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"Der große Rudolph": Ein Film, ganz frei nach Moshammers Leben

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Regisseur Alexander Adolph erinnert elegant, mit Humor und vielen Freiheiten an Luxusschneider Rudolph Moshammer. Thomas Schmauser sitzt die Rolle wie angegossen. Obwohl er Mosi nicht mal ähnlich sieht.

Manchmal erschließt sich das Leben eines Menschen aus ­einer einzigen Geste, einem winzigen Detail. Es ist, als ob ein Vorhang zur Seite gezogen würde und die Seele auf einmal nackt vor uns erschiene. Thomas Schmauser erging es so, als er einen Fernseh­beitrag über die Beerdigung von ­Ru­dolph Moshammers Mutter im Sommer 1993 sah. "Er stand an ihrem Grab, die Presse ist schon weg, die Kamera schwenkt zur Seite, und da sieht man am linken Bildrand, wie er hemmungslos weint", erinnert sich der Schauspieler. "Das war keine ­Pose, das war für niemanden bestimmt, außer vielleicht für seine Mutter und ihn selbst."

Die Szene taucht in dem TV-Film "Der große Rudolph" gar nicht auf, den Das Erste jetzt zeigt. Der spielt nämlich in den Achtzigern. Da stehen Mama Else (Hannelore Elsner), Sohn Rudolph (Thomas Schmauser) und Schoßhund Daisy noch voll im Saft. Und hoch im Ansehen. Die Münchner lieben ihren Modekönig, der sie huldvoll in seiner Luxusboutique in der Maximilianstraße empfängt. Und doch mischen sich in die Jubelfanfaren erste zart-melancho­lische Untertöne. Zudem gehen die Umsätze zurück, die Geldgeber zicken, und hinter verschlossenen Türen verliert Moshammer die Fassung und manchmal sogar die Perücke.

Thomas Schmauser mit preisverdächtigem Spiel
Thomas Schmauser macht die Erfahrung drohenden Unheils sichtbar. Er braucht dafür keine Worte. Manchmal schaut er bloß in die Ferne. Dann wirkt er furchtbar einsam. Oder er setzt ein Lächeln auf, von dem jeder ahnt, dass es ein Damm ist, hinter dem sich die Tränen stauen. In solchen Momenten ist Schmauser mehr Moshammer, als Moshammer es jemals war. Dabei sieht er ihm überhaupt nicht ähnlich. Darüber, dass er für die Figur des Modeschöpfers gecastet wurde, war er selbst am meisten überrascht: "Ich habe anfangs keine Gemeinsamkeiten zwischen mir und Moshammer gesehen, weder im Erscheinungsbild noch in der Art, ich bin niemand, der sich gern in der ­Öffentlichkeit präsentiert."

Regisseur Alexander Adolph erkannte dagegen mit sicherem Blick, dass der Münchner Theaterstar genau der Richtige war. Sein Film ist keine historisierende Biografie. Anders als in "Wambo", dem an das Leben von Walter Sedlmayr angelehnten Film, bleiben Homosexualität und das tragische Ende außen vor. Die Rahmenhandlung ist frei erfunden. Sie dient dazu, die anderen in ihrer Eitelkeit und Unsicherheit in den Fokus zu rücken. Moshammer selbst ist dagegen schwer durchschaubar. Er beherrscht das Spiel mit der Maske und den Moden perfekt.

Sowohl der Regisseur als auch der Hauptdarsteller betonen, wie wichtig es für Moshammer war, ein selbst­bestimmtes Leben zu führen. Als sich im Film die Leute, die ihm das Geld für seinen Laden gegeben haben, in sein Geschäft einmischen, reagiert er trotzig. Sein Aufstieg war hart ­erkämpft (siehe links). Indem Moshammer sich als Erwachsener wie ein dekadenter Aristokrat am Hofe Fantasiens kleidete, überspielte er die Tristesse einer Kindheit in Armut.

Wenn man schon über ihn redet, dann wollte er wenigstens festlegen, wie und was man hinter ­seinem Rücken über ihn sagt. Thomas Schmauser, der sich nie über seine Figur lustig macht, kommt in diesem Zusammenhang auf eine berühmte Erzählung Edgar Allan Poes zu sprechen. In "Der entwendete Brief" lässt ein Dieb einen gestohlenen Brief ­offen in seiner Behausung liegen, steckt ihn allerdings in einen an­deren ­Umschlag mit einer neuen ­Adresse, sodass die Polizei ihn bei einer Durchsuchung übersieht. Es geht um Tarnung und Täuschung. Und darum, dass das, was die anderen sehen und übersehen, wichtiger ist als die Wahrheit, denn der Inhalt des Briefs bleibt vage, man weiß nur, dass er angeblich Kompromittierendes enthält. Ganz ähnlich ergeht es einem mit der Hauptfigur des Films. Sie ist nicht greifbar, sie entwirft sich selbst immer wieder neu. Ein Chamäleon.

Es gibt eine Szene in "Der große Rudolph", in der er mit seiner jungen Angestellten Evi (Lena Urzendowsky) im Keller seines Ladens steht. Dort hängt lauter Ware aus Osteu­ropa. Moshammer erklärt, die Kleider seien von so guter Qualität, dass er nur wenig ändern müsse und sie dann mit seinem Label versehen würde. Danach koste ein Mantel 2000 statt 120 Mark. War das so?

Alexander Adolph lässt sich mit seiner Antwort Zeit. Dann antwortet er sehr vorsichtig, es sei ihm von glaubhaften Personen versichert worden, dass Moshammer eine solche Form der Veredelung praktiziert habe. Einen strafbaren Betrug sieht Adolph darin nicht. Klar, Moshammer sei kein Mann der Haute Couture gewesen. Immerhin habe der Schneider die Sachen aber zum Beispiel durch die Verwendung von Taft objektiv aufgewertet. Außerdem hätten sich die Käufer in den Sachen wohl- und nicht von Moshammer beschubst gefühlt. Und schließlich sei Originalität in der Mode ein relativer Wert - lege nicht selbst ein großer Kreativer wie Yohji Yamamoto in "Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten" von Wim Wenders seine ­Inspirationsquellen offen?

Moshammers Antriebsfeder war seine Mutter. Als Else starb, starb auch etwas in ihm. Münchens Modesonne verblasste.
Münchens Modekönig
Rudolph Moshammer (1940 bis 2005) wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater war Alkoholiker, seine Mutter alleinerziehend. 1968 eröffnete er seine Boutique in der Maximilian­­­­­­straße, die zum ­Promi-Treff wurde. 2005 wurde der heimlich homo­sexuelle Modeschöpfer von einem ­Stricher erdrosselt. Bis heute wird er in München verehrt.
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