden auch Zuschauer vor dem Fernseher sitzen, die die Verhältnisse aus eigener Anschauung kennen, und ich fände es ärgerlich, wenn die den Kopf darüber schütteln, was die Leute vom Fernsehen sich wieder ausgedacht haben."

Das wird kaum passieren, denn bei allem melodramatischen Thrill atmet die Serie DDR-Atmosphäre pur, wie sie kein Spielfilm besser einfangen könnte. Klar wird auch getrickst: Echte Volkspolizisten, räumt Lukas ein, hätten kaum Eigenverantwortung gehabt und seien nicht so locker mit den Vorschriften umgegangen wie Martin Kupfer in "Weissensee". Die in der DDR verbotene Doku "Volkspolizei 1985" von Thomas Heise (lief vor Jahren in den Dritten) zeichnet ein sehr viel düstereres Bild.

In eine ähnliche Kerbe schlägt die zweiteilige ZDF-Doku über die Stasi, ebenso wie die Zeitzeugenerinnerungen in den vier Folgen von "Damals nach der DDR". Die drei Programme bilden quasi den Prolog zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung am 3. Oktober, der auch ein TV-Ereignis zu werden verspricht. Ost-West- Geschichte bleibt ein Thema. Auch für "Weissensee"-Autorin Hess. Sie sitzt schon an der Fortsetzung.

Rainer Unruh
Deckname Annett/Sonderauftrag Mord - DI, 21. + 28.9. ZDF 20.15 Uhr