.

Reality-Duell

Auf Schritt und Tritt

Beobachtet, verfolgt, belästigt: RTL und Sat.1 entdecken Stalking als Thema fürs Reality-TV (mittwochs) und wollen helfen - klar ...

RTL: Verfolgt - Stalkern auf der Spur
Sie fahren ihren Opfern Hunderte von Kilometern hinterher, belagern ihre Häuser, hacken ihre Websites. Dass Promis immer wieder Opfer von Stalkern werden, ist nichts Neues. Weit häufiger aber ereilt der Psychoterror durch Belästigung und Verfolgung ganz normale Menschen, zumeist Expartner, die von verlassenen oder zurückgewiesenen Liebhabern "gestalkt" werden. Einer Studie zufolge wurden fast zwölf Prozent aller Deutschen bereits Opfer einer solchen Attacke, gegen die es mittlerweile auch eine gesetzliche Handhabe gibt.

Wegschauen kann man jedenfalls nicht mehr, auch weil sich jetzt das Fernsehen ausgiebig dem Terrorthema zuwendet: Als vor wenigen Wochen Sat.1 vermeldete, sich die Lizenzrechte für das schwedische Reality-Format Stalkers gesichert zu haben, überraschte kurz darauf RTL mit Bewerbungstrailern für ein ganz ähnliches Format. In beiden Fällen geht es um Menschen, die seit Langem Opfer von Stalking sind und Hilfe benötigen.

Dass die Help-TV-Reihe in Skandinavien bereits erfolgreich lief, war für die deutschen Sender aber nur ein Indiz dafür, dass Handlungsbedarf besteht. "Wir hatten in den letzten Jahren wiederholt Fälle in unseren Magazinen Punkt 12 und Extra und haben gemerkt: Das scheint ein größeres Problem zu werden", sagt Redaktionsleiterin Juliane Eßling von der sendereigenen Produktionsfirma Info Network, die für RTL jetzt die Crimedoku Verfolgt - Stalkern auf der Spur verantwortet.

Ein Geheimagent im Dienst von RTL

Die kommenden Realityformate, für die sich in erster Linie Frauen bei [email protected] oder [email protected] bewerben konnten, stellen jeweils ein sogenanntes Expertenteam aus Kriminologen, Psychologen und mehr oder weniger bekannten TV-Gesichtern den Stalkern in den Weg. In Sat.1 wird beispielsweise TV-Anwältin Barbara von Minkwitz, die bereits in der Scripted-Reality-Reihe Familien-Fälle mitwirkte, die meist männlichen Täter zur Rede stellt. Auf RTL ermittelt mit Leo Martin ein ehemaliger Verfassungsschützer, den der Sender als "deutschen James Bond" ankündigt.

"Geheime Observationen, spannende Verfolgungsjagden und knallharte Konfrontationen" verspricht der Sender. Tatsächlich arbeitet Martin in klassischer Detektivmanier, schließlich muss man erst einmal beweisen, dass überhaupt gestalkt wird, bevor es zum großen Reality-Showdown kommen kann. Dass den "Tätern" die Recherche-Ergebnisse vor laufenden Kameras vorgehalten werden, weckt Erinnerungen an die umstrittene RTL-II-Reihe Tatort Internet. Die vom früheren Hamburger Innensenator Udo Nagel und der damaligen Ministergattin Stephanie zu Guttenberg moderierte Reihe stellte im Herbst 2010 gepixelte Männer als potenzielle Straftäter zur Rede. Kritik entzündete sich unter anderem daran, dass eine Hetzjagd auf möglicherweise Unschuldige ausgelöst werden könnte. Tatsächlich wurde einer der Männer identifiziert, Fotos und Personalien später im Internet veröffentlicht.

