Worum geht es bei "Ent-oder-Weder?"
Thomas Hermanns: Wir pflegen die hohe Kunst des Debattierens. Ich nenne den Comedians ein Thema und gebe außerdem vor, ob sie dafür oder dagegen sind. Damit persiflieren wir auch ein bisschen diese Talkshow-Gesprächskultur, bei der man das Gefühl hat, dass gerade Politiker oft die Seiten wechseln. Je nachdem, welche Ansage sie von der Parteilinie bekommen.
Welche Themen werden diskutiert?
Die ganze Bandbreite: "Rauchen nur noch unterirdisch!" oder "Verlegung des Bundestages in indische Callcenter" oder "Ist Gott eine Frau?". Beim letzten Thema war natürlich Hella von Sinnen in ihrem Element. Wir unterscheiden zwischen Einzeldebatten, doppelgeführten Debatten und der schwersten Form, die ich die FDP-Debatte nenne: Man spricht sich zunächst leidenschaftlich für ein Thema aus, um dann auf Zuruf mit gleicher Vehemenz gegen das gleiche Thema zu argumentieren.
Als Moderator übernehmen Sie also gewissermaßen die Rolle der zurufenden Angela Merkel?
Ich sehe mich eher als Mischung aus Anne Will und Frank Plasberg, also homosexuell und schlecht gelaunt. Das ist mein Anspruch an die Sendung. (lacht)
Werden Sie auch tagesaktuelle Themen debattieren können?
Das wäre die Kür. Jetzt haben wir erst mal sechs Folgen mit allgemeinen Themen aufgezeichnet, aber wenn wir das mittelfristig am Ausstrahlungstag produzieren könnten, wäre das eine perfekte Ergänzung zum "heute journal" im ZDF. Die Comedians improvisieren ja eh und müssen sich nicht zeitintensiv auf die Sendung vorbereiten.
Wer hatte die Idee zur Show?
Bernhard Hoecker, der die Show auch mit seiner Firma Puzzle TV produziert. Er war in einem Debattierclub und hat das komische Potenzial der Debatte erkannt. In einer improvisierten Debatte sagt man viel schneller die Wahrheit als wenn man sich die Worte vorher zurechtlegt. Unsere Comedians reden einfach drauf los, die filtern nicht großartig. Und es macht Spaß, zu beobachten, wie sich meinungsstarke Leute verbiegen müssen, um gegen ihre Überzeugung zu reden. So geschehen bei Hella von Sinnen, als sie sich für Schönheitsoperationen aussprechen sollte.
Sie moderieren den "Quatsch Comedy Club" auf ProSieben, Hella von Sinnen, Bernhard Hoecker, Michael Kessler, Oliver Kalkofe und viele andere Comedians aus "Ent-oder-Weder" sind ebenfalls bei ProSieben und Sat.1 aktiv. Warum sieht man sie jetzt alle auf ZDFneo?
Wir gehen überall dorthin, wo man uns die Chance gibt, etwas Neues zu probieren. Die Risikobereitschaft in der Branche wird ja nicht größer und das Geld wird auch überall weniger. Wo traut sich in der angespannten Lage überhaupt noch jemand, neue Formate zu entwickeln und nicht einfach nur Ideen aus dem Ausland einzukaufen? Vor ein paar Jahren hat Sat.1 mit "Genial daneben" und "Schillerstraße" gepunktet. Der Erfolg hat auch die anderen Sender motiviert, neue Formate zu entwickeln. Aber dieser Boom ist seit zwei Jahren wieder vorbei. Wenn uns ZDFneo jetzt die Gelegenheit bietet, zu experimentieren, ist das super und wir sind alle sofort dabei.
Bringt Ihnen das keine Probleme bei ProSieben ein?
Da ich nicht exklusiv bei ProSieben bin, kann ich überall hingehen, wo es mir gefällt. Ich habe ja auch schon für die ARD durch den Grand-Prix-Vorentscheid geführt oder moderiere jetzt für den NDR "Die Thomas und Helga Show". ProSieben würde sicher ein Problem damit haben, wenn ich auf einem anderen Sender eine Stand-up-Show wie den "Quatsch Comedy Club" moderieren würde.
