Das Ziel ist nah
Sein Werk ist so gut wie vollendet. Nur wenige Punkte fehlen noch bis zur galaktischen Ballbesitzquote von 100 Prozent. Eine deutsche Mannschaft, wie sie Joachim Löw vorschwebt, dominiert das Spiel von der ersten bis zur letzten Minute. Und weil sie niemals den Ball an den Gegner verliert, muss sie den Ball auch niemals zurückerobern, um den einen oder anderen schnellen Konter vorzutragen.
Schnelle Konter stehen gewissermaßen im Widerspruch zum modernen deutschen Kombinationsfußball anno 2014. Denn schnelle Konter setzen voraus, dass auch die anderen mal den Ball besitzen, das Spiel machen und uns in die Abwehr drängen, so wie früher unter Erich Ribbeck. Gut, es mag im Spiel gegen die USA zwei, drei Szenen gegeben haben, in denen die Deutschen in ihrer eigenen Hälfte den Amerikanern den Ball abknöpfen mussten. Aber danach wurde sofort und sehr souverän das Tempo wieder herausgenommen. Wer ist man denn?
Dass die Deutschen seit ein paar Jahren spanisch spielen, dürfte Oliver Schmidt eigentlich nicht entgangen sein. Er durfte im ZDF das 1:0 gegen die Auswahl der USA kommentieren. Aber was redete Schmidt? Er forderte gefühlte 1000 Mal ein "schnelles Umschaltspiel" der deutschen Elf oder ein "schnelles Umschalten von Abwehr auf Angriff". Erstaunlich. Kontern ist von gestern, genau genommen von 2010. Sollte Oliver Kahn, der Experte des ZDF, seinem Kollegen am Mikrofon etwa nichts davon erzählt haben? "Das schnelle Umschalten nach Ballgewinn", kommentierte Schmidt jedenfalls so um die 15. Spielminute, "das, was die deutsche Elf 2010 so hervorragend gemacht hat und weshalb die Welt plötzlich schwärmte über den neuen deutschen Fußball, das hat sie noch nicht ganz wiederbelebt." Richtig, und das will sie auch gar nicht!
Andererseits, man kann Schmidt ja ein wenig verstehen. Alle schwärmen noch heute vom 4:1 gegen England und vom 4:0 gegen Argentinien bei der WM vor vier Jahren in Südafrika. Damals überließen die Deutschen allerdings ihren Gegnern das Spiel. Sie lockten sie in die eigene Hälfte und konterten sie überfallartig aus. Heute in Brasilien muss die DFB-Elf selber das Spiel machen, und ihre Gegner stehen hinten drin und lauern auf Gegenangriffe. Dies zur Erinnerung: 2010 in der Vorrunde hatte Löws Mannschaft das zweite Spiel gegen Serbien 0:1 verloren und war erst mit einem 1:0-Zittersieg gegen Ghana ins Achtelfinale eingezogen. Dagegen hat sie sich jetzt in Brasilen auf sehr coole Weise qualifiziert.
Denn die deutsche Elf hat sich seit 2010 weiterentwickelt, auf ein höheres Niveau gehoben. Kurioserweise ist dabei eine ihrer stärksten Waffen auf der Strecke geblieben: der Tempo-Gegenzug. Gegen die USA gelang es ihr selten, das Tempo zu variieren, ihr Spiel wirkte über weite Strecken eintönig, mechanisch. Es war Ballbesitzfußball, der sich selber genügt, ohne Zug zum Tor.
Über sein Ziel als Trainer hat Löw die Öffentlichkeit nie im Unklaren gelassen: Die Deutschen wieder in die Lage zu bringen, den Gegner mit spielerischen Mitteln zu beherrschen, statt mit purer Physis, darum geht es ihm. Dieses Ziel muss nah sein, wenn jetzt sogar Johan Cruijff die Auftritte der Moffen lobt. Die Deutschen spielten im Vergleich zu anderen Teams einen "dominierenden Fußball", schreibt Hollands Legende in seiner "De Telegraaf"-Kolumne, sie hätten am Ball die notwendige Ruhe und die Klasse, jeden Gegner auszuspielen.
Das gute Zeugnis kommt nicht von ungefähr: Cruijff gilt als Vater des spanischen Tiki-Taka. Vom Konterspiel verstand er nichts.
Helmut Monkenbusch
Dass die Deutschen seit ein paar Jahren spanisch spielen, dürfte Oliver Schmidt eigentlich nicht entgangen sein. Er durfte im ZDF das 1:0 gegen die Auswahl der USA kommentieren. Aber was redete Schmidt? Er forderte gefühlte 1000 Mal ein "schnelles Umschaltspiel" der deutschen Elf oder ein "schnelles Umschalten von Abwehr auf Angriff". Erstaunlich. Kontern ist von gestern, genau genommen von 2010. Sollte Oliver Kahn, der Experte des ZDF, seinem Kollegen am Mikrofon etwa nichts davon erzählt haben? "Das schnelle Umschalten nach Ballgewinn", kommentierte Schmidt jedenfalls so um die 15. Spielminute, "das, was die deutsche Elf 2010 so hervorragend gemacht hat und weshalb die Welt plötzlich schwärmte über den neuen deutschen Fußball, das hat sie noch nicht ganz wiederbelebt." Richtig, und das will sie auch gar nicht!
Andererseits, man kann Schmidt ja ein wenig verstehen. Alle schwärmen noch heute vom 4:1 gegen England und vom 4:0 gegen Argentinien bei der WM vor vier Jahren in Südafrika. Damals überließen die Deutschen allerdings ihren Gegnern das Spiel. Sie lockten sie in die eigene Hälfte und konterten sie überfallartig aus. Heute in Brasilien muss die DFB-Elf selber das Spiel machen, und ihre Gegner stehen hinten drin und lauern auf Gegenangriffe. Dies zur Erinnerung: 2010 in der Vorrunde hatte Löws Mannschaft das zweite Spiel gegen Serbien 0:1 verloren und war erst mit einem 1:0-Zittersieg gegen Ghana ins Achtelfinale eingezogen. Dagegen hat sie sich jetzt in Brasilen auf sehr coole Weise qualifiziert.
Denn die deutsche Elf hat sich seit 2010 weiterentwickelt, auf ein höheres Niveau gehoben. Kurioserweise ist dabei eine ihrer stärksten Waffen auf der Strecke geblieben: der Tempo-Gegenzug. Gegen die USA gelang es ihr selten, das Tempo zu variieren, ihr Spiel wirkte über weite Strecken eintönig, mechanisch. Es war Ballbesitzfußball, der sich selber genügt, ohne Zug zum Tor.
Über sein Ziel als Trainer hat Löw die Öffentlichkeit nie im Unklaren gelassen: Die Deutschen wieder in die Lage zu bringen, den Gegner mit spielerischen Mitteln zu beherrschen, statt mit purer Physis, darum geht es ihm. Dieses Ziel muss nah sein, wenn jetzt sogar Johan Cruijff die Auftritte der Moffen lobt. Die Deutschen spielten im Vergleich zu anderen Teams einen "dominierenden Fußball", schreibt Hollands Legende in seiner "De Telegraaf"-Kolumne, sie hätten am Ball die notwendige Ruhe und die Klasse, jeden Gegner auszuspielen.
Das gute Zeugnis kommt nicht von ungefähr: Cruijff gilt als Vater des spanischen Tiki-Taka. Vom Konterspiel verstand er nichts.
Helmut Monkenbusch