"Wir machen die Täter unkenntlich", so die Produktionsfirma Imago TV, die im Auftrag von Sat.1 das Erfolgsformat "Stalkers" adaptiert. "Zusätzlich bieten wir auch ihnen unsere Hilfe an, zum Beispiel eine psychologische Betreuung." Bei der Konkurrenz spricht außerdem ein ganz pragmatischer Grund für das Mittel der Konfrontation, "weil wir das ja in jedem zweiten Beitrag unserer Magazine haben: bei jedem Vermieter, bei jedem Amt, bei jedem Nachbarschaftsstreit", so Juliane Eßling. "Wir wollen niemanden an den Pranger stellen. Es geht uns darum, dass sie aufhören, die Frauen zu belästigen." In vielen Fällen ist das gelungen, oft mit ganz einfachen Mitteln. Manchmal genügte es, wenn eine männliche Person ans Telefon ging, nachdem ein Stalker 150-mal hintereinander angerufen hatte.

Kann man auch TV-Formate stalken?

Es ging nicht immer glimpflich aus. Schließlich handelt es sich bei den TV-Stalkern um Extremfälle. Viele sind Wiederholungstäter, die bereits aktenkundig waren, bevor man sie zu Protagonisten machte. Zu Handgreiflichkeiten ist es laut Eßling bisher nicht gekommen, in einem besonders brisanten Fall aber wurde das gefilmte Material den Strafverfolgungsbehörden übergeben. "Dem drohen jetzt acht Monate Gefängnis."

Dass sich auch TV-Sender bei der Formatentwicklung stalken, gehört ins Reich der Legenden. Der Kreis der Produzenten ist übersichtlich, man kennt sich, arbeitet mal mit diesem mal mit jenem zusammen. Dass RTL und Sat.1 jetzt mit auffallend ähnlichen Formaten an den Start gehen, ist deswegen umso verwunderlicher und gibt Anlass zu kleinen Frotzeleien.

Im Duell um den Ausstrahlungstermin hat Sat.1 knapp die Nase vorn und zeigt am 7. Mai Teil eins des Lizenzformats unter dem Titel Stalker - Auf frischer Tat ertappt. RTLs Verfolgt - Stalkern auf der Spur läuft ab 8. Mai immer mittwochs, erst einmal drei Folgen. Im Sommer sendet Sat.1 dann die restlichen "Stalker"-Folgen, die noch in der Mache sind. "Die investigative Doku ist sehr recherche-intensiv und zeitaufwendig", sagt Sat.1-Sprecherin Diana Schardt, "erst wenn alle Details stimmen, können und wollen wir on air gehen."

Heiko Schulze

Promi-Stalking: Krankhafte Fanliebe

Schauspieler, Musiker, TV-Stars werden von ihren Anhängern nicht nur gefeiert. Wenn die Verehrer fanatisch werden, können Prominente sogar in Lebensgefahr geraten. Nachdem Gwyneth Paltrow von einen psychisch kranken Pizzafahrer belästigt wurde, lebt der Star in Angst, ließ sich eine Telefon­hotline zum Polizeirevier legen. Catherine Zeta-Jones erhielt Morddrohungen von einem weiblichen Fan ihres Ehegatten Michael Doug­las. Die verwirrte Frau wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Daniel Radcliffe wurde von einer ganzen Militäreinheit abgeschirmt, nachdem der Harry-Potter-Darsteller Morddrohungen erhalten hatte. Uma Thurman durchlitt ein wahres Martyrium, ehe einem Fanatiker, der der Schauspielerin auch am Set auflauerte, eine Bewährungstrafe und Kontaktsperre auferlegt wurde.

Straftat Stalking: Kein Kavaliersdelikt

Seit 2007 bietet ein Anti-Stalking-Gesetz (§ 238 StGB) Opfern einen Rechtsschutz. Sie können Anzeige erstatten und ein Kontakt- und Näherungsverbot erwirken. Stalker, die anderen Menschen nachstellen oder sie permanent belästigen, müssen mit bis zu drei Jahren Haft - in schwerwiegenden Fällen auch mehr - rechnen. Das Gesetz eröffnet zudem die Möglichkeit, besonders gefährliche Täter vor­übergehend in eine sogenannte Deeskalationshaft zu nehmen.

Akte spezial: Stalkers
DI, 7.5., Sat.1,


Verfolgt - Stalkern auf der Spur
MI, 8.5., RTL,