.

Tote Stars per Animations-Technik zurückholen? Lasst die Verstorbenen ruhen

Meinung, Paul Walker, James Dean
James Dean und Paul Walker sind beide in jungen Jahren gestorben – und wurden nach ihrem Tod für die Filmwelt per Computereffekt recycelt. IMAGO / Paramount Pictures, Montage: TVSPIELFILM.de

Meinung | Demnächst gibt es wieder Konzerte mit Roy Black, im Kino treten längst verstorbene Stars wie Laurence Olivier und Peter Cushing wieder auf, sogar James Dean soll bald in einem neuen Film zu sehen sein. Unser Redakteur Michael Hille findet das furchtbar.

Von Totenruhe hat Hollywood wohl noch nie etwas gehört – zumindest nicht, seit es die technischen Möglichkeiten gibt, tote Stars mittels moderner Computereffekte wieder "zum Leben zu erwecken". Mein Kollege Jan Thinius-Heemann sieht eine tolle Möglichkeit darin, das Wirken und Leben alter Legenden für ein modernes Publikum frisch zu halten. Doch es gibt mit diesem Handeln ein großes ethisches Problem: Die verstorbenen Stars können ihrer posthumen Bühnenkarriere schlicht nicht zustimmen. Stattdessen entscheiden ihre Erben und Erbverwalter. 

Wie kam es zur digitalen Auferstehung toter Stars?

Angefangen mit dieser Technik hat in den 1990ern Coca-Cola: Für verschiedene Werbespots ließ man mit digitalen Tricks James Cagney, Humphrey Bogart, Louis Armstrong und Fred Astaire "zurückkehren". Man verwendete Originalaufnahmen und kopierte sie in neu gedrehte Szenen rein. Erstmals im größeren Stil kamen solche Tricks in der Filmwelt dann im Kino bei "Gladiator" sowie bei der Serie "Die Sopranos" zum Einsatz. Da war es aus der Not geboren: Während der "Gladiator"-Dreharbeiten verstarb Oliver Reed, ohne dass all seine Szenen fertig gedreht waren. Bei "Die Sopranos" geschah dasselbe mit Nancy Marchand. In beiden Fällen nutzte man Körper-Doubles und animierte später das Gesicht der Verstorbenen auf diese Doubles. Für die nur wenigen, so nachträglich erstellten Dialoge nutzte man nicht verwendetes Szenenmaterial und Stimmaufnahmen aus den Archiven.

Schon damals löste das ethische Debatten aus. Doch mittlerweile sind wir an einem ganz anderen Punkt: In "Rogue One: A Star Wars Story" von 2016 spielte Peter Cushing eine große Rolle – obwohl der Star schon 1994 verstorben war. Man animierte einfach sein Äußeres und ließ einen Stimmenimitator die Dialoge einsprechen. Ähnliches geschah mit Laurence Olivier, der 13 Jahre nach seinem Tod in "Sky Captain and the World of Tomorrow" einen neuen Eintrag in seine Filmografie erhielt. Die Serie "Hawaii Five-O" brachte den seit Jahrzehnten verstorbenen TV-Star Jack Lord mittels Effekten aus dem Rechner zurück. Jetzt wurde angekündigt, dass bald der verstorbene Roy Black mehr als drei Jahrzehnte nach seinem Ableben mittels Hologrammtechnologie wieder Konzerte geben wird. Mit Tupac Shakur geschah das schon 2012 auf dem California Coachella Music Festival, knapp 16 Jahre nach seiner Ermordung. Und im geplanten Vietnamkriegs-Drama "Finding Jack" sollen wir James Dean erneut zu sehen kriegen, ganze 68 Jahre nach seinem Tod. Warum? Die Macher gaben bloß an, sie hätten keinen besseren für die Rolle gefunden.

Warum diese Technik ein großes Problem darstellt

Nun soll es nicht darum gehen, technologischen Fortschritt zu verteufeln. Es gibt Fälle, in denen man diesen Einsatz der Technik zwar streitbar, aber nachvollziehbar finden kann. In "Fast & Furious 7" nutzte man aufwendige Effekte und die Beteiligung seines Bruders, um den verstorbenen Paul Walker gebührend zu verabschieden, als er die Dreharbeiten nicht vervollständigen konnte. In "Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers" ließ man Carrie Fisher durch Archivmaterial und Computertricks noch einmal die Prinzessin Leia spielen, was ihr durch ihren Tod vor Drehbeginn verwehrt wurde. In beiden Fällen kann man den Einsatz solcher Effekte verstehen, dienen sie doch dazu, das letzte große Projekt der Verstorbenen zu vervollständigen. Wäre es wirklich besser gewesen, die letzten Szenen von Paul Walker aus "Fast & Furious 7" zu entfernen, als ihn für ein paar kurze Szenen digital zu rekonstruieren?

Schwierig wird es aber, wenn Geld mit Toten verdient werden soll, die sich gegen ihren erneuten Einsatz nicht mehr wehren können. Hätte Roy Black wirklich gewollt, dass wir ihn 32 Jahre nach seinem Tod mit Hologrammen replizieren? Vielleicht, allein aber: Wir können es nicht wissen. Hätte Peter Cushing ein Problem damit gehabt, seinen Großmoff Tarkin aus "Krieg der Sterne" noch Jahrzehnte nach seinem Tod wieder zu spielen? Vielleicht, doch auch hier: Wir können es nicht wissen. Und auch ob James Dean es okay gefunden hätte, irgendwann als Pixel-Haufen einen vierten Film absolvieren zu können, werden wir nie erfahren. Es dennoch zu machen, ist schlicht übergriffig – und auch Tote sollten Rechte haben.

Erste Stars wehren sich schon gegen posthume Auftritte

Die ersten Stars ergreifen schon Mittel dagegen, auf diese Art und Weise ein posthumes Comeback zu erleben. Robin Williams, der 2014 Suizid beging, hat sich rechtlich zusichern lassen, dass seine Erscheinung die ersten 25 Jahre nach seinem Tod nicht für kommerzielle Zwecke neu verwendet werden darf. Bis 2039 ist dies also strengstens untersagt. Aber ist das wirklich der Weg? Müssen Personen des öffentlichen Lebens jetzt schriftlich festhalten, dass man ihr Ansehen posthum respektieren sollte? Und was ist mit all den Menschen, die so eine schriftliche Erklärung nie abgeben konnten – weil es zu ihren Lebzeiten gar keinen Anlass dafür gab oder sie sich nie hätten vorstellen können, dass diese Technik je existieren wird?

Die Frage, die wir als Publikum uns stellen müssen, ist daher: Ist uns ein nostalgisches Wiedersehen mit alten Vorbildern wichtiger als deren möglicher letzter Wille? Die Technik wird sich gewiss weiterentwickeln. Hoffentlich vergessen wir bei all den möglichen Spielereien in Zukunft nicht, dass uns "unsere Stars" eigentlich nicht wirklich gehören.