Es gibt da ein kleines Fan-Interview auf YouTube von 2011, da verkündet ein adretter Milchbubi ebenso selbstbewusst wie ungeschützt: "Ich möchte Schauspieler werden und tue alles dafür." Da hatte Louis Hofmann gerade "Tom Sawyer" abgedreht, seine allererste Hauptrolle. Er spielte sie scheinbar naiv, wie ein neuer Michel aus Lönneberga, aber der Eindruck täuschte. Denn der Teenager, der immer eine Spur jünger wirkt, als er wirklich ist, trug schon damals diese unbedingte Entschlossenheit in sich, die den Erfolg meist erst möglich macht.
Die Kamera liebt ihn
Inzwischen hat Hofmann den Übergang vom Kinderstar zum ernsthaften Darsteller geschafft. Stationen einer Karriere: 2015 baut er sein Abi und dreht "Freistatt", ein aufrüttelndes Drama über skandalöse Zustände in einem Fürsorgeheim Ende der Sechzigerjahre. Er spielt physisch und charismatisch, die Kamera ist sichtlich verliebt in ihn. Der Nachwuchsdarsteller gewinnt den Bayerischen Filmpreis. Im selben Jahr verkörpert er einen blut- jungen deutschen Kriegsgefangenen, der in Dänemark unter Lebensgefahr Minen ausbuddeln muss - das erschütternde Kammerspiel "Unter dem Sand" spielt in einer Liga mit "Die Brücke" und ist aktuell Dänemarks Kandidat für den Auslands-Oscar. In langen, ruhigen Szenen beeindruckt der Rheinländer erneut mit natürlicher Präsenz und gekonntem Underacting. Sein eben- mäßiges Gesicht ist eine ideale Projektionsfläche für Emotionen, die er nuanciert bedient. Als großes Vorbild gibt der Sohn einer Schauspieldozentin übrigens Tom Schilling an: "Er hat so ein feines Spiel, ich könnte jede seiner Zuckungen aufsaugen."
In einer Reihe mit großen Namen
Als Nächstes folgte eine unerwartet fiese Nebenrolle im TV-Schocker "Das weiße Kaninchen" (2016). Anders als man denken könnte, verbindet Hofmann damit kein Statement. Er nimmt die Rollen, wie sie kommen, das ist sein Selbstverständnis als Schauspieler. Dafür tut er alles, sei es von Köln nach Berlin ziehen oder einen Jungen küssen. Das war die Herausforderung in seinem jüngsten Werk "Die Mitte der Welt", einem feinfühligen Film über das Erwachsenwerden. Er bereitete sich wie immer akribisch darauf vor und überzeugte wie gewohnt. Trotz guter Kritiken und einem schwärmerischen Echo in der Schwulenszene ging der Film in der Vorweihnachtszeit etwas unter. Dennoch erwartet die Branche, dass Hofmann nun nicht nur künstlerisch, sondern auch kommerziell durchstartet: Soeben wurde er zum European Shooting Star gewählt, wie vor ihm schon Alexander Fehling, David Kross, Maximilian Brückner, Max Riemelt, Daniel Brühl, Benno Fürmann, August Diehl, Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu. Mit Letzterem hat er soeben die Komödie "Lammbock 2" abgedreht. Und erzählt zum Allstar-Cast der ersten deutschen Serie des US-Streamingsenders Netflix: Die zehnteilige Familienserie "Dark" wird gerade in Berlin gedreht.
Kai Nungesser
Kai Nungesser