Christian Ulmen, der für ProSieben "Mein neuer Freund" und "Dr. Psycho" gemacht hat, dreht gerade für ZDFneo die neue Serie "Snobs". Droht ein Exodus der witzigen Leute von ProSieben zu ZDFneo?
Ich glaube nicht, dass es einen Exodus gibt, wohl aber einen Mangel an neuen Formaten. Die großen Privatsender ProSieben, Sat.1 und RTL investieren ihr Geld derzeit nur in bewährte und beliebte Formate, bei denen vor allem namhafte Stand-up-Comedians viele Zuschauer garantieren. Neue Talente und neue Formate werden skeptisch beäugt, weil die finanzielle Gesamtlage keine Risiken zulässt. Statt der großen Player wagen im Moment eher die kleineren Sender wie die öffentlich-rechtlichen Dritten oder ZDFneo etwas. Die können mit relativ geringem Aufwand Formate wie "Die Thomas und Helga Show" oder jetzt halt "Ent-oder-Weder" ausprobieren. Die großen Privatsender sind sehr nervös und müssen aufs Budget schauen. Jeder ihrer Sendungen muss auf jeden Fall klappen. Die kleineren Privatsender und vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender können etwas gelassener sein und werden es langsam auch. ARD und ZDF haben lange Zeit nichts im Bereich Comedy gemacht. Die sehen jetzt dort ihre Chance.
Kann ZDFneo mit dem Geld der Gebührenzahler das leisten, was der private Spartensender Comedy Central nicht leisten kann? Nämlich eine aktive Förderung junger, deutscher Formate und Talente?
Das Problem von Comedy Central war von Anfang an, dass die Grundversorgung mit Comedy für Deutschland völlig ausreichend war. Bei acht Vollprogrammen, die fast alle Comedy bieten, wird ein reiner Spartenkanal nicht gebraucht. Was ZDFneo anstrebt, ist eine gewisse Geschmacklichkeit, die sich an HBO orientiert und sich nicht dem Massengeschmack unterwirft. Wenn das Geld des Gebührenzahlers für guten Geschmack und intelligente Unterhaltung ausgegeben wird, dann bin ich sehr dafür.
ZDFneo weist momentan eine kaum messbare Quote auf. Was bringt ein neues Format, wenn es eh kaum einer sehen kann oder will?
Ich sehe ZDFneo auch als Rampe ins ZDF. Das ist der Windkanal, in dem sich ein neues Format entwickeln kann, ohne nach einer ersten schlechten Quote gleich wieder aus dem Programm verbannt zu werden. Wir haben "Ent-oder-Weder" bereits mit dem festen Plan produziert, dass die Sendung in der Sommerpause der "heute show" im Hauptprogramm des ZDF laufen soll. Dann wird sie aus dem Dunkel ins Licht gezerrt.
Ist man beim gebührenfinanzierten ZDF eher bereit, die Kohle rauszuhauen?
Die Einstellung "Wir hauen die Kohle raus" gibt es nirgendwo mehr beim Fernsehen. Die Zeiten, in denen drei Wochen geprobt und getrunken wurde, bevor eine "Hitparade" entstand, sind lange her. Heute wird überall aufs Geld geschaut. Was ja gar nicht schlecht für die Leistung sein muss, wenn man nicht an den falschen Stellen spart. Auf das Geld achten heute aber sowohl die Privaten als auch die Öffentlich-Rechtlichen sehr.
Wie verhandelt ein kleiner Sender wie ZDFneo? Heißt es dort: "Wir sind so klein, dass wir kaum was zahlen können? Kommt Ihr trotzdem zu uns? "
Die Gagen bei ZDFneo liegen unter denen von ProSieben oder Sat.1. Die Zuschauerzahlen sind sehr übersichtlich, weshalb man sich bei den Gagen irgendwo in der Mitte trifft. Dafür hat man aber im Fall von "Ent- oder Weder" wenigstens die Chance, etwas Neues auszuprobieren. Manchmal bekomme ich ja auch Angebote, bei denen ich wenig (oder kein) Honorar bekommen würde und trotzdem nur etwas machen soll, der weder mutig noch innovativ ist. Von solchen Sachen halte ich mich fern.
Themenwechsel: In welcher deutschen Stadt soll der Eurovision Song Contest 2011 stattfinden?
In Berlin. Jeder im Ausland würde sich wundern, wenn wir das nicht in der Hauptstadt machen würden. Vor allem, wenn eine Hauptstadt so sexy und berühmt ist wie Berlin. Fünf Jahre nach der Fußballweltmeisterschaft werden viele ausländische Gäste wieder hierher reisen wollen, um den Grand Prix mit einem längeren Besuch der Stadt verbinden zu können. Natürlich kostet die Veranstaltung viel Geld und soll unsere arme Stadt nicht noch weiter ruinieren, aber es gibt eigentlich keine Alternative zu Berlin.
Lenas Heimatstadt Hannover hat sich schon selbst ins Gespräch gebracht.
Ich weiß nicht... Der Grand Prix braucht einfach mehr Glamour als Hannover bieten kann. Auf dem tristen Expo-Gelände jenseits der City kann aber nicht die passende Stimmung aufkommen.
Vermutlich wird es weit weniger Eintrittskarten als Fans geben. Nach welchen Kriterien sollen die Tickets verkauft werden?
Nach Grand-Prix-Wissen. Ich werde vor der Halle ein Quiz veranstalten und wer mir nicht sagen kann, wer 1982 für Holland gesungen hat, der darf gar nicht rein. Das muss ein Abend für Hardcore-Fans werden.
Ließe sich aus der Ticket-Vergabe nicht eine gute Fernsehshow machen?
Genau. Ein ARD-Quiz, in dem das Wissen der Fans getestet wird. Nur wer gewinnt, darf später im Publikum sitzen.
Nachdem Sie drei Jahre lang den deutschen Vorentscheid moderiert und vor internationalem Publikum die deutsche Punktevergabe verlesen hatten, haben Sie 2008 nach der Niederlage der No Angels in Belgrad frustriert hingeworfen. Bereuen Sie das jetzt?
Das war in der Tat ein schlechtes Timing. Im Mai hätte ich sehr gern auf der Reeperbahn gestanden und Lenas Sieg verkündet. Total gern hätte ich das gemacht. Aber mein Weggang vor zwei Jahren war eine rein emotionale Entscheidung. Als großer Fan war mir damals wichtig, dass die ARD nicht einfach weiter Dienst nach Vorschrift macht. 2009 kam es dann zum Super-GAU, in dessen Folge die ARD auf Stefan Raab und ProSieben zugegangen ist. Ich will meine Rolle gar nicht überbewerten, aber vielleicht hat mein Weggang ein bisschen Tempo in die Entwicklung gebracht und den Weg für Stefans Talentwettbewerb freigemacht.
Welcher Deutsche soll den Eurovision Song Contest moderieren?
Ich wünsche mir, dass Hape Kerkeling das macht.
Was halten Sie von der Entscheidung, dass Lena auch 2011 wieder für Deutschland antritt?
Dank Johnny Logan wissen wir, dass es nicht unmöglich ist, zweimal zu gewinnen. Es kommt vor allem auf Lenas neues Lied an und das wird ja sicherlich in zahlreichen Sendungen ermittelt werden. Ich denke, dass Stefan Raab einfach das Wohl der Künstlerin über die Quote einer weiteren Castingshow setzt. Sobald die Suche nach dem nächsten Grand-Prix-Star beginnen würde, wäre die Siegerin vom letzten Mal ein bisschen aus der Mode. Da ist es eigentlich super, dass Stefan seine schützende Hand über Lena hält und ihr deutlich macht: Du warst nicht nur der Geschmack der letzten Saison, sondern ich glaube langfristig an Dich.
Welche andere Grand-Prix-Gewinnerin kommt Lena vom Typ her am nächsten?
Sandie Shaw, die 1967 für England gewann. Sie trat barfuß auf, war modern, unkonventionell und ein bisschen frech. Ihr Titel "Puppet On A String" war bouncy, genau wie jetzt Lenas "Sattelite", während bei den Titeln der Konkurrenz der Chansons dominierte. Wenn man "Puppet On A String" als Oberthema nimmt und Stefan Raab als Puppetmaster sieht, der im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, wird aus der Allegorie erst recht eine runde Sache.
