Jemand greift mir von hin­ten auf die Schultern und bugsiert mich auf die Mar­kierung am Boden. Dann rauscht die Krankamera in irrem Tempo heran, bremst erst gefühlte 30 Zentimeter vor meiner Wange ab. Mir fällt mein Rasierunfall von heute Morgen ein. Nur gut, dass diese Show nie im Fernsehen zu sehen sein wird, denke ich nicht zum letz­ten Mal an diesem Tag...

Oktober 2016: Die ARD hat TV SPIELFILM und zwei weitere Presseleute ins Studio Hamburg geladen, um in der Quizshow "Gefragt - Gejagt" anzutreten - unter Realbedingungen, bloß ohne Geldgewinn und TV-Ausstrahlung. Zusammen mit Blog­ger Rob und Zeitungsreporterin Irene soll der "Jäger" besiegt werden, ein ausgewiesenes Su­perhirn, ein Fast­Alleswisser. In unserem Fall ist das Sebastian Jacoby, dreimaliger Deutscher Meister im Quizzen.

"Das wird eine harte Nuss", warnt uns Mo­derator Alexander Bommes, wäh­rend der Tontechniker mir ein Mikro ans Gesicht fummelt. Die Idee zur schwersten Quiz­show im deutschen Fernsehen stammt aus England. Seit 2012 läuft sie in Deutschland - erst im NDR, inzwischen auch im Vorabendprogramm des Ersten. Dort ist sie so erfolgreich, dass 2017 sogar eine große Samstag­abendausgabe ausgestrahlt wurde.

So funktioniert "Gefragt - Gejagt"

Das Spiel beginnt mit einer Schnellraterunde: Binnen einer Minute soll man so viele Fragen wie möglich beantworten, für je­de richtige Antwort gibt's virtu­elle 500 Euro. "In welchem Land steht die Tempelanlage Abu Sim­bel?" - "Ägypten" liegt mir auf der Zunge, will aber nicht raus. "Weiter!" - "Welche Komikerin spielte Flo Schneider?" Wieder dasselbe: Anke Engelke vor Au­gen, nur ihr Name erscheint dort nicht. Verfluchte Nervosität!

Irgendwie kommen in 60 Sekun­den trotzdem 4500 Euro zusam­men. Bommes sagt, das sei ein gutes Ergebnis. Aber das sagt er zu jedem.

Der Anti-Jauch

Der Moderator ist der Anti­-Jauch. Während der RTL­-Fragen­-Alt­meister Kandidaten mit Genuss schwitzen lässt, tritt Bommes seinen Gästen stets solidarisch und auf Augenhöhe gegenüber.

"Die Rolle des Bad Guy spielt bei uns der Jäger. Gegen ihn muss ich den Kandidaten beistehen", erklärt er die psychologische Mechanik der Show. Auch sonst unterscheidet sich "Gefragt - Gejagt" wohl­tuend von der Konkurrenz: Die Show ist schnell, schnörkellos und straff auf Spannung getrimmt. Welch ein Kontrast zum endlosen Werbepause-­Erwar­tungs-­Geplänkel bei "WWM"!

"Hier kommt der Jäger", läutet Bommes die zweite Runde ein, in der es gilt, das erspielte Geld im Quizduell gegen Sebastian Ja­coby zu verteidigen oder zu mehren. Um es kurz zu machen: Sechs Fragen später bin ich es los. Abgang gesenkten Hauptes in die Kulisse - so hat es der Aufnahmeleiter vorher für den Fall einer Niederlage angeordnet. Die Mitstreiter schlagen sich wacker: Irene besteht gegen den Jäger und erreicht die Schlussrunde, Rob pokert hoch und verliert. Ausnahmsweise dürfen wir trotz­dem alle drei in der Finalrunde gegen Jacoby anraten - allerdings nur, um nach allen Regeln der Kunst final abzulosen.

"In dieser Show zu verlieren ist nichts Ehrenrühriges", tröstet Alexander Bommes. 75 Prozent der Kandidaten gehen ohne einen Cent nach Hause. "Trotzdem können wir uns vor Bewerbern kaum retten", erzählt Producerin Pamela Müller. Viele sind in der Kneipenquizszene aktiv. "Gefragt - Gejagt" gilt dort als der Olymp der Schlauberger.

Wunderbar abseitiges Wissen

"Quizgott" Sebastian Jacoby, der außerhalb des Studios über­haupt nichts Badguyhaftes mehr ausstrahlt, hat selbst als Knei­penquizzer angefangen. Warum er so viel weiß? "Ich lese viel und interessiere mich für fast alles. Außerdem schreibe ich selbst Quizfragen. Bei der Recherche gabelt man wunderbar absei­tiges Wissen auf."

Und was habe ich heute an Wissen dazugewonnen? Dass Okraschoten auch Ladyfinger genannt werden. Dass Grandeln Eckzähne sind. Und dass Men­schen, die sich in Quizshows blamieren, keinen Spott verdienen, sondern meine uneingeschränk­te Solidarität.

Update: Sendung ist zurück

Ab Montag ist "Gefragt - Gejagt" (montags bis freitags, 18 Uhr, ARD) mit neuen Folgen zurück, nachdem die Sendung eine einjährige Pause eingelegt hatte.