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Interview

Johnny Rotten über Trump und Helene Fischer

Johnny Rotten über Trump und Helene Fischer
Getty Images

Bei Arte präsentiert der Ex-"Sex Pistol" den "Summer of Fish 'n' Chips". Wir haben mit ihm über Musik, den Brexit und Donald Trump gesprochen.

Sie sind so zartfühlend wie eine abgesägte Schrotflinte", schrieb der "Record Mirror" im Dezem­ber 1976 über eine Band, die so aussah und sich so anhörte wie keine zuvor - überwältigend und beunru­higend. Hinterm Mikroständer hing ein Typ, der das Publikum mit spöt­tisch­-zynischem Blick aus glasigen Augen herausforderte: Johnny Rot­ ten von den Sex Pistols.

Ab dem 14. Juli ist der Pop-­Provoka­teur, der eigentlich John Lydon heißt und nach dem frühen Aus der Sex Pistols 1978 die Band Public Image Ltd. (PiL) gründete, mit der er noch sporadisch auf Tour geht, Gastgeber des Pop­ Sommers auf Arte. Nach Iggy Pop, der zuletzt durch den "Summer of Scandals" führte, präsentiert Rotten nun an sechs Wochenenden ein Pro­gramm mit Musik, Kino und Life­ style, das den enormen Output Groß­britanniens in puncto Popkultur zum Ausdruck bringt. Der 61-Jährige, der heute mit seiner deutschen Frau Nora in Malibu residiert, beweist in den Arte-­Clips bissigen britischen Humor à la Monty Python. Auch im Inter­view ist er gut aufgelegt, dabei offen und nachdenklich.
Sie leben heute im sonnigen Kalifornien, aber wenn es um Musik geht, heißt es "Britain first", oder?

Nein, ich höre alles, egal, was es ist, vorurteilsfrei. Ich bin in einem multi­kulturellen Umfeld groß geworden, das hat mich geprägt. Okay, bei Tra­ditional Jazz aus New Orleans wird's schwierig. Das klingt wie das Gehupe zur Rushhour in Paris. (lacht)

Den Siegeszug des "United Kingdom of Pop" haben Sie zwischenzeitlich selbst mit angeführt.

Der Film "Radio Rock Revolution" (16.7. 20.15) bringt auf den Punkt, wie alles an­ fing. Als ich jung war, lief nur schreck­liche Walzermusik im Radio. Als die BBC dann DJs vom Piratensender Caroline engagierte, änderte sich al­les. Plötzlich war die Musik lebendig und spannend. Es gab keinen speziel­len Stil, alles war möglich, wenn es wild und verrückt war. Dann kamen die Beatles. Die BBC spielte "Sgt. Pepper's" nachmittags, was wirklich erstaunlich war. Tatsächlich wurde die Revolution vom Radio ausgelöst.

Aber warum passierte das alles ausgerechnet in England?

Die Briten haben einen Sinn für Identität und Individualität. Das sieht man ja an mir. Es gibt wohl keine zwei Ortschaften, in denen sich die Leute nach derselben Art kleiden. Es wird nie langweilig, auch weil sich die Inselkultur durch Einwanderer ständig verändert. Das fin­det Eingang in die Musik und erwei­tert den kulturellen Horizont. Curry zum Beispiel ist heute mindestens ebenso englisch wie indisch.
Pink Floyd und Nirvana
Foto: Getty Images, John Jydon als er noch Johnny Rotten hieß
Welche kulturellen Spezialitäten hält der Pop­Sommer auf Arte bereit?

Mein absoluter Lieblingsfilm auf der Arte­-Liste ist "Peeping Tom - Augen der Angst". Der war damals auf dem Index, ein wirklich Furcht einflößen­der Horrorfilm, der mich da­mals wie heute fasziniert.

Und was können Sie in puncto Musik­doku bzw. Konzert empfehlen?


Hmm, ich habe mich gefreut, Joe Cocker wiederzusehen. Ich liebe, wie er auf dem Album "Live at Fillmore East" ein paar Songklassikern wie "The Letter" seinen weißen Soul ver­ leiht. Eigentlich finde ich Reibeisen­ stimmen ganz furchtbar. Aber wie er das da macht, das hat was.

