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"Meine größte Zeit ist jetzt!": TV-Legende Ilja Richter 40 Jahre nach "disco"

disco-Moderator: Was macht eigentlich Ilja Richter?
"disco"-Moderator: Was macht eigentlich Ilja Richter? ZDF / Fred Lindinger

Mit nicht einmal 20 wurde er zum TV-Star: Von 1971 bis 1982 moderierte Ilja Richter die legendäre ZDF-Musikshow "disco". Am 24. November feierte das Multitalent seinen 70. Geburtstag - und blickte kritisch zurück und gerne nach vorn.

Foto: Tele 5 / Lisa Film, 'disco'-Moderator: Was macht eigentlich Ilja Richter?

Damals, am 13. Februar 1971, staunte das TV-Publikum sicher nicht schlecht: Da kam ein steif wirkender junger Mann mit Anzug und Krawatte daher und rief: "Einen wunderschönen guten Abend, meine Damen und Herren!" Um sich mit einem für damalige Verhältnisse provokativ jugendlichen "Hallo Freunde!" aufs Schelmischste selbst zu kontern. Ilja Richter ging als damals jüngster deutscher Moderator mit seiner Musik-Show "disco" im ZDF auf Sendung und avancierte rasend schnell zu Deutschlands erstem wirklichen Popstar.

Heute blickt der einstige Publikumsliebling durchaus kritisch auf die Zeit zurück - auch wenn ihn Menschen heute noch mit seinem berühmten "disco"-Ausruf: "Licht aus - Spot an!" verbinden: Jetzt, da er selbst 70 werde, werde er die 70er-Jahre nicht glorifizieren, erklärte er jüngst in einem Interview im NDR-Magazin "Das!": "Aber ich lasse den Menschen gerne die Erinnerungen daran." Er lebe hingegen lieber in der Gegenwart: "Meine große Zeit ist jetzt!", sagt Richter, der sich heute nicht mehr auf der großen TV-Bühne bewegt, aber immer noch gerne sein Publikum unterhält.

Foto: ZDF / Erich Windprechtiger

Selbstkritisch gegenüber "disco"-Zeit

Seine ersten Auftritte als Unterhalter hatte der am 24. November 1952 in Ost-Berlin geborene Richter noch als Kind in der Kneipe seiner Eltern, zu seinem ersten Vorsprechen brachte ihn seine Mutter, eine ehemalige Schauspielerin, ebenfalls schon früh: Bereits mit acht Jahren engagierte ihn der Radiosender RIAS als Sprecher und Sänger. Im Jahr darauf feierte Richter im Theaterstück "Belvedere" seine Bühnenpremiere und wurde bald auch für Film und Fernsehen entdeckt: 1967 spielte er in der ZDF-Serie "Till, der Junge von nebenan" eine der Hauptrollen, 1970/71 war er in nicht weniger als zehn (!) "Pauker"-Filmen ("Unsere Pauker gehen in die Luft") und Schlager-Klamotten ("Tante Trude aus Buxtehude") zu sehen,

Zum Star machte ihn dann aber "disco" - die auch dank ihm zum TV-Straßenfeger wurde. Sein steifes, britisches Aussehen, seine lockeren Sprüche, dazu absurde Sketche und Parodien, in denen er die Hauptrolle spielte - als Moderator setzte er sich zwischen alle Genres, Stühle und Generationen. Vor Jahren sagte er im ZDF-Talk von Johannes B. Kerner, dass er eben "keine Zeitfurie" gewesen sei: "Ich habe mich nicht darum geschert, was man tragen muss. Vor allen Dingen wollte ich nicht tragen, was die anderen tragen, nicht Jeans, nicht Batikhemden ... Sondern ich wollte ich sein. Ich wollte eigentlich ein kleiner Gentleman sein, so wie ich das in altmodischen Filmen gesehen hatte. Nur zufälligerweise betreute ich eine Popshow."

Obwohl die Popshow fast alle Geschmäcker zufriedenzustellen versuchte und fast alle Stars der 70er-Jahre in der "disco" auftraten, sieht Richter die Show und seine Rolle darin heute durchaus kritisch: Es sei "Zeit für eine Abbitte", schreibt er in seinem neuen Buch: "Denn Dummheit zu erkennen und sie dann auch noch zu präsentieren, war opportunistischer als die dummen Schlager selbst. Helene Fischer glaubt an das, was sie singt. Ich aber glaubte, man würde nicht merken, an was ich nicht glaubte."

Mit neuen Projekten unterhält er sein Publikum

Seit dem Ende der Kult-Sendung 1982 ist Richter zwar bis heute immer wieder in Serien- ("Drei Damen vom Grill", "Tatort", "Forsthaus Falkenau") und TV-Filmrollen ("Rosamunde Pilcher: Alte Herzen rosten nicht", "Alice im Weihnachtsland") zu sehen und ist auch als Synchron- und Hörbuchsprecher gefragt. Seine Leidenschaft galt aber vor allem dem Theater.

Auch als Autor machte sich Richter, der heute mit seiner Lebensgefährtin in Berlin-Pankow lebt, einen Namen: Für sein Buch "Du kannst nicht immer 60 sein. Mit einem Lächeln älter werden" erntete er 2013 gute Kritiken - auch weil er einen humorvollen, aber ehrlichen Blick auf das Thema warf. "Ich mache es mir nicht so leicht zu sagen, dass das Altern kein Problem ist", sagte er damals im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Ich tabuisiere es lediglich nicht. Und ich versuche das Alter nicht in meinem täglichen Bereich zu verbannen, indem ich mir etwa die grauen Haare färben würde."

Im September 2022 erschien sein neues Buch "Nehmen Sie's persönlich: Porträts von Menschen, die mich prägten". Dieses stellt er aktuell im Rahmen einer musikalischen Lesung vor, im nächten Jahr präsentiert Richter zudem seinen ersten Liederabend. Doch auch diese Projekte sollten nicht als (reine) Nostalgie verstanden werden: Er lebe sich heute gern "in der kleinen Form" aus, sagte er im "DAS!"-Interview. Solche Dinge wie das Buch, die Lesungen oder die Liederabende habe er sich damals "mit dem "Straßenfeger 'disco'" einfach nicht erlauben können.