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Oskar Roehler über Skandalfilme

Oskar Roehler über Skandalfilme
Tele 5

Regisseur Oskar Roehler präsentiert auf Tele 5 die besten Skandalfilme aller Zeiten. Mit uns spricht er über über die Lust am Verbotenen

Auf politische Korrektheit pfeift er. Oskar Roehler polarisiert, mit grandiosen Filmen wie "Quellen des Lebens" und Auftritten wie zuletzt in der Arte-Reihe "Durch die Nacht mit ...", wo er sich als "politisch eher rechts" beschrieb. Im Kinofilm "HERRliche Zeiten" (ab 3. Mai) richtet das Enfant terrible des deutschen Films demnächst den Blick auf ein skrupellos dekadentes Bildungsbürgertum. Jetzt präsentiert Roehler gemeinsam mit dem Autor Joachim Bessing eine Filmreihe unter dem Titel "Skandal" bei Tele 5. Passt.
Was finden Sie selbst skandalös?
Oskar Roehler: Von Filmen, die ich kenne? Da fallen mir Oshimas "Im Reich der Sinne", "Die 120 Tage von Sodom" und - an allererster Stelle -"Eraserhead" von David Lynch ein.

Gehen diese Filme an die Grenzen des Moralischen oder an die des guten Geschmacks?
Die gehen tiefer. Bei "Eraserhead" öffnen sich die Pforten zur Hölle. Ich glaube, dass die meisten Kinogänger diesen Film im Grunde nicht aus­gehalten haben. Der gehört zu den wenigen, aus denen du als ein anderer Mensch wieder herauskommst.

Was ist so faszinierend an schlimmen, widerlichen Filmen?
Der Lynch-Film ist nicht widerlich. Er überdehnt den Horror, ist beängstigend klaustrophobisch und konfrontiert mit den eigenen Urängsten. So etwas kann ein Regisseur nicht konstruieren, das folgt einer Spur aus seinen tiefsten Albträumen.

Die Filme sind nicht ganz neu. Ist heute schon vieles ausgereizt?
Heute werden die Skandale banalisiert dadurch, dass alles eine ideologische Ausrichtung bekommen hat. Im Gegensatz zu "Das große Fressen", wo das Tabu der Wohlanständigkeit auf maßlose Art gebrochen wird. Oder in "Der letzte Tango", wo Bernardo Bertolucci einen schonungslosen Machismo präsentiert und am Ende einfach so stehen lässt.

Das Verruchte hat den Film erfolgreich gemacht. Wie lukrativ ist das Skandallabel?
Regisseure wie Bertolucci wussten, was passiert, wenn ein Superstar wie Marlon Brando das Ungeheuerliche unter ein Vergrößerungsglas schiebt. Das Gleiche gilt für Marco Ferreri und "Das große Fressen" mit Mar­cello Mastroianni und Michel Piccoli.

Worin lag die Lust am Perversen?
Weil man die insgeheim bewundert hat und weil man auch in diesen erotischen Sog reingezogen wurde. Es hatte etwas Verbotenes, man ist eher heimlich reingegangen. Die Eltern sind auch heimlich reingegangen. Und die Schwester. Und am Ende ­haben alle den Film gesehen. Aber eben heimlich.

Gilt Hitler noch als Skandalgarant?
Ja. Das würde ich wie eine heiße Kartoffel nicht anfassen. Dabei gibt es so lustiges Zeugs über Hitler. Der hat sich in den letzten Wochen im Füh­rerbunker so benommen wie Piccoli in "Das große Fressen". Der hat eigentlich nichts anderes mehr gemacht, als zu furzen.

Sie haben mit "Jud Süß - Film ohne Gewissen" 2010 selbst einen Skandal vom Zaun gebrochen.
Uns wurden unglaubliche Vorhaltungen gemacht, Geschichtsklitterung, Beschönigung eines Nazi-Darstellers. Dabei wollten wir das Gegenteil. Ich bin über meine Naivität, dieses Genre betreffend, gestolpert.

Die Aufregung war nicht gewollt?
Nein, wir waren von der Reaktion vollkommen geschockt. Das war wohl der Anfang des Shitstorms. Früher hat man Skandale erzeugt, um zu provozieren. Heute erzeugst du unfreiwillig Skandale, auch wenn du eine Meinung vertrittst, die nicht überall als political correct gilt. Mein eigentlich subversiver Film war "Der alte Affe Angst". Da hieß es, ich würde mit dem Leben und der Sexualität bloß spielen, weil ich keine Lösung angeboten habe. Ich befreie die Leute nicht aus der Hölle.

