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Interview mit Regisseur Peter Jackson

"Man muss die Dinge vereinfachen"

JacksonGebirge
In seinem Element: Peter Jackson on Location

Zum Kinostart seines neuen Films (ab 18.2.) sprachen wir mit "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson über seine Bestsellerverfilmung "In meinem Himmel", seine Arbeit mit Steven Spielberg an "Tim und Struppi", die geplante "Hobbit"-Verfilmung und den Hype um 3-D

"Man muss die Dinge vereinfachen"

Zum Kinostart seines neuen Films am 18.2. sprachen wir mit "Der Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson nicht nur über seine Bestsellerverfilmung "In meinem Himmel", sondern auch über die Arbeit mit Steven Spielberg an "Tim und Struppi", die geplante "Hobbit"-Verfilmung und den Hype um 3-D

Was ist die größte Herausforderung dabei, einen Bestseller zu adaptieren?

PETER JACKSON Es gibt keinen perfekten Film und kein perfektes Drehbuch, also auch keine perfekte Adaption. Das Buch ist ein Meisterwerk, so wie Alice Sebold es geschrieben hat. Hätte ich aber alles übernommen, was sie geschrieben hat, wäre der Film sechs Stunden lang geworden. Man muss also vereinfachen, sich von Sachen trennen.

Seit "Der Herr der Ringe" und "King Kong" werden von Ihnen Epen ähnlicher Größenordnung erwartet. Haben Sie auch deshalb diesen eher kleinen Film gewählt?

PETER JACKSON Nein, aber die Frage liegt nahe. Nur: Als Filmemacher ist es nicht sehr befriedigend, wenn ein Projekt einem anderen ähnelt, das ich bereits hinter mir habe. Stellen Sie sich nur vor, Sie müssten die nächsten drei Monate lang jeden Tag nur mich interviewen - das würde Ihnen ganz schön langweilig werden! (lacht) Ich ziehe meinen Unterhaltungswert daraus, etwas anderes zu machen.
Haben sich Ihre Ansichten zu der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, durch diesen Film irgendwie verändert?

PETER JACKSON Das ist eine der fundamentalsten Fragen der Menschheit. Ich bin nicht wirklich religiös, aber ich glaube sehr stark an zwei Dinge: zum einen, dass jeder das Recht haben sollte, an das zu glauben, was er meint. Das sollte respektiert werden. Zum anderen glaube ich an die moralischen Werte einer Religion. Ich glaube daran, dass man ein guter Mensch sein soll und andere so behandelt, wie man selbst behandelt werden will. Ich wollte nicht, dass dieser Film irgendwelche religiösen Gefühle bewertet, weder positiv noch negativ.

Im Film geht es um Verlust. Wie sehr ist das geprägt von persönlicher Erfahrung?

PETER JACKSON Das ist eine ziemlich persönliche Frage. Ich glaube nicht, dass sich meine Erfahrung da groß unterscheidet. Der Tod eines geliebten Menschen ist das intensivste Ereignis, was einem zustoßen kann.

Die Szene, in der Susies Schwester ins Haus des Mörders eindringt, lässt unwillkürlich an Alfred Hitchcock denken.

PETER JACKSON Das war tatsächlich auch als klassische Hitchcock-Sequenz gedacht. Ich wollte eine starke Szene aus etwas sehr Simplem machen: zwei Menschen in einem Raum. Mr. Harvey kennt den Klang seines Hauses, jedes Dielenbretts. Mir gefällt sehr, wie wir die Stille hier einsetzen konnten.
Zwei Herren mit Melone: Produzent Peter Jackson (im Hintergrund) und Regisseur Steven Spielberg bei der Arbeit an "Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn"
Können Sie ein bisschen was über "Tim und Struppi" erzählen, den Sie ja gemeinsam mit Steven Spielberg produzieren?

