.

Kinokritik: New Moon

"Transformers" für Mädchen

Der zweite Teil der "Twilight"-Saga wäre gerne "Romeo & Julia", wirkt aber wie das Östrogen-Pendant zu Michael Bays Actionorgien.

Die "Twilight"-Reihe ist die Geschichte einer jungen Frau auf der verzweifelten Suche nach ihrer Entjungferung. Ein Umstand, den Regisseur Chris Weitz ("Der Goldene Kompass") dem Zuschauer mit Metaphern und Anspielungen aufs Peinlichste einhämmert - man beachte nur die Fluglinie, die Bella (Kristen Stewart) nach Italien nimmt: Virgin Air. Nachdem sich die hübsche Außenseiterin im ersten Teil dem schmucken Vampir Edward (Robert Pattinson) an den Hals werfen wollte (oder besser gesagt: ihren Hals in seine Vampirzähne werfen wollte), versucht sie ihr Glück dieses Mal bei ihrem indianischen Kumpel Jacob (Taylor Lautner). Zu schade, dass der sich als Werwolf entpuppt und sich das gleiche Spiel aus dem ersten Film von neuem wiederholt. Sie liebt ihn, er liebt sie. Er würde gerne mit ihr, kann aber nicht aus Angst vor seinen inneren Tier. Noch einfallsloser kann man eine Geschichte kaum konstruieren, aber der Originalität waren die Romanvorlagen von Stephenie Meyer ja ohnehin noch nie verdächtig. Wer die Romane nicht kennt, muss fast befürchten, dass sich Bella im bereits abgedrehten dritten Teil in einen weiteren holden Jüngling verliebt, der sich dann als Drache entpuppt.
Wahre Fans werden sich davon aber nicht stören lassen. Schließlich ist Robert Pattinson ja soooo süß. Doch auch für die Edward-Jüngerinnen ist der zweite Teil der Saga ein harter Kampf. Weil sich Edward aus Bellas Leben zurückzieht, nachdem sie sich an einem Stück Papier geschnitten hat und das Verlangen in ihm aufkochen ließ, findet der größte Teil von "New Moon" unter Ausschluss von Robert Pattinson statt. So lastet die Hauptverantwortung auf den Schultern von Kristen Stewart, die für diese Last leider nicht bereit ist. Die schmachtenden Blicke mag sie noch drauf haben, aber alles darüber hinaus übersteigt ihre schauspielerischen Voraussetzungen. Wenn sie sich aus Pein um Edwards Weggehen und gequält von Albträumen im Bett wälzt, löst dies beim Zuschauer eher unfreiwillige Komik als echtes Mitgefühl aus.

Das sind aber auch schon fast alle Lacher, denn die Reihe nimmt sich viel zu Ernst. Selbstironie ist für Stephenie Meyer und die Regisseure offensichtlich ein Fremdwort. Alle gebärden sich, als würden sie ein großes Liebesdrama in Shakespearescher Tradition verfilmen, doch ein zweites "Romeo & Julia" (auf das im Film sogar verwiesen wird) ist das Ganze nicht. Keiner der Figuren kommt einmal ein Lächeln ins Gesicht, alle sind grüblerisch und vom Leben gezeichnet. Während Serien wie "Buffy" die fantastische Natur des Vampirfilms mit viel Selbstironie reflektiert und verarbeitet haben - und dennoch ihre Figuren ernst nahmen - ist "New Moon" 132 Minuten Depression pur.
Natürlich wird auch dieser Film trotz allen Problemen ein Riesen-Hit. Denn solche Reihen sind aufgrund der bemerkenswerten Fanbasis gegen Kritik immun. Da die Buchvorlagen seit dem ersten Teil noch einmal deutlich an Popularität gewonnen haben, sind zahlreiche Box-Office-Rekorde gefallen und werden auch noch weiter aufgestellt. Und daran ist auch nichts Verwerfliches zu erkennen. Natürlich macht es sich Regisseur Chris Weitz einfach indem er die Vorlage 1:1 adaptiert und nichts unter den Tisch fallen lässt, doch nicht mehr und nicht weniger erwarten die Fans. Mit 132 Minuten ist der Film sicherlich 20 Minuten zu lang geraten, aber "Twilight" ist längst zu einem Phänomen geworden, bei dem die zuweist weiblichen Anhänger jeden einzelnen Dialog aus dem Buch mitsprechen wollen, weil sie so sehr in der Vampirthematik gefangen sind. Und wenn Filme wie "Transformers 2", die nur dumpfe, niveaulose Krach-Bumm-Action für Jungs bieten zu einem Riesenerfolg werden, dürfen auch auf Mädchen abgestimmte Filme mit ähnlich anspruchsloser Handlung ihren Platz in den Kino-Annalen beanspruchen.

Rüdiger Meyer