.

Benedict Cumberbatch

The Imitation Game: Popikone Alan Turing

The Imitation Game: Popikone Alan Turing
Benedict Cumberbatch in "The Imitation Game" Square One Entertainment

Im Thrillerdrama "The Imitation Game" setzt Benedict Cumberbatch dem tragischen Computerpionier ein Denkmal - nicht das erste!

Der Ozean ist eine Turing-Maschine", heißt es in Neal Stephensons Roman "Cryptonomicon". Vielleicht die poetischste Huldigung an den britischen Mathematiker, Kryptologen und Informatikpionier Alan Turing (1912-1954). Mit einer Maschine, die endlose Wellen von Zeichenkombinationen produzierte, knackte er 1941 den Code des deutschen Chiffriergeräts Enigma und damit die Funksprüche der Nazi-U-Boote.

Im Film "The Imitation Game" spielt Benedict "Sherlock" Cumberbatch das eigenwillige Genie. "Turing war erst 27, frisch raus aus Cambridge, als man ihm diese Geheimnisse und diese irre Verantwortung aufdrückte", sagt Regisseur Morten Tyldum. "Er muss sich gefühlt haben wie in einem Spionagethriller." Ohne Turing und sein Team - die auf der Vorarbeit polnischer Kryptologen aufbauten - hätte der Zweite Weltkrieg deutlich länger gedauert.

Das Vereinigte Königreich dankte es dem Patrioten schlecht: 1952 wurde der heimlich schwule Turing wegen "grober Unzucht" verurteilt, als seine Liaison mit dem 19-jährigen Arnold Murray ans Licht kam. Vor die Wahl gestellt zwischen Gefängnis und "The- rapie", wählte Turing letztere - eine Hormonbehandlung, durch die ihm Brüste wuchsen und die ihn depressiv machte. Zwei Jahre später starb er mit 41 an einer Zyanidvergiftung. Angeb- lich tötete Turing, ein großer Fan von Disneys "Schneewittchen", sich mit einem giftgetränkten Apfel. Ähnliches tut die Hexe der Prinzessin im Trick film an. "Wir haben eine Szene mit dem toten Turing und dem Apfel gedreht", sagt Tyldum, "sie kam uns aber wie Apple-Werbung vor." Hartnäckig hält sich nämlich das Gerücht, Turings Apfel hätte das Apple-Logo inspiriert.
Unerfüllte Liebe zum Schulfreund
Foto: Square One Entertainment
Kritiker warfen "The Imitation Game" vor, Turings Schwulsein allzu zurückhaltend zu schildern. "Aber man erweist schwulen Personen doch einen Bärendienst, wenn man sie vor allem über ihr Homosexualität definiert!", ärgert sich Tyldum. Zudem sei Turing ein Mensch gewesen, dem Privatheit und Geheimnisse über alles gingen.

Auch der Vorwurf, sein Film sei historisch ungenau, greift für Tyldum ins Leere. So nannte Turing seine Anti-Enigma-Maschine in Wahrheit zwar die "Bombe" und nicht wie im Film "Christopher". Im Kern sei "The Imitation Game" aber die Geschichte von Alans unerfüllter Liebe zum Schulfreund Christopher Morcom: "Er war davon besessen, ein Bewusstsein zu erschaffen, etwas zu rekonstruieren, das er verloren hatte. Darum haben wir der Maschine so viele rote Kabel verpasst: als Adern eines lebenden Organismus."
Turing in der Popkultur
Foto: Square One Entertainment
Tatsächlich zählt Turing zu den wichtigsten Vordenkern der künstlichen Intelligenz. Lange bevor sich Premierminister Gordon Brown 2009 für die "entsetzliche Behandlung" entschuldigte und die Queen 2013 Turing posthum begnadigte, avancierte der Visionär zum Liebling der Nerds und Geeks.

Seit 1966 wird der Turing Award verliehen, der "Nobelpreis der Informatik". Zudem taucht Turing nicht nur im erwähnten Hacker-Kultbuch "Cryptonomicon" (1999) auf. In William Gibsons Klassiker "Neuromancer" (1984) heißt die Polizei des Cyberspace einfach "Turing", und Rudy Rucker erfindet im schrägen "Turing & Burroughs" (2012) eine Romanze mit dem bisexuellen "Naked Lunch"- Autor. 1995 ersetzte ihn Robert Harris im Thrillerbestseller "Enigma" - 2001 verfilmt - allerdings durch den markigen Heterohelden Tom Jerichow.

Umso wichtiger scheint die jüngste Würdigung: Ähnlich wie Turing wurden etwa 65 000 Schwule aufgrund der bis in die Achtzigerjahre geltenden Gesetze verurteilt, doch Anfang 2017 erließen Parlament und Krone eine Amnestie für "homosexuelle Handlungen" im gegenseitigen Einvernehmen bei Personen über 18 - das sogenannte Turing Law.
Autor: Roland Kruse