Doch bei Pink Floyd ist Schluss. Sie hatten sich damals "I hate" (Ich hasse) auf ein T-­Shirt der Band gesprüht.

Alle denken, ich hasse die, was ich nie getan habe. Die Leute nehmen immer alles wörtlich. Ich habe das Shirt getragen, um zu provozieren. Okay, ich mochte deren Wichtig­tuerei und Ideologie nicht, aber das Experimentelle in deren Musik war immer spannend.

Das klingt jetzt aber doch sehr zahm für einen Sex Pistol.


Man muss nicht alles mögen, was jemand macht, manchmal findet man nur eine Sache, die einem auf­fällt. Depeche Mode zählen weiß Gott nicht zu meinen Lieblingen, aber als sie die Single "Personal Jesus" rausbrachten, war ich hellauf begeis­tert. Das war atemberaubend, abso­lut ergreifend, relevant und clever. Wie auch bei Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" - alles, was du brauchst, ist dieser eine Song.

Oder wie bei den Sex Pistols. Ihre Karriere als Johnny Rotten dauerte gerade mal zwei Jahre.

Es war mein erster Schritt in die Popwelt. Als ich aus der Wiege auf die Bühne fiel, gab es einen gewaltigen Aufschrei: Was für ein böses, hässliches Baby! (lacht)

Das allerdings einen enormen Einfluss auf eine ganze Genera­tion hatte - und auf die Musik bis heute hat.


Stimmt, auch wenn viele meinen, es wäre ihre Erfindung. So etwas pas­siert instinktiv, wenn es nötig ist. Nie­ mand sollte glauben, "working class people" vorschreiben zu können, was sie zu denken haben. Das funktioniert nicht. Wir hören nicht zu. (lacht)
Donald Trump und Helene Fischer
Viele Ihrer Fans hierzulande hat es irritiert, dass Sie sich positiv zu Brexit und US-­Präsident Trump geäußert haben. Eine Punkattitüde?

Das ist lächerlich und stimmt nicht. Ich war nie für den Brexit. Aber ich akzeptiere das Votum der Wähler weil wir in einer Demokratie leben. Sie haben entschieden, und ich hoffe, dass sie richtig entschieden haben. Bei Trump bin ich der Meinung, dass mit dem etwas nicht in Ordnung ist, was man un­tersuchen sollte. Aber ich will auch keinen Unsinn hören, wie "der ist ein Rassist"! Dafür gibt es keinen Beweis, und so etwas lenkt von eventu­ellen tatsächlichen Ver­fehlungen ab. Man sollte sich mal um geschäftliche Verwicklungen und Korruptions­vorwürfe kümmern.

Wie entstehen solche Gerüchte?

Unglücklicherweise habe ich auch mit Medien zu tun, die mit schnellen Schlagzeilen ein etwas einfacheres Publikum unterhalten wollen. Mich interessiert mehr als die Ober­fläche, ich habe selbst bei Margaret Thatcher nach dem Guten gesucht. Nicht dass da etwas gewesen wäre Aber ich habe es nicht aus­geschlossen. (lacht) Dasselbe mit dem Königshaus: Ich liebe den Pomp, würde das Geld aber lieber für Wichtigeres ausgeben. Deswegen bin ich doch kein Royalist?! In der moder­nen Mediengesellschaft muss man sich schnell und komplett für eine Seite entscheiden und darf nicht auf die andere schauen. Das ist manipulativ und vergiftet die Gesellschaft. Man sollte sich einen
Sinn für Empathie erhalten.

Schauen Sie eigentlich den Eurovision Song Contest im Fernsehen?

Nein, da habe ich Glück, dass ich in Amerika lebe. Vielleicht war das insge­heim der Grund, England zu verlassen... Ich glaube, ja, das war es.

Weil das Mutterland des Pop da oft nicht viel besser abschneidet als Deutschland?

Ich habe den Rückfall nie verstanden. Vielleicht hat man sich dem deut­schen Schlager zu sehr angenähert. So kann man nichts gewinnen.

Wir haben da jetzt jemanden, einen Millionenseller: Helene Fischer.

Es tut mir wirklich leid, aber das ist die zweite Art von Musik, die ich hasse (lacht)
Interview: Heiko Schulze