Das Interview führte Michael Scholten
Thomas Hermanns: Wir pflegen die hohe Kunst des Debattierens. Ich nenne den Comedians ein Thema und gebe außerdem vor, ob sie dafür oder dagegen sind. Damit persiflieren wir auch ein bisschen diese Talkshow-Gesprächskultur, bei der man das Gefühl hat, dass gerade Politiker oft die Seiten wechseln. Je nachdem, welche Ansage sie von der Parteilinie bekommen.
Welche Themen werden diskutiert?
Die ganze Bandbreite: "Rauchen nur noch unterirdisch!" oder "Verlegung des Bundestages in indische Callcenter" oder "Ist Gott eine Frau?". Beim letzten Thema war natürlich Hella von Sinnen in ihrem Element. Wir unterscheiden zwischen Einzeldebatten, doppelgeführten Debatten und der schwersten Form, die ich die FDP-Debatte nenne: Man spricht sich zunächst leidenschaftlich für ein Thema aus, um dann auf Zuruf mit gleicher Vehemenz gegen das gleiche Thema zu argumentieren.
Als Moderator übernehmen Sie also gewissermaßen die Rolle der zurufenden Angela Merkel?
Ich sehe mich eher als Mischung aus Anne Will und Frank Plasberg, also homosexuell und schlecht gelaunt. Das ist mein Anspruch an die Sendung. (lacht)
Werden Sie auch tagesaktuelle Themen debattieren können?
Das wäre die Kür. Jetzt haben wir erst mal sechs Folgen mit allgemeinen Themen aufgezeichnet, aber wenn wir das mittelfristig am Ausstrahlungstag produzieren könnten, wäre das eine perfekte Ergänzung zum "heute journal" im ZDF. Die Comedians improvisieren ja eh und müssen sich nicht zeitintensiv auf die Sendung vorbereiten.
Wer hatte die Idee zur Show?
Bernhard Hoecker, der die Show auch mit seiner Firma Puzzle TV produziert. Er war in einem Debattierclub und hat das komische Potenzial der Debatte erkannt. In einer improvisierten Debatte sagt man viel schneller die Wahrheit als wenn man sich die Worte vorher zurechtlegt. Unsere Comedians reden einfach drauf los, die filtern nicht großartig. Und es macht Spaß, zu beobachten, wie sich meinungsstarke Leute verbiegen müssen, um gegen ihre Überzeugung zu reden. So geschehen bei Hella von Sinnen, als sie sich für Schönheitsoperationen aussprechen sollte.
Sie moderieren den "Quatsch Comedy Club" auf ProSieben, Hella von Sinnen, Bernhard Hoecker, Michael Kessler, Oliver Kalkofe und viele andere Comedians aus "Ent-oder-Weder" sind ebenfalls bei ProSieben und Sat.1 aktiv. Warum sieht man sie jetzt alle auf ZDFneo?
Wir gehen überall dorthin, wo man uns die Chance gibt, etwas Neues zu probieren. Die Risikobereitschaft in der Branche wird ja nicht größer und das Geld wird auch überall weniger. Wo traut sich in der angespannten Lage überhaupt noch jemand, neue Formate zu entwickeln und nicht einfach nur Ideen aus dem Ausland einzukaufen? Vor ein paar Jahren hat Sat.1 mit "Genial daneben" und "Schillerstraße" gepunktet. Der Erfolg hat auch die anderen Sender motiviert, neue Formate zu entwickeln. Aber dieser Boom ist seit zwei Jahren wieder vorbei. Wenn uns ZDFneo jetzt die Gelegenheit bietet, zu experimentieren, ist das super und wir sind alle sofort dabei.
Bringt Ihnen das keine Probleme bei ProSieben ein?
Da ich nicht exklusiv bei ProSieben bin, kann ich überall hingehen, wo es mir gefällt. Ich habe ja auch schon für die ARD durch den Grand-Prix-Vorentscheid geführt oder moderiere jetzt für den NDR "Die Thomas und Helga Show". ProSieben würde sicher ein Problem damit haben, wenn ich auf einem anderen Sender eine Stand-up-Show wie den "Quatsch Comedy Club" moderieren würde.
