JETZT REDEN WIR (ARD, Montag, 20.15 Uhr)

Über 80 Prozent der Deutschen kommen prima mit ihren Nachbarn aus. Der Rest wohnt an der Grenze nach Holland, Polen und Österreich. Diesen Witz hat Harald Schmidt mal in der ARD gebracht und er sagt ungefähr so viel über die Befindlichkeit des modernen Europas aus, wie die gestrige Sendung des Bayrischen und des Westdeutschen Rundfunks zur Europawahl.

In der Machart des bajuwarischen TV-Bürgerbeteiligungskrachers "Jetzt red i" (auf Deutsch: Jetzt rede ich) wurde eine Horde Europakandidaten in ein Münchner Wirtshaus gesetzt und hätte sich den Fragen der Bürger stellen sollen. Das wäre nicht als Prinzip nicht schlecht gewesen. Zumal bei der Europawahl wieder eine desolat niedrige Wahlbeteiligung erwartet wird, weil den meisten Bürgern das Verständnis dafür fehlt, was in den Ausschüssen und Gremien (und Lobbies!!!) dieses Parlaments so vor sich geht. Statt eine kontroverse Diskussion mit dem Wahlvolk anzuheizen, wurden in Einspielerfilmchen aus der Bayrischen Einöde und dem holländischen Grenzgebiet Volkstümliches präsentiert. Zwischenzeitig wurden die größten EU-Verbraucherverhöhnungen wie Analogkäse ("Neppkäse") noch kurz angesprochen und die Kandidaten für die Volksvertretung ließen ihre vorgestanzten Wahlkampfphrasen ab, wobei FDP-Graf-Lambsdorff (der Junior) sich immerhin zu einem Kalauer wie "Käse muss Käse bleiben, sonst ist alles Käse" hinreißen ließ.

Irgendwie wäre angesichts des Regulierungs- und Deregulierungs-Wahns der EU-Bürokraten eher eine Sendung wie "Wie bitte" angebracht, um den Bürger dieses Parlament näher zubringen. Womit aber an dieser Stelle trotzdem unbedingt zur Beteiligung an der Wahl des Europäischen Parlaments aufgerufen wird.

Kai Rehländer