Auch schon sechzig. Glückwunsch zum Geburtstag, Christoph Waltz. Der Schauspieler kam am 4. Oktober 1956 in Wien zur Welt, feiern könnte er aber auch am 20 Mai. Denn an diesem Tag vor sieben Jahren kam der Weltstar Christoph Waltz zur Welt: Am 20 Mai 2009 feierte beim Filmfestival Cannes Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" seine Premiere, und die ganze Welt kam in den Genuss einer typisch Waltz'schen Performance.
Wir deutschsprachigen Zuschauer waren ja schon länger gewohnt an seine Paraderolle des wortgewandten, sympathisch-sadistischen Schurken, mit denen er noch die schwächste TV-Durchschnittsware veredelte. Wir kannten seinen patentierten Schauspielstil, diese einzigartige Mischung aus "europäischem", leicht überkandideltem "Burgtheater"-Stil und knallhart realistischem amerikanischen Method-Acting.
Diese Kombination ist schon in Waltz' Schauspielausbildung vorgeprägt: Der Sprössling einer Familie von Kostüm- und Bühnenbildnern absolvierte das berühmte Max-Reinhardt-Seminar in seiner Heimatstadt, traditionell die Kaderschmiede des Wiener Burgtheaters. Und er besuchte das nicht minder legendäre Lee Strasberg Institut in New York, die Ausbildungsstätte von Robert De Niro oder Harvey Keitel.
1977 debütierte der deutsch-österreicher Waltz im Theater und im Fernsehen, 1979
fand er in der Miniserie "Parole Chicago" seine Paraderolle, den Ganoven. Auf der anderen Seite des Gesetzes war Waltz kein Glück beschieden, seine Rolle als Inspektor Passini im Wiener "Tatort" hatte nur eine Episode Bestand ("Wunschlos tot", 1987).
Also konzentrierte sich Waltz auf die Schurken. Und wie: "Die Bösen machen dann am meisten Angst, wenn sie ganz normal aussehen", sagte er einmal und gestaltete die Verbrecher, die er spielte, erschreckend durchschnittlich, fast schon sympathisch, ob als "Puppenmörder" in einer Folge von Kommissar Rex (1996) oder als Oetker-Entführer in "Der Tanz mit dem Teufel" (2001).
Dabei ist nicht nur beeindruckend, wie er den Psychopathen spielt - das plötzliche Umswitchen von Charme zu Wahnsinn - sondern vielmehr die Art, wie er die kleinen, scheinbar nebensächlichen Momente zum Leben erweckt. Bei "Kommissar Rex" gibt es einen kleinen, aber magischen Waltz-Moment: Als er vom verhörenden Kommissar nach dem Namen eines Opfers gefragt wird, reckt er kurz fragend den Kopf nach vorne, als ob er die Frage akustisch nicht verstanden hätte; eine kleine Geste, die unheimlich glaubwürdig wirkt und die sicher so nicht im Drehbuch stand. Grandios auch sein Miniauftritt in der Romanverfilmung "Herr Lehmann", eine Meisterklasse in Sachen realistischer, wie improvisiert wirkender Schauspielkunst.
In einer besseren Welt müsste ein solcher Schauspieler ein Star sein, dachte man damals, doch im Til-Schweiger-Land hangelte er sich von einer Kriminebenrolle zur nächsten. Doch dann kam Quentin Tarantino. Beide haben sich viel zu verdanken: Tarantino hätte "Inglourious Basterds" nicht gedreht, wenn er keinen guten deutschsprachigen Schauspieler für die Rolle des Hans Landa gefunden hätte. Und Waltz wurde für Hollywood "entdeckt", er gewann den Oscar. Im deutschen Fernsehen ward er seitdem nicht mehr gesehen.
Auf der großen, internationalen Bühne gab es einen weiteren Oscar, für "Django Unchained", wieder mit Tarantino. Er moderierte eine Folge der legendären Comedyshow "Saturday Night Live" (ein echter Ritterschlag) und bekam die begehrteste Rolle, die sich ein Schurkendarsteller wünschen kann: James Bonds' Widersacher in "Spectre". Eigentlich kann man ihm zum Geburtstag nur wünschen, dass alles so bleibt wie es gerade ist. Aber man will ihm auch eine Warnung zurufen: Lass dich nicht auf die Rolle des Schurken festlegen! Diese Schublade hat schon viele europäische Schauspieler in Hollywood verschluckt. Wie vielseitig Waltz sein kann, hat er neulich in einem Werbespot gezeigt. Für Samsung parodierte er US-Klischees, von der gestressten Hausfrau bis zum Rastatypen. Mehr davon.
Sebastian Milpetz