Christian Ulmen, der für ProSieben "Mein neuer Freund" und "Dr. Psycho" gemacht hat, dreht gerade für ZDFneo die neue Serie "Snobs". Droht ein Exodus der witzigen Leute von ProSieben zu ZDFneo?
Ich glaube nicht, dass es einen Exodus gibt, wohl aber einen Mangel an neuen Formaten. Die großen Privatsender ProSieben, Sat.1 und RTL investieren ihr Geld derzeit nur in bewährte und beliebte Formate, bei denen vor allem namhafte Stand-up-Comedians viele Zuschauer garantieren. Neue Talente und neue Formate werden skeptisch beäugt, weil die finanzielle Gesamtlage keine Risiken zulässt. Statt der großen Player wagen im Moment eher die kleineren Sender wie die öffentlich-rechtlichen Dritten oder ZDFneo etwas. Die können mit relativ geringem Aufwand Formate wie "Die Thomas und Helga Show" oder jetzt halt "Ent-oder-Weder" ausprobieren. Die großen Privatsender sind sehr nervös und müssen aufs Budget schauen. Jeder ihrer Sendungen muss auf jeden Fall klappen. Die kleineren Privatsender und vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender können etwas gelassener sein und werden es langsam auch. ARD und ZDF haben lange Zeit nichts im Bereich Comedy gemacht. Die sehen jetzt dort ihre Chance.
Kann ZDFneo mit dem Geld der Gebührenzahler das leisten, was der private Spartensender Comedy Central nicht leisten kann? Nämlich eine aktive Förderung junger, deutscher Formate und Talente?
Das Problem von Comedy Central war von Anfang an, dass die Grundversorgung mit Comedy für Deutschland völlig ausreichend war. Bei acht Vollprogrammen, die fast alle Comedy bieten, wird ein reiner Spartenkanal nicht gebraucht. Was ZDFneo anstrebt, ist eine gewisse Geschmacklichkeit, die sich an HBO orientiert und sich nicht dem Massengeschmack unterwirft. Wenn das Geld des Gebührenzahlers für guten Geschmack und intelligente Unterhaltung ausgegeben wird, dann bin ich sehr dafür.
ZDFneo weist momentan eine kaum messbare Quote auf. Was bringt ein neues Format, wenn es eh kaum einer sehen kann oder will?
Ich sehe ZDFneo auch als Rampe ins ZDF. Das ist der Windkanal, in dem sich ein neues Format entwickeln kann, ohne nach einer ersten schlechten Quote gleich wieder aus dem Programm verbannt zu werden. Wir haben "Ent-oder-Weder" bereits mit dem festen Plan produziert, dass die Sendung in der Sommerpause der "heute show" im Hauptprogramm des ZDF laufen soll. Dann wird sie aus dem Dunkel ins Licht gezerrt.
Ist man beim gebührenfinanzierten ZDF eher bereit, die Kohle rauszuhauen?
Die Einstellung "Wir hauen die Kohle raus" gibt es nirgendwo mehr beim Fernsehen. Die Zeiten, in denen drei Wochen geprobt und getrunken wurde, bevor eine "Hitparade" entstand, sind lange her. Heute wird überall aufs Geld geschaut. Was ja gar nicht schlecht für die Leistung sein muss, wenn man nicht an den falschen Stellen spart. Auf das Geld achten heute aber sowohl die Privaten als auch die Öffentlich-Rechtlichen sehr.
Wie verhandelt ein kleiner Sender wie ZDFneo? Heißt es dort: "Wir sind so klein, dass wir kaum was zahlen können? Kommt Ihr trotzdem zu uns? "
Die Gagen bei ZDFneo liegen unter denen von ProSieben oder Sat.1. Die Zuschauerzahlen sind sehr übersichtlich, weshalb man sich bei den Gagen irgendwo in der Mitte trifft. Dafür hat man aber im Fall von "Ent- oder Weder" wenigstens die Chance, etwas Neues auszuprobieren. Manchmal bekomme ich ja auch Angebote, bei denen ich wenig (oder kein) Honorar bekommen würde und trotzdem nur etwas machen soll, der weder mutig noch innovativ ist. Von solchen Sachen halte ich mich fern.
Themenwechsel: In welcher deutschen Stadt soll der Eurovision Song Contest 2011 stattfinden?