Müssen Sie immer provozieren?
Nein, ich gehe bei meinen Filmen eher mit Bertolucci und den alten Regisseuren. Es muss etwas mit mir persönlich zu tun haben, muss Ausdruck meiner Lebenshaltung sein. Oder etwas darüber erzählen, wo ich im Moment persönlich stehe.

Da wurden Sie unlängst ins Umfeld der AfD verortet. Was ist da dran?
Das ist ja vollkommener Blödsinn. Ich lasse mich manchmal hinreißen, wenn ich vollkommen blöde, naive Fragen gestellt bekomme. Wenn man einen Kanon von zehn Punkten aufstellen würde, würde herauskommen, dass ich meine Meinung in acht Punkten überhaupt nicht geändert habe. Ich bin natürlich kein Rechter, auch weil die so unelegant, uninte­ressant und dogmatisch sind. Genauso halte ich die Linken aber auch nicht für besonders interessant.

Ihr neuer Film "HERRliche Zeiten" ­basiert auf einem Buch des AfD-­nahen Autors Thor Kunkel.
Ich habe den Band vor mehr als acht Jahren optioniert. Damals war Kunkel, was seine politische Ausrichtung anging, ein komplett unbeschriebenes Blatt. Ich teile Kunkels Ansichten nicht. Es war lediglich der Glücksfall, ein gutes Buch zu bekommen, ein spannendes Kammerspiel um Sklave und Herr im Brecht'schen Sinne.

Ist bei politisch-ideologischen Stoffen heute das größte ­Empörungspotenzial zu finden?
Das auf jeden Fall. Aber als halbwegs intelligenter Mensch, der sich nicht komplett einem linken Dogmatismus verschrieben hat, sollte man die Finger davon lassen.

Hat die #MeToo-Debatte das Zeug für einen skandalösen Film?
Ich habe bereits ein Treatment geschrieben für eine Mediensatire, die die Generation der 40-Jährigen ein wenig aufs Korn nimmt. Warum die im vorauseilenden Gehorsam immer alles richtig machen wollen und welcher Humorverlust und Fanatismus damit einhergeht.

Wenn das ein Film wird, wird das ein Skandal. Die Hürde liegt nicht hoch.
Na, dann versuchen wir's mal.
Das schockt!
Foto: Sender
Nach den D-Movies bietet Tele 5 unter dem Label Skandal - Filme, die Geschichte schrieben ab dem 24. April, jeweils dienstags und sonntags, zwölfmal obsessives Filmvergnügen.

24.4. Reservoir Dogs ­Tarantinos böses Regiedebüt: Harvey Keitel und andere Ganoven gehen sich an die Gurgel. FSK: 18

1.5. Natural Born Killers In Oliver Stones Schocksatire (1994) killen sich Woody Harrelson und Juliette Lewis zu TV-Stars. FSK: 18 (evtl. mit Schnitt)

8.5. Requiem for a Dream Das Drogendrama als ­ultraharter Horrortrip mit Jared Leto. FSK: 16

15.5. Irreversible Rachethriller, der mit ­ seinen Vergewaltigungs- und Totschlagsszenen provoziert. FSK: 18

20.5. Peeping Tom - Augen der Angst Karlheinz Böhm filmt seine Opfer im Todeskampf . 1960 skandalös, heute ein Klassiker. FSK: 16, ehemals FSK: 18

20.5. Jud Süß - Film ohne Gewissen "Geschmacklos und ärgerlich: Roehlers Untergang", beurteilte TV SPIELFILM 2010 Roehlers Nazi-Melodram. Ein vorschnelles Fehlurteil. FSK: 12

27.5. Die blaue Lagune Zwei schiffbrüchige Teenager entdecken 1980 die Liebe - nackt. FSK: 12

3.6. Das große Fressen In Marco Ferreris Filmsauerei von 1973 finden Fressgier und Sextrieb orgiastische Befriedigung. FSK: 16 (Langfassung)

10.6. Das Wiegenlied vom Totschlag Das Blutbad an Bewohnern eines Indianerdorfs galt 1970 als "härtester Film aller Zeiten". FSK: 12, ehemals FSK: 18

17.6. Der letzte Tango in Paris Maria Schneider und Marlon Brando versuchen sich an Anal-Sex ohne Liebe, aber mit Butter. FSK: 18

17.6. Wenn der Postmann zweimal klingelt Jack Nicholson und Jes­sica Lange lieben und morden in Ekstase. FSK: 16

17.6. Idioten Obszön, böse, komisch: Der frühe Dogma-Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier schockt mit lärmenden Aktionen und Gruppensex. FSK: 16