PETER JACKSON In Neuseeland sind die Comicbücher sehr bekannt und unfassbar populär. Ich würde mal vermuten, dass jeder Haushalt in Neuseeland zwei oder drei Exemplare im Bücherregal stehen hat. Meine Mutter und mein Vater haben mir "Die schwarze Insel" und "Die Krabbe mit den goldenen Scheren" vorgelesen. Wenn ich bei meinem Onkel war, hab ich immer mit meinen Cousins Hefte getauscht, damit ich unterschiedliche Geschichten lesen konnte. Das waren die ersten Bücher, die ich wirklich gern gelesen habe, ich habe sie geliebt. Das war wirklich ein großer Teil meiner Kindheit.

Wie gehen Sie die Verfilmung einer Cartoon- und Comicwelt an?

PETER JACKSON Wir werden Tim und Struppi per Motion Capture-Verfahren zum Leben erwecken. Auf diese Weise animiert man die Figuren, man bewegt sie und hat nichts damit zu tun, wie sie aussehen. Die Arbeit machen echte Schauspieler. Gollum war eine der ersten Motion-Capture-Figuren, die auf diese Art entstanden sind. Andy Serkis hat das noch einmal für uns bei King Kong wiederholt. Bei "Avatar" haben sie gerade dieselbe Technik benutzt, und unsere Jungs in den Weta-Studios, Neuseeland, sind unglaublich.

Was ist der Reiz an Motion Capture?

PETER JACKSON Der Trick bei Motion Capture ist die Möglichkeit, einem Gesicht Emotionen zu verleihen. Bei "Tim und Struppi" haben wir Andy Serkis als Captain Haddock, Jamie Bell als Tim und außerdem Daniel Craig, Simon Pegg und Nick Frost. Großartige Schauspieler, die alle vermitteln, was Herge einst erdacht hat. Es ist erstaunlich: Wenn man sich anschaut, was Steven inszeniert hat, wirken all diese Formen und Farben, als ob Herge sie gemalt hätte. Aber es wird noch fast zwei Jahre dauern, bis der Computer alle Bilder, die wir erschaffen haben, berechnet hat. ("Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhron" kommt voraussichtlich am 27. Oktober 2011 ins Kino)
Selbst ist der Regisseur: Peter Jackson beim Dreh von "In meinem Himmel"
Und wie geht es mit der Verfilmung von "Der kleine Hobbit" voran, den Guillermo del Toro in zwei Teilen in Neuseeland zusammen mit Ihnen als Produzent drehen will?

PETER JACKSON Wir haben noch nicht angefangen zu drehen, wir arbeiten immer noch am Drehbuch. (geplanter US-Start für "The Hobbit": 2012)

Sie sind einer der innovativsten Filmemacher der Gegenwart. Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos?

PETER JACKSON Gute Frage. Ich glaube nicht, dass wir uns auf dem Sprung in eine neues Technologiezeitalter befinden. Tatsächlich denke ich soagr, dass 3-D zurzeit etwas überbewertet wird. Auch die Filmindustrie befindet sich nicht gerade in einem besonders stabilen Zustand. Wo soll's also hingehen? 3-D ist nicht die Antwort, es ist lediglich eine wunderbare Erweiterung des Kinoerlebnisses. Die Studios werden von der Wall Street und der Finanzwelt kontrolliert, sie verlassen sich immer mehr auf große Stars und etablierte Filmreihen - mit dem Ergebnis, dass mittelgroße Filme kaum mehr produziert werden.
Produzent Jackson zwischen "District 9"-Star Sharlto Copley (l.) und Regisseur Neill Blomkamp
Umso mehr dürfte Sie der Erfolg des von Ihnen produzierten Lowbudget-Erfolgs "District 9", der jetzt sogar für vier Oscars (Bester Film, Bestes Drehbuch, Bester Schnitt, Beste Spezialeffekte) nominiert ist?

Ja, das war eine große Überraschung. Ich bin zwar äußerst stolz auf den Film, aber mit so einer überwältigenden Resonanz des Publikums hätte ich nie gerechnet - ich war total überwältigt.

Scott Orlin