In Berlin. Jeder im Ausland würde sich wundern, wenn wir das nicht in der Hauptstadt machen würden. Vor allem, wenn eine Hauptstadt so sexy und berühmt ist wie Berlin. Fünf Jahre nach der Fußballweltmeisterschaft werden viele ausländische Gäste wieder hierher reisen wollen, um den Grand Prix mit einem längeren Besuch der Stadt verbinden zu können. Natürlich kostet die Veranstaltung viel Geld und soll unsere arme Stadt nicht noch weiter ruinieren, aber es gibt eigentlich keine Alternative zu Berlin.
Lenas Heimatstadt Hannover hat sich schon selbst ins Gespräch gebracht.
Ich weiß nicht... Der Grand Prix braucht einfach mehr Glamour als Hannover bieten kann. Auf dem tristen Expo-Gelände jenseits der City kann aber nicht die passende Stimmung aufkommen.
Vermutlich wird es weit weniger Eintrittskarten als Fans geben. Nach welchen Kriterien sollen die Tickets verkauft werden?
Nach Grand-Prix-Wissen. Ich werde vor der Halle ein Quiz veranstalten und wer mir nicht sagen kann, wer 1982 für Holland gesungen hat, der darf gar nicht rein. Das muss ein Abend für Hardcore-Fans werden.
Ließe sich aus der Ticket-Vergabe nicht eine gute Fernsehshow machen?
Genau. Ein ARD-Quiz, in dem das Wissen der Fans getestet wird. Nur wer gewinnt, darf später im Publikum sitzen.
Nachdem Sie drei Jahre lang den deutschen Vorentscheid moderiert und vor internationalem Publikum die deutsche Punktevergabe verlesen hatten, haben Sie 2008 nach der Niederlage der No Angels in Belgrad frustriert hingeworfen. Bereuen Sie das jetzt?
Das war in der Tat ein schlechtes Timing. Im Mai hätte ich sehr gern auf der Reeperbahn gestanden und Lenas Sieg verkündet. Total gern hätte ich das gemacht. Aber mein Weggang vor zwei Jahren war eine rein emotionale Entscheidung. Als großer Fan war mir damals wichtig, dass die ARD nicht einfach weiter Dienst nach Vorschrift macht. 2009 kam es dann zum Super-GAU, in dessen Folge die ARD auf Stefan Raab und ProSieben zugegangen ist. Ich will meine Rolle gar nicht überbewerten, aber vielleicht hat mein Weggang ein bisschen Tempo in die Entwicklung gebracht und den Weg für Stefans Talentwettbewerb freigemacht.
Welcher Deutsche soll den Eurovision Song Contest moderieren?
Ich wünsche mir, dass Hape Kerkeling das macht.
Was halten Sie von der Entscheidung, dass Lena auch 2011 wieder für Deutschland antritt?
Dank Johnny Logan wissen wir, dass es nicht unmöglich ist, zweimal zu gewinnen. Es kommt vor allem auf Lenas neues Lied an und das wird ja sicherlich in zahlreichen Sendungen ermittelt werden. Ich denke, dass Stefan Raab einfach das Wohl der Künstlerin über die Quote einer weiteren Castingshow setzt. Sobald die Suche nach dem nächsten Grand-Prix-Star beginnen würde, wäre die Siegerin vom letzten Mal ein bisschen aus der Mode. Da ist es eigentlich super, dass Stefan seine schützende Hand über Lena hält und ihr deutlich macht: Du warst nicht nur der Geschmack der letzten Saison, sondern ich glaube langfristig an Dich.
Welche andere Grand-Prix-Gewinnerin kommt Lena vom Typ her am nächsten?
Sandie Shaw, die 1967 für England gewann. Sie trat barfuß auf, war modern, unkonventionell und ein bisschen frech. Ihr Titel "Puppet On A String" war bouncy, genau wie jetzt Lenas "Sattelite", während bei den Titeln der Konkurrenz der Chansons dominierte. Wenn man "Puppet On A String" als Oberthema nimmt und Stefan Raab als Puppetmaster sieht, der im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, wird aus der Allegorie erst recht eine runde Sache.
Das Interview führte Michael Scholten