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Interview

Die Psycho-Macken der Serienstars

Von Barney Stinson bis Walter White: Viele Serienstars haben eine Psycho-Macke. Aber welche eigentlich? Der Psychotherapeut Dr. Niklas Gebele weiß Bescheid.

Monk hat Phobien, Dexter Zwangsstörungen und Crazy Eyes und Sheldon Cooper möglicherweise das Asperger-Syndrom. Ist das nicht total irre? Doch, und genau das macht die Faszination der Charaktere aus, weiß Psychotherapeut Dr. Niklas Gebele. Auf seinem Blog bittet er verrückte Serienstars auf die Psychoanalyse-Couch und klassifiziert ihre Krankheitsbilder. Und wir haben uns mit ihm darüber unterhalten.

Auf ihrem Blog Charakter-Neurosen schreiben Sie über psychische Erkrankungen von Serienstars. Wie kam es zu dieser Idee?

Menschen erzählen sich Geschichten, seit es sie gibt. Psychotherapeuten haben sich schon immer für Märchen und Mythen interessiert, weil sie uns etwas über das Menschsein, über grundlegende menschliche Gefühle und innere Konflikte erzählen. Wenn ich meine Patientinnen und Patienten frage, welche Geschichten sie mögen, sind das oft moderne Serien, die mit viel Feingefühl und Differenzierung von Problemen und Konflikten erzählen, mit denen sie sich identifizieren können. Dadurch habe ich begonnen, Serien immer auch unter einem psychologischen Blickwinkel zu sehen.
Foto: Screenshot, Suzanne Warren wird von den anderen Häftlingen aus "Orange is the new black" nur Crazy Eyes genannt. Aber sie findet: "I am not crazy. I am unique."
Warum sind es so oft die Anti-Helden und Sonderlinge die uns begeistern?

Serienfiguren stehen oft in pointierter Weise für einen bestimmten inneren Konflikt. Antihelden wie Walter White aus "Breaking Bad" oder Frank Underwood aus "House of Cards" zum Beispiel stehen für den Konflikt zwischen Egoismus und Moral, der uns alle im Innern beschäftigt - wenngleich die meisten von uns zum Glück weniger extreme Lösungen finden. Oder die sympathischen Jungs von "The Big Bang Theory": Die Frage "bin ich liebenswert, so wie ich bin" bzw. "wie sehr kann und will ich mich verändern" ist für sie ebenso zentral, wie für die meisten realen Menschen. Wir können uns damit identifizieren, wie solche Serienfiguren an sich arbeiten, scheitern, sich weiterentwickeln. Manchmal können wir sogar etwas von ihnen lernen.
Serien ohne Sonderlinge sind uns also einfach zu langweilig?

Ich würde sagen, eine Serie ist dann langweilig, wenn sie eindimensionale Figuren hat, deren Bedürfnisse, Motivationen und inneren Konflikte für uns nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Das unterscheidet meines Erachtens auch Serien von Filmen. Für 90 Minuten kann ein einfaches Gut gegen Böse ja durchaus sehr unterhaltsam sein - für viele Stunden aber eher nicht.

Gibt es eine Figur, die es Ihnen besonders angetan hat?

Das wechselt immer wieder, je nachdem, welche Serie ich gerade schaue. Generell mag ich Figuren, deren Eigenschaften und Motivationen widersprüchlich und komplex sind. Ein früher Liebling war Tony Soprano, der eigentlich ein guter Mensch und Familienvater sein möchte, aber aus Egoismus und Unsicherheit daran scheitert. Solche Figuren fordern uns heraus, weil sie Dinge tun, die wir verurteilen, aber uns gleichzeitig dazu bringen, Ihre Motivation nachzuvollziehen, so dass wir uns auch mit ihnen identifizieren. Walter White ("Breaking Bad"), Arya Stark ("Game of Thrones") oder Hannah Baker ("Tote Mädchen lügen nicht") sind weitere Beispiele.
Foto: Netflix, Hannah Baker aus "Tote Mädchen lügen nicht" gibt Einblicke in ihr Seelenleben - ein Stoff für gute Geschichten.
Psychische Krankheiten in Serien sind meist überspitzt dargestellt. Ergeben sich daraus Risiken oder vielleicht gar Chancen?

Da gibt es große Unterschiede. Viele Serien überspitzen, manche ein wenig, andere massiv. Meinem Eindruck nach wird bei Comedy und Thrillern stärker übertrieben und auch verfälscht, als bei Drama-Serien. Es gibt auch Serien, die sich um eine möglichst realistische Darstellung bemühen, wie zum Beispiel "Homeland", "Jessica Jones" oder "Club der roten Bänder". Dennoch muss man sich immer bewusst sein, dass es sich um Fiktion handelt. "Tote Mädchen lügen nicht" vermittelt ein teilweise irreführendes Bild von den Ursachen und Folgen eines Suizids. Das kann sehr gefährlich sein. Allgemein lässt sich sagen: Serien können Anregung bieten, sich selbst und die Beziehungen zu anderen zu reflektieren, bei ernsthaften psychischen Problemen, ist aber professionelle Hilfe unerlässlich.

Interview: Katharina Kunzmann