In einer Mitteilung gaben seine Töchter Rumer und Scout, seine Eherau Ema Heming-Willis und seine Ex-Frau Demi Moore bekannt, Filmlegende Bruce Willis habe "nach reiflicher Überlegung" entschieden, seine Schauspielkarriere zu beenden. Sie schreiben: "Als Familie wollten wir mitteilen, dass unser geliebter Bruce einige gesundheitliche Probleme erlebt hat und dass bei ihm vor Kurzem eine Aphasie diagnostiziert wurde, die seine kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt."
Eine traurige Nachricht. Doch der Schauspieler, der 1955 im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein geboren wurde, hinterlässt seinen Fans eine beeindruckende Karriere. Und nein: "Brusli", wie seine Fans ihn gerne nennen, war nicht nur Actionstar, war viel mehr als nur sein John McClane. Er gehörte zu den führenden Charakterdarstellern der 1990er und war vor allem eines – ein Unikat. Die Lücke, die er hinterlässt, wird unmöglich zu füllen.
Yippie-Ka-Yeah: Karriereknüller "Stirb langsam"
Um sein Stottern zu beenden, begann Bruce Willis einst die Schauspielerei – sie war eine Therapiemaßnahme. Nach Auftritten in Werbespots, sicherte er sich 1985 die Hauptrolle in der TV-Serie "Das Model und der Schnüffler", gewann dafür prompt große Preise, wie den Emmy und den Golden Globe. Und drei Jahre später sicherte er sich bereits einen Platz in den Annalen der Filmgeschichte: In "Stirb langsam" spielte er den Polizisten John McClane, der nie um einen lockeren Spruch ("Yippie-Ka-Yeah, Schweinebacke!") verlegen ist und während einer Geiselnahme in einem Hochhaus als Einziger den Kampf gegen Terroristen aufnimmt.
Über Nacht wurde er zum Star des Actionkinos. "Stirb langsam" markierte im Hollywood-Kino eine Gezeitenwende. Die 1980er lang dominierten Muskelpakete wie Sylvester Stallone ("Rambo") und Arnold Schwarzenegger ("Predator") das Actiongenre. Sie standen für ein Männer- und Körperbild unter US-Präsident Ronald Reagan: Für starke, unverwundbare Alphas, die im Alleingang ganze Kriege gewinnen würden.
John McClane war eine neue Art von Mann: Er schwitzte, blutete aus allen Enden, rotzte und heulte. Sein Kampfeswillen war größer als seine Muskelmaße. Sein Heldenstatus reiner Zufall. Eine übermenschliche Leistung von Bruce Willis, der in einer gerechten Welt hierfür einen Oscar gewonnen hätte, doch wurde er nicht mal nominiert. 1990, 1995, 2007 und 2013 kehrte "Brusli" in vier "Stirb langsam"-Fortsetzungen zurück.
Viel bejubelt: Der Charakterdarsteller Bruce Willis
Bruce Willis war ein schauspielerisches Naturtalent und hatte wenig Interesse daran, fortan nur der "Actionstar" zu sein. Doch trotz seiner hervorragenden Leistungen in Komödien wie "Fegefeuer der Eitelkeiten", "Hudson Hawk – Der Meisterdieb" und "Der Tod steht ihr gut" wurde er sein Image nicht los. Sein erster echter Erfolg abseits von John McClane war der ultrabrutale Ballerfilm "Last Boy Scout – Das Ziel ist Überleben". Ändern sollte sich das 1994, als endlich sein ganzes Talent auch der breiten Öffentlichkeit bewusstwurde – durch seinen Part in "Pulp Fiction". Als psychisch-angeschlagener Boxer, der sich auf das organisierte Verbrechen einlässt, zeigte er eine unglaubliche Leistung und wurde von Kritikern weltweit gelobt.
Der Erfolg öffnete ihm die Türen für facettenreiche neue Rollen. Zwar blieb er in "Armageddon" oder gar "Das fünfte Element" den harten Raubeinen erhalten, doch konnte er plötzlich als großer Charaktermime überzeugen. Brillant sein Auftritt als geplagter Zeitreisender in "Twelve Monkeys", emotional mitreißend ist er zudem im Politthriller "Ausnahmezustand" als sadistischer General und dem mit zig Preisen bedachten Drama "The Sixth Sense" als einfühlsamer Psychologe. In den 90ern war er fraglos der führende Charakterdarsteller seiner Generation.
Einen Auftritt möchte ich besonders würdigen: 2000 spielte er in "Unbreakable – Unzerbrechlich" neben Samuel L. Jackson die Hauptrolle. In dem psychologischen Melodram erfährt seine Hauptfigur, der von seiner Familie entfremdete David Dunn, dass er übernatürliche Kräfte in sich hat und beginnt, Comics zu lesen, um sich seiner Verantwortung bewusst zu werden. Erneut: In einer gerechten Welt hätte dies schon seine dritte oder vierte Oscarnominierung sein müssen. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Hollywoods Goldjunge wurde nie für einen Goldjungen nominiert.
Zum Abschied: Zwei späte Tipps mit Bruce "Brusli" Willis
Die 2000er hatten für Willis noch einige Erfolge parat, etwa die Comicadaption "Sin City", der coole Thriller "16 Blocks" und die nostalgische Opa-Action-Show "R.E.D. – Älter, Härter, Besser", doch in den 2010ern landete fast nur noch Trash-Ware aus dem Giftschrank auf seinem Schreibtisch. Seine letzten Karrierejahre wirkte er müde und lustlos und machte sich damit zum Kritikergespött. 2022 bekam er bei den Anti-Oscars, der Goldenen Himbeere, seine eigene Kategorie: "Schlechteste Bruce-Willis-Leistung des Jahres", alle seine acht Filme von 2021 waren nominiert. Vor dem Hintergrund seiner jetzt bekanntgewordenen Erkrankung wirken viele dieser Witze noch schäbiger als sie es ohnehin schon immer waren.
Mit Bruce Willis verabschiedet sich ein Unikat. Ein Star, der ein neues Männerbild im Alleingang prägte – eines, das Gefühle zeigen durfte, das Schwächen hatte, und dadurch nur noch mehr als Kämpfer und als Held angesehen wurde. Ein Star, der viele Interessen hatte und nie ganz zu greifen war. Er war u.a. als Sänger erfolgreich, blieb dem Theater stets treu und war Mitgründer der Restaurantkette Planet Hollywood. Ein Mann, der sich für die Schwachen stark machte: Bis zuletzt setzte er sich öffentlich gegen Mobbing ein, jenes Mobbing, welches er in jungen Jahren für sein Stottern erfuhr.
Seine letzten Karrierejahre mögen teils desaströs gewesen sein, doch möchte ich zum Abschied allen Lesern zwei Filme empfehlen, in denen der späte Bruce Willis nochmal sein ganzes Können zeigte. 2012 war er im Zeitreise-Drama "Looper" exzellent. Als gealterter Ex-Kopfgeldjäger, der plötzlich seinem jüngeren Ich begegnete, vereinte er all seine Stärken: Coole Sprüche und emotionalen Tiefgang. Zuletzt begeisterte mich Brusli 2019 in "Motherless Brooklyn" als hartgesottener Privatdetektiv, der genau so war wie er selbst: Ein harter Hund mit weichem Kern.
Alles Gute und viel Kraft, Brusli. Und natürlich: Yippie-Ka-Yeah!
Dieser Beitrag wurde zuerst bei FOCUS.de veröffentlicht.