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Filme von Pedro Almodóvar

Der Mann, der die Frauen liebt

AbrazosRotos 9
Der Regisseur und sein Star: Pedro Almodóvar beim "Volver"-Dreh mit Penélope Cruz

Als zweifacher Oscar-Gewinner immer noch Kultregisseur? Passt! Für Pedro Almodóvar gehören Paradoxien zum Repertoire. Ein Arte-Themenabend würdigt das Werk des Spaniers, wir seine Kunst.

Für Google-Gläubige ist Almodóvar ein Graus. Seine Figuren sind unkalkulierbar. Ihr Handeln spottet jeder Logik. Das verbindet die Punks aus seinem schrillen Kinodebüt "Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande" (1980), die durch das Nachtleben Madrids streifen, mit "Julieta", der Titelheldin seines aktuellen Kinofilms.

Trotzdem macht der in Madrid lebende Regisseur kein Kopf-, sondern Genusskino. Er liebt die Frauen, besonders Penélope Cruz, die durch ihn zum Star wurde. Und er macht sich über Autoritäten wie Madrids Bürgermeister lustig, dem er mal eine Rolle als Straßenkehrer angeboten hat.
Die Kunst des Almodóvar
Ob romantisch, schräg, albern oder ernst: Auf diese Ideen kommt Pedro Almodóvar immer wieder in seinen Filmen zurück:

LIEBE Eine Nonne, die an der Nadel hängt, verfällt einer Sängerin ("Das Kloster zum heiligen Wahnsinn", 1983); ein Einfaltspinsel will mit einer Pornodarstellerin eine Familie gründen und schnürt sie als Beweis seiner Liebe ein ("Fessle mich", 1990); ein Krankenpfleger schwängert eine Komapatientin ("Sprich mit ihr", 2002). Lauter Tabubrüche, die der Spanier allerdings mit der Unschuld eines Kindes inszeniert. Auch Transvestiten und Schwulen gesteht Almodóvar ("Ich bin pansexuell"), anders als der Hollywood-Mainstream, große Gefühle und romantische Gesten zu ("Alles über meine Mutter", 1999).

FILME
Almodóvars Filme wimmeln vor Anspielungen auf andere Werke der Filmgeschichte. Dabei macht der Regisseur keine Unterschiede zwischen Hoch- und Populärkultur. Antonio Banderas wird als Stierkämpfer in "Matador" (1986) durch den Anblick von Horrorszenen aus Filmen der Grusel-Altmeister Mario Bava (1914-1980) und Jess Franco (1930-2013) sexuell erregt, und die Schlussszene des Klassikers "Duell in der Sonne" (1945), den die beiden Hauptfiguren im Kino sehen, nimmt ihren eigenen Tod vorweg. Die von Carmen Maura gespielte Gloria in "Womit habe ich das verdient?" (1984) wirkt wie eine
Popversion der von Anna Magnani verkörperten frustrierten Hausfrauen in den Werken des italienischen Neorealismus, während das erste Treffen von Mateo und Lena in "Zerrissene Umarmungen" (2009) nach dem Vorbild von "Gilda" (1946) mit Glenn Ford und Rita Hayworth gestaltet ist. Der Brian-De-Palma-Schocker "Carrie - Des Satans jüngste Tochter" (1976) ist ein weiterer von vielen Filmen, die der Spanier ausschlachtet.

KITSCH
Schmalzige Schlager, bonbonbunte Dekors, Telenovela-Flachsinn: Almodóvar saugt alles auf. Man nennt diese augenzwinkernde Einverleibung und ästhetische Aufwertung des Trivialen auch "Camp". Den Begriff hat die Essayistin Susan Sontag 1964 geprägt, und Almodóvar war davon so fasziniert, dass er die Schriftstellerin 1987 zu den Dreharbeiten von "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" einlud. Am Set in Madrid verstand man sich dann allerdings nicht ganz so gut, weil die US-Intellektuelle nicht die Vorliebe des Regisseurs für Miniröcke teilte. Almodóvars Playbackauftritt als Sänger im Husarenkostüm in "Womit habe ich das verdient?" ist ein gutes Beispiel für seine Ästhetik, weil die schwülstige Huren-Ode "La bien pagá" durch den Bildschnitt auf einmal zum Kommentar über unbezahlte und ungeliebte Sexarbeit im Ehebett wird.

LEBEN Für Almodóvar sind seine Arbeiten eine Art Biografie: "Ich projiziere mein Leben auf unbewusste Art in meine Filme." Zuletzt hatte er gesundheitliche Probleme, beim Dreh von "Zerrissene Umarmungen" mit Penélope Cruz litt er unter Migräne, vor "Julieta" wurde er am Rücken operiert. Krankheit und Tod sind in beiden Filmen präsent. Aber das muss nicht das letzte Wort sein. Almodóvar bleibt so unberechenbar wie die Charaktere in seinen Filmen.

Rainer Unruh