Britt ist putt
Eine betrübliche Nachricht schockierte vor wenigen Tagen die Medienwelt: Sat.1 (der orientierungsgestörte Sender mit der gestreiften Pfefferminzkugel) gab bekannt, nach nur zwölf Jahren sein Kulturformat "Britt" endgültig zurück in die Mülltonne zu drücken, aus der er es einst gezogen hatten.
Nachdem eine ganze TV-Epoche lang sogenannte Daily Talk Shows die privaten Programme eitrig zusuppten wie schuppige Laberkrätze, verschwanden sie vor einigen Jahren fast vollständig vom Bildschirm. Nicht, weil man die Krankheit endlich losgeworden war, sondern einfach, weil sie sich finanziell nicht mehr lohnte. Auch wenn es lange Zeