Sie lacht gern und laut. Victoria Sordo kann ihre mexikanischen Wurzeln nicht verbergen, auch wenn sie in Berlin geboren wurde. Man kennt ihr Gesicht aus vielen Filmen, vor allem denen von Dominik Graf, der sie zuletzt für "Die Zielfahnder - Flucht in die Karpaten" engagierte. In seinem neuen Fernsehfilm "Am Abend aller Tage" spielt die 31-Jährige ihre erste Hauptrolle: die radikale Künstlerin Alma.

Was ist Alma für eine Person?

Victoria Sordo: Es ist gar nicht so einfach, sie auf einen Begriff zu bringen. Sie ist einerseits ein scheuer und etwas misstrauischer Mensch, der isoliert lebt, andererseits ist sie aber auch voller Hingabe für ihre Kunst, da gibt es für sie keine Kompromisse. Aus Geld macht sie sich nichts, sie strebt auch keine Karriere an, sondern jobbt in einer Großwäscherei.

Almas Kunst ist speziell.

Sie malt mit organischen Stoffen, die zerfallen. Wichtig ist für den Film, dass ihre Arbeiten nicht konserviert werden können. Sie sind deshalb für Sammler uninteressant. Sie macht auch Perfor- mancekunst, ohne sie zu dokumentieren.

Haben Sie sich von einer lebenden Künstlerin inspi­rieren lassen?

Nein, aber von einer toten. Von Ana Mendieta, einer kubanischen Künstlerin, die 1985 nach einem Sturz aus einem New Yorker Hochhaus starb. Ihr Mann, der berühmte Bildhauer Carl Andre, wurde des Mordes angeklagt, aber freigesprochen.

Gibt es Videos von ihr?

Ana hat sich für eine Werkreihe im Schlamm gewälzt und damit Bilder geschaffen. Wir dachten uns, das passt perfekt zu Alma, denn es ist das genaue Gegenteil vom Verhalten ihres Großonkels, der Sammler ist und alles behalten will und der Angst hat, jemand könnte die Bilder schädigen.

Können Sie nachvoll­ ziehen, dass jemand von Kunst besessen ist?

Ja, schon. Als Jugendliche war ich völlig fasziniert von Hermann Nitsch und seinen Blutbildern, wahrscheinlich auch, weil das so provozierend war. Es gibt im Film eine Traumsequenz, für die haben wir Honig mit Farbe gemischt, das sah aus wie Blut. Ab und an male ich auch selbst, allerdings anders als im Film.

Wie haben Sie sich auf den Dreh vorbereitet?

Ich habe mich sowohl mit den "Aspern-Schriften" von Henry James beschäftigt, an denen unsere Story angelehnt ist, als auch mit dem Fall Gurlitt, weil mein Großonkel im Film auch so ein Sonderling und Sammler ist. Und ich habe mich immer wieder gefragt, was meine Figur ausmacht. Im Film fällt ein Satz von Alma "Man sucht sich ja nicht aus, was man macht, es ist eher umgekehrt": Inwiewieweit sind wir in unseren Familienstrukturen festgelegt, und kann man aus ihnen wirklich ausbrechen?

Sind Malerei und Schau­ spielerei ähnlich, weil bei­de Hingabe verlangen?

Ich glaube schon. Bei beiden steckt man Seele hinein. Ich fand es großartig, dass ich so eine Künstlerin mal spielen durfte.

Sie haben schon mehr­mals mit Dominik Graf gearbeitet, für viele der beste Fernsehfilmregis­seur Deutschlands. Wie haben Sie ihn bei den Dreharbeiten erlebt?

Dominik ist sehr offen für neue Eindrücke ist. Beim Dreh lässt er seiner Kreativität freien Lauf. Man macht als Schauspieler einen Vorschlag, den greift er auf, aber am Ende wird daraus etwas anderes, Unerwartetes. Ich hatte diese Künstlerin Ana Mendieta entdeckt, und er nahm das auf und sagte, wir bauen eine Performance in den Film ein. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht, und im Drehbuch stand natürlich auch nichts dergleichen.

Hatten Sie nach dem Dreh einen Eindruck davon, wie der Film am Ende aussieht?

Überhaupt nicht. Dominik macht vieles im Schneideraum, und da weiß man nie, welche Takes in welcher Reihenfolge im fertigen Film zu sehen sind noch was für eine Stimmung der Film später erzeugen wird.

Graf arbeitet gern mit denselben Schauspielern zusammen. Gibt es eine Graf­-Family?

So könnte man das nennen. Dominik dreht gern mit Leuten, mit denen er gut zusammengearbeitet hat, das gilt auch die Crew: von dem Szenenbildner, der die Kunst im Film kreiert, bis hin zur Maskenbildnerin und den Filmmusikern. Er hat auch einen sehr trockenen Humor. Wir haben während des Drehs viel gelacht.

Interview:
Rainer Unruh