Zugegeben, der Berliner Dom, der 1894 erbaut wurde und in dem das Foto oben enstand, passt nur bedingt zu einem Film, der im frühen Mittelalter spielt. Andererseits ist er ein Gotteshaus, und die Geschichte dreht sich schließlich um den Stellvertreter Christi auf Erden.

Johanna Wokalek und Sönke Wortmann jedenfalls hatten keine Bedenken, sich auf der Empore des wilhelminischen Baus für TV SPIELFILM ablichten zu lassen.

In Wortmanns Film "Die Päpstin" nach dem Bestseller von Donna W. Cross spielt Wokalek Johanna von Ingelheim, ein hochintelligentes Mädchen, das im 8. Jahrhundert nur einen Weg sieht, sich bilden zu können: Sie gibt sich als Mann aus und geht ins Kloster.

Dass ihr Weg als Johannes Anglicus bis auf den Papstthron führt, ist möglicherweise nur Legende. Aber eine, die die Menschen fasziniert. Eigentlich wollte Volker Schlöndorff "Die Päpstin" verfilmen, die Hauptrolle sollte Franka Potente übernehmen.
Doch nach einem von Schlöndorff 2007 verfassten kritischen Artikel über bestimmte Filmproduktionsstrategien kündigte ihm Produzent Constantin Film und engagierte Sönke Wortmann als Regisseur.

Herr Wortmann, dieser Film hat eine Vorgeschichte. Wie geht es Ihnen damit?

SÖNKE WORTMANN Dass diese Frage überhaupt kommt, kann ich ja vielleicht noch verstehen, aber gleich als Erstes? Ich versuche das mal auf Fußball zu übersetzen. Kennen Sie sich da ein bisschen aus?

Sicher.

SÖNKE WORTMANN Gut. Dann wissen Sie ja, dass bei Bayern München jetzt Louis van Gaal Trainer ist. Glauben Sie, den hätte jemand gefragt: Herr van Gaal haben Sie jetzt ein schlechtes Gewissen, dass Sie Jürgen Klinsmann beerben?

So ähnlich hätte ich das gefragt.

SÖNKE WORTMANN Es ist ein ganz normaler Prozess, dass, wenn ein Arbeitgeber sich von einem Angestellten trennt - warum auch immer -, irgendwann ein Neuer kommt. Insofern habe ich damit null Probleme. Und wie das so ist, wenn ein neuer Mann kommt, bringt der auch seine eigenen Leute mit. Van Gaal hat seine Assistenten aus Holland mitgebracht, und für mich war eben Johanna Wokalek aus Wien die erste Wahl für Päpstin Johanna.

Klingt gut, Sönke Wortmanns erste Wahl zu sein, oder?

JOHANNA WOKALEK Das hat mich sehr gefreut. Ich hatte den Roman nicht gelesen, fand aber im Drehbuch die Geschichte so faszinierend und auch die Figur so berührend, dass ich sofort große Lust hatte, das zu spielen.

Was hat Sie am meisten an der Figur der Johanna interessiert?

JOHANNA WOKALEK Sie wollte lernen, wollte wissen. Um das als Mädchen im Frühmittelalter zu können, musste sie vor ihrem Vater flüchten und sich als Mann verkleiden. Dabei hat sie ihre innere Stimme geführt, über alle Hindernisse hinweg. Das hat mich gefesselt. Aber auch die Tatsache, dass sie am beinahe höchsten Punkt ihres Weges, den Mann wiedertrifft, den sie seit so vielen Jahren liebt, und dadurch in einen unlösbaren Konflikt gerät.

SÖNKE WORTMANN Dieser Konflikt, sich zwischen Familie und Karriere entscheiden zu müssen, ist für Frauen heute aktueller denn je. Außerdem ist das Frauenbild in verschiedenen Gesellschaften auf dieser Erde noch genauso eng, wie es damals in Europa war. Ich war kurz vor den Dreharbeiten in Saudi-Arabien, wo Frauen immer noch nicht Auto fahren dürfen. Deswegen, aus aktuellem Anlass sozusagen, "Die Päpstin".

Was bedeutet Ihnen Religion?

JOHANNA WOKALEK Die Frage, warum wir hier sind und was der Sinn des Lebens ist, beschäftigt uns ja alle irgendwann. Mich natürlich auch. Interessanterweise ist es vielleicht eine Frage, die auch Päpste ein Leben lang umtreibt.

Wieso haben Sie sich eigentlich für Englisch als Drehsprache entschieden?

SÖNKE WORTMANN Das war eine Vorgabe der Produzenten, die ich auch nachvollziehen kann. Der Film hat um die 20 Millionen Euro gekostet, das muss man erst mal wieder einspielen. Und da ist natürlich die Chance größer, das nicht nur in Deutschland, sondern auch auf dem internationalen Markt zu tun.

John Goodman, bekannt aus "Sea of Love", spielt Papst Sergius, den Johanna später beerbt. Ticken US-Stars anders als ihre deutschen Kollegen, oder ist Schauspieler gleich Schauspieler?

SÖNKE WORTMANN Bei den Amerikanern muss man ein bisschen Glück haben. Da gibt es Stars, die ihr Starsein raushängen lassen. Wenn so ein Stinkstiefel kommt, der meint, es müsse sich alles nur um ihn drehen, macht das Arbeiten keinen Spaß mehr.

Wollen Sie Namen nennen? Sie haben schon mit Tom Berenger und Burt Reynolds gearbeitet ...

SÖNKE WORTMANN Ich will grundsätzlich nicht nachtreten, aber John Goodman war Gott sei Dank ganz anders. Und Johanna und er haben sich geliebt. Vom ersten Augenblick an.

JOHANNA WOKALEK Wir trafen uns zum ersten Mal beim Dreh in Marokko. Ich habe angeklopft, die Tür geht auf, und zwei Stufen über mir steht dieser große Mann - also der ist ja nun ungelogen wirklich groß -, schaut auf mich runter und sagt: "Oh, the small pope and the big pope." Dann nimmt er die Mütze ab, zeigt seinen Kopf, und wir haben unsere Tonsuren (kahlgeschorene Stelle auf dem Kopf) verglichen. Seine war viel größer.

SÖNKE WORTMANN Er hat ja auch einen viel größeren Kopf als du.

JOHANNA WOKALEK Ab dem Moment war ich eigentlich immer bei ihm im Trailer.

Was hat die Tonsur mit Ihnen gemacht?

JOHANNA WOKALEK Die war ein kleiner Ausschnitt auf meinem Kopf, aber ein gewaltiger Einschnitt in mein Leben. Das Gefühl der Veränderung ist unvorstellbar. Es ist schrecklich und toll zugleich. Für die Rolle war es unverzichtbar, sich eine Tonsur scheren zu lassen, weil auch Johanna diesen Schritt geht. Aber privat war ich heilfroh, als die Haare wieder nachgewachsen waren.

Wie lange hat's gedauert?

JOHANNA WOKALEK Endlose drei Monate, in denen ich bei jedem Wetter Mützen getragen habe. (lacht)

Die katholische Kirche hat Donna W. Cross für "Die Päpstin" scharf kritisiert. Welche Reaktionen erwarten Sie auf den Film?

SÖNKE WORTMANN Ich schätze, die katholische Kirche wird ihn natürlich nicht gut finden. Der evangelischen Kirche spielt er insofern in die Karten, als die ja schon länger Frauen als Priester und auch als Bischöfe haben.

Susanne Sturm