Til Schweiger zieht das Aufnahmegerät beim Interview in seinem Hamburger Deli noch ein Stück näher zu sich heran – es ist ihm wichtig, verstanden zu werden, im doppelten Sinne.

Vor vier Jahren war seine vielfach ausgezeichnete Tragikomödie "Honig im Kopf" der erfolgreichste Film im deutschen Kino, mehr als sieben Millionen Zuschauer sahen die berührende Alzheimergeschichte mit Ex- Fernsehulknudel Dieter Hallervorden, der dafür etliche Auszeichnungen, so etwa den Ernst-Lubitsch-Preis bekam.

Das Remake für den englischsprachigen Markt drehte Schweiger dann selbst, das Hollywoodstudio Warner Brothers brachte es im November in vier US-Kinos in New York und Los Angeles. Dann platzte die Bombe: drei Filmkritiker, darunter von der ­renommierten "New York Times", verrissen den Film gnadenlos ("so lustig wie eine Wurzel­­kanalbehandlung ohne Betäubung"), dankbar aufgegriffen von deutschen Medien, die süffisant Schweigers Untergang in Hollywood vermeldeten. Der zeigte trotzdem seinen Film Ende Januar in Hamburg der Presse und sich selbst später durchaus gesprächsbereit.

"Das waren Exekutionen": Til Schweiger über die US-Kritiken

Wieso wolltest du unbedingt dieses Remake machen?
Til Schweiger: Ich hätte mir früher nie vorstellen können, ­einen Film noch mal zu drehen, teilweise Bild für Bild. Aber wenn der Film dir so wichtig ist und du dafür sorgen willst, dass er seinen Geist behalten und möglichst wenig amerikanisiert werden soll, dann geht's nur auf diese Art. Das ist so eine tolle Geschichte, die ich unbedingt nochmal international erzählen wollte.

Was erwartest du nach dem Rummel um die Verrisse und den angeblichen Flop in den USA vom Kinostart in Deutschland?
Ich bin kein Prophet. Schlechte Presse bin ich gewohnt. Aber ­dieses Abfeiern der drei schlechten Kritiken hierzulande hat selbst mich überrascht, obwohl ich es vorhergesagt habe. Das hat sicherlich dem Film nicht geholfen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass es Leute gibt, die sagen: Wir kennen das Original und können uns ­eigentlich nicht vorstellen, dass der Til erst einen so einfühlsamen Film macht und dann plötzlich einen richtig gemeinen, der sich über die Kranken lustig macht, wie die Amerikaner behaupten.

Damit meinst du die Filmkritiken, die in den USA erschienen?
Genau, in der "New York Times" und "LA Times", das sind natürlich schon Meinungsführer. Aber wenn man die Texte genau liest, sind das ja keine Filmkritiken, das sind Exekutionen. Da haben sich drei Leute hingesetzt und überlegt: Wie kann ich dem Film den größtmöglichen Schaden ­zufügen? Also behaupten sie, der Film mache sich über die Krankheit lustig. Was der Film ja gar nicht tut. Insofern ist das einfach eine Behauptung, um den Film gezielt zu beschädigen.

Warum? Was steckt dahinter?
Ich kann's nur vermuten, aber lassen wir das…

Warum ist er dann dort überhaupt im November gestartet? Um sich für die großen Filmpreise zu qualifizieren?
Das Tragische ist, dass ich mir das selbst gewünscht habe. Wir alle haben gedacht, dass Nick eine realistische Chance auf eine Nominierung hat. Aber dafür musst du eine Kampagne starten, für die Globes, wie auch für die Oscars. Die gab es leider nicht. Punkt.

Eure Hoffnung war also, dass Nick Nolte nominiert wird?
Wir hatten ganz tolle Reaktionen auf dem Filmfestival in Valladolid bei ­Madrid, wo der Film lief. Da gab es übrigens auch einen Artikel im Branchenmagazin "Hollywood Reporter", worin stand, Nick Noltes Performance sei potenziell Oscar-verdächtig.

Wie lange lief der Film in den US-Kinos?
Genau eine Woche in vier Kinos. Die Zahlen waren ordentlich, aber nicht gut genug. Was hier ja kolportiert wurde, ein Einspiel von soundsovieltausend, muss man natürlich im Verhältnis ­sehen zu Filmen, die mit zweitausend Kinokopien und großem Marketingaufwand starten. Hätten wir "Honig im Kopf" ohne Werbung in vier Kinos in Deutschland gezeigt, und keiner hätte gewusst, dass es den Film gibt, das Ergebnis wäre auch nicht viel besser gewesen, da bin ich mir sicher.

Trotzdem fragen viele, warum ein Film mit sieben Millionen Besuchern noch einmal mit anderer Besetzung ins Kino kommt.
Warum nicht? (lacht) Ich kann mir vorstellen, dass Menschen ­sagen: Jetzt will ich aber auch sehen, wie der Nick Nolte das spielt. Ich hab den Film nicht in erster Linie für Deutschland gemacht und auch nicht für Amerika, ich hab ihn eigentlich für die Welt gemacht. Ich seh ihn auch eher europäisch als amerikanisch, mehr in der Tradition von "Ziemlich beste Freunde" als "Hangover".

Die US-Kritiken stellen ja die Story grundsätzlich infrage: Ein kleines Mädchen, das ganz allein unterwegs ist mit dem verwirrten Großvater, das geht doch gar nicht. Diese Kritik träfe ja aber auch auf "Honig im Kopf" zu.
Dann sage ich, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein ­Cyborg – State of the art, aber mit Ösi-Akzent – aus der Zukunft kommt, um die Gegenwart zu verändern: "Terminator 2", einer der groß­artigsten Action­filme aller Zeiten. So kann man jeden Film ­auseinandernehmen. Ich habe ja auch nie behauptet, dass ich eine Dokumentation mache, sondern einen Kinofilm. Und ein Kinofilm ist ein Märchen. Wobei: Jede ­Geschichte, die dem Opa widerfährt, hat es im realen Leben ­gegeben. Es ist nicht eine Szene ausgedacht. Das Geilste war: Der "LA Times"-­Kritiker sagte später, der deutsche Film sei genauso scheiße, habe aber einen entscheidenden Vorteil, weil der Hauptdarsteller besser spiele als Nick Nolte. Da hab ich nur gedacht: Okay, checkt ihr's noch?

Für Noltes Tochter Sophia war es die erste Kinorolle, und dann hatte sie gleich eine Szene mit ihrem Vater, der im Sarg liegt. Wie hat sie das verkraftet?
Bei Sophia konntest du sehen, wie sie sukzessive immer besser wurde. Die Szene am Sarg fand tatsächlich am ersten Drehtag statt. Aber damit hat sie sich nicht so schwergetan wie später, als sie Nick nur einen Kuss geben sollte. Das war ihr peinlich.

Und der Oscar?
Es hat mich noch nie so interessiert, wer einen Oscar gewinnt.