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Helene Fischer: Wie sie amerikanischen Glanz nach Deutschland bringt

Helene Fischer: Wie sie amerikanischen Glanz nach Deutschland bringt
Getty

Nur 1,58 Meter klein und dennoch die Größte im deutschen Showgeschäft: Helene Fischer elektrisiert die Massen, verdient Millionen und teilt die Menschen in zwei Lager. Für ihre Fans eine Königin, für ihre Kritiker die Pop-Prinzessin im Luftschloss des Mainstreams. Kunst oder Kitsch? Eine Spurensuche.

Helene Fischer ist ein Kind der Neunziger: 1984 im sibirischen Krasnojarsk geboren, erlebte sie ihre Jugendzeit komplett in Deutschland, genauer gesagt im rheinland-pfälzischen Wöllstein, einer 4000-Einwohner-Gemeinde. Heute gibt sie auf ihren Konzerten gerne Songs wie "Rhythm Is A Dancer", Haddaways "What is Love?" oder Dr. Albans "Sing Halleluja" zum Besten. Ihre Jugend, das soll jeder sehen und hören, hat sie sich erhalten. Doch was passiert, wenn sie nicht mehr so jugendlich aussieht? Wenn ihre makellose Schönheit verwelkt? Vermutlich wird sie dann längst die großen Bühnen meiden, mit ihrem Mann Florian Silbereisen die verdienten Millionen genießen und nur noch hin und wieder im Fernsehen vorbeischauen - dort, wo alles begann.

Ihre Fernsehpremiere nahm am 14. Mai 2005 im Ersten ihren Lauf. Beim "Hochzeitsfest der Volksmusik" sang sie mit Florian Silbereisen ein Duett - es war ihr Durchbruch mit gerade einmal 21 Jahren. Danach knackte sie einen Rekord nach dem anderen, verkaufte von Mal zu Mal mehr Platten und transformierte von einer Schlagersängerin zur Show-Königin. Ihre Erfolge sprechen Bände:

Helene Fischer: Superstar mit Superlativen

Foto: Getty, Sie kennt die Posen großer Popstars: Helene Fischer beherrschst die Kunst der Verführung
Über zehn Millionen verkaufte Tonträger, ihre Alben "Best of Helene Fischer", "Farbenspiel" und "Weihnachten" gehören zu den meistverkauften Musikalben in Deutschland, sie gewann siebzehn Echos, sieben Goldene Hennen, drei Bambis und zwei Goldenen Kameras, seit 2011 moderiert sie ihre eigene Sendung "Die Helene Fischer Show" immer an Weihnachten, sie kassierte 2015 dafür den Bayerischen Fernsehpreis, beim Traumschiff spielte sie eine Reiseleiterin, sie ist das Werbegesicht einer Beauty-Creme, ihre Wachsfigur steht bei Madame Tussauds in Berlin, weil tausende Besucher es sich so gewünscht haben und jüngst ersteigerte ein Fan für 20.000 Euro ein Treffen mit ihr im Rahmen einer Charity-Auktion der RTL-Stiftung "Wir helfen Kindern" - das bisher teuerste Meet & Greet, das je auf der Plattform versteigert wurde.

Superlative noch und nöcher und doch stellt sich die Frage: Warum gerade sie?

Ein Star ist immer auch eine Projektion. Sein Erfolg sagt viel mehr über seine Fans, den Zeitgeist, als über sich selbst. So beschrieb der französische Philosoph Roland Barthes einen Star als "gelebten Mythos". Ein Star sei eine Figur, an der Sehnsüchte festgemacht werden können, an der sich ein kollektives Begehren entlädt.

Und die Deutschen wollen Glitzer und Glamour. Dass was in den USA geht, muss doch auch hier funktionieren - so der kollektive Wunschgedanke. Sie wünschen sich einen Star mir Strahlkraft, ein schillerndes Allround-Talent. Sie wollen pompös unterhalten werden, nach allen Regeln der Kunst: große Bühnenshows in Regenbogenfarben, mit funkelnden Kristallen, gigantischen Leinwänden und springenden Lichtkegeln - Zauberei eben. Doch produziert Helene Fischer nur Blendwerk? Ist Fischer mehr Schein als Sein? Mitnichten.

Erfolg mit aller Kraft

Foto: Dpa, Vor 58.000 Menschen im Berliner Olympiastadion: Helene Fischer auf ihrer Tour 2018
Sie wusste, was sie wollte: Schon die kleine Helene wollte auf die "Bretter, die die Welt bedeuten". Als kleines Mädchen hat sie sich auf Familienfesten und Hochzeiten verkleidet und ist aufgetreten. In der Realschule von Wörrstadt war sie die Erste, die sich für Theater-AGs und Musical-Kurse meldete. So erzählt sie es immer wieder: in Interviews, im Fernsehen, auf der Bühne. Das Narrativ ist klar: Sie hat sich den Erfolg hart erarbeitet. Jeder, der an sich glaubt, kann es schaffen. Ich bin eine von euch!

Helene Fischer ging nach der Schule für drei Jahre nach Frankfurt am Main, machte dort eine Musical-Ausbildung, lernte singen und tanzen. Ihre Mutter war es, die den entscheidenden Anstoß gab. Dem Manager Uwe Kanthak schickte sie eine Demo-CD ihrer Tochter. Der Manager hatte schon Michelle zum Schlagerstar gemacht, nun schickte er Helene Fischer von einem Dorffest zum Nächsten. Als blonde, gelenkige und sehr nahbare Schönheit machte sie sich schnell einen Namen. Der Tag kam, da lud sie Florian Silbereisen, ihr heutiger Lebensgefährte, ins Fernsehen ein und ganz Deutschland kam auf den Geschmack der Liebessongs schmetternden Blondine.

Seit über einer Dekade bringt sie nun betörenden Glanz ins Land, ganz nach amerikanischem Vorbild. Wenn man ihre Shows heute sieht, erinnert das mit dem Pop-Bombast in vielen Szenen und kleinen Momenten an große US-Ikonen. Mal reitet sie wie Kylie Minogue, mal schlägt sie kniend auf den Boden ein wie Britney Spears anno 2000 oder sie umgibt sich mit Tänzerinnen und tanzt ekstatisch wie Beyoncé. Ob bewusste Adaption oder unbewusster popkultureller Einfluss: Ihre Shows verfangen, ihr Stil ist vereinnahmend, unkompliziert und unzweideutig. So wie "Wetten, dass...!?" in seiner besten Zeit bieten Helene Fischer Shows ein Programm für alle. Sie sind der perfekte Mainstream und Helene Fischer trägt ihn als perfekte Verführungskünstlerin in identitätsstiftende Sphären.

Als Kind der Neunziger ist es kein Zufall, dass sie zwischen ihren Pop- und Schlager-Nummern die großen Chartsongs der vergangenen Dekaden durch die Arenen sausen lässt. Wenn sie mal wieder "Let me entertain you" trällert, werden Fans plötzlich ganz "Atemlos" und vergessen beinahe, dass ein gewisser Robbie Williams dieses Lied zu einem Millionen-Hit machte. Helene Fischer ist Meisterin des Atmosphärischen: Sobald sie auf die Bühne tritt und ihren Zauber über die Menschen legt, würden ihre Fans ihr alles glauben. Vielleicht klingt das kitschig, aber auch das ist große Kunst.