"Sonntagabend ist Krimizeit bei uns im Ersten", erklärt Ralf Scholt. Übersetzt heißt das: Es soll spannend werden, schließlich wird der "schnellste Mann der Welt" gesucht. Die üblichen Verdächtigen sind die US-Boys Noah Lyles und Kenny Bednarek, Kishane Thompson aus Jamaika, irgendwie auch der italienische Titelverteidiger Marcell Jacobs.
Hauptkommissar Willi Hark hat einen weiteren Mann im Visier: Thompsons Landsmann Oblique Seville. So viel sei vorweggenommen, der "Leichtfüßige, der Elegante" (O-Ton Hark) wird am Ende Achter. Ach, was soll's, Leitmayer und Batic liegen ja auch nicht immer auf Anhieb richtig.
Das lange Warten auf den kurzen Sprint
Die Frage des Abends lautet also: "Wo waren Sie zwischen 21.55 Uhr und 21.55.10 Uhr?". Na, auf der lila Tartanbahn, wo denn sonst? Während die acht Läufer vor den Star(t)-Blöcken mit den Stollen scharren, werden sie vom Stadion-DJ liebevoll mit einem meditativen Synthie-Soundteppich zugedeckt. "Wunderschöne Inszenierung", lobt Hark. Ob die Sprinter der gleichen Meinung sind? Jedenfalls ist diese Inszenierung lang. Sehr, sehr lang. Eigentlich zu lang. Findet auch Frank Busemann. "Diese Show hätte den Showmaker fast zerstört!", sagt er. Und meint damit Noah "The Showman" Lyles, der mit ungefähr einem Brusthaar Vorsprung im Foto-Finish die Goldmedaille holt. "Je länger die Musik dauerte, desto schlechtere Laune kriegte der. Die hätte keine zwei Takte länger dauern dürfen."
Ist halt auch blöd für die Veranstalter, wenn der Höhepunkt der Leichtathletik gerade einmal 9,79 Sekunden dauert. Da muss man den Einmarsch der Läufer schon ein bisschen strecken, damit das Publikum auf seine Kosten kommt. Nützliche Information am Rande: Wer ein 100-Meter-Rennen im linearen Fernsehen verfolgt, erlebt den Start mit etwa zehnsekündiger Zeitverzögerung gegenüber dem Live-Stream im Internet. Sollte also jemand vorm TV zum Beispiel Marcell Jacobs angefeuert haben, dann weiß der- oder diejenige jetzt, warum es nichts genutzt hat.
Ethan Katzberg: Spektakuläres Hammerwerfen und ungewohnter Look
Natürlich gibt es auch noch andere Highlights an diesem Abend. Zum Beispiel das Hammerwerfen der Herren. Der Kanadier Ethan Katzberg schleudert die Kugel am Draht (die übrigens ohne Draht so viel wiegt wie die Kugelstoßkugel - also 80 französische Croissants) nicht nur spektakulär weit, er sieht auch spektakulär aus: wie eine Mischung aus Rapunzel und einem 70er-Jahre-Schmuddelfilmdarsteller. Zwischen zwei Würfen findet der Teufelskerl sogar noch Zeit, Landsmann Charles Philibert-Thiboutot bei seinem 1.500-Meter-Halbfinale anzutreiben. Der verpasst das Finale trotzdem. (Genau wie Robert Farken.)
Alexander Bommes weint "Tränen der echten Freude" bei Djokovics Olympiasieg
Im Hochsprung der Damen siegt die Ukrainerin Yaroslava Mahuchikh vor der Australierin Nicola Olyslagers. Letztere sieht man kaum einmal ohne ihr Notizbuch (hat im Gegensatz zu Frank Busemann noch keine App) und auch nicht ohne ihr beseeltes Lächeln. Weshalb Willi Hark sicher ist, die Australierin sei über Rang zwei "absolut happy". Faszinierend, welchen Einblick die Kommentatoren in die Sportlerseele haben.
Alexander Bommes ging Novak Djokovics Freude über den langersehnten Olympiasieg sogar so ans Herz, dass in der ARD Tränen flossen: "Boah, schwerer Tag heute", musste sich Bommes erst einmal sammeln, um dann Esther Sedlaczek und dem Publikum zu erklären: "Weißt du, warum mich das so berührt heute? Novak Djokovic hat bei seinen Turniersiegen immer aus Genugtuung so einen aggressiven Jubel gehabt. Weil er immer geliebt werden wollte. Der hat noch nie so gejubelt wie heute. Das war echte Freude, das waren Tränen. Vorher war es immer nach dem Motto: Ich hab's euch allen gezeigt."
Den krassesten Kennerblick, nämlich in die Pferdeseele, hat natürlich Carsten Sostmeier. Der Reitsport-Experte meint sogar, beim Gold-Ritt von Jessica von Bredow-Werndl auf Dalera, "im Gesicht der Stute ein Lächeln zu erkennen". Dem Tier bleibt ja auch schwerlich etwas anders übrig, als die Mundwinkel nach oben zu ziehen, mit so viel Metall im Maul.
Deutsche Hockey-Herren triumphieren nach VAR-Drama gegen Argentinien
Einen echten Krimi liefern an diesem Abend in Colombes die deutschen Hockey-Herren ab. Im Viertelfinale setzen sie sich trotz einiger merkwürdiger Schiedsrichter-Entscheidungen mit 3:2 gegen Argentinien durch. In bester "Columbo"-Manier hat der Referee aber nach dem Schlusspfiff noch eine Frage. Deshalb müssen Justus Weigand und Co. einen letzten VAR-Entscheid überstehen, bevor sie dann doch richtig jubeln dürfen.
Hockey wird nebenbei bemerkt im Stade Olympique Yves-du-Manoir gespielt, dem mit Sicherheit hässlichsten Austragungsort dieser Spiele. Aber eine hässliche Umgebung bringt ja oft die packendsten Krimis hervor. An dieser Stelle schöne Grüße an die TV-Ermittler aus Dortmund. Übrigens, für alle, die es interessiert: Die "Tatort"-Sommerpause ist voraussichtlich am 15. September vorbei.
Das Original zu diesem Beitrag "Alexander Bommes zeigt sich emotional: "Schwerer Tag" lässt Tränen fließen" stammt von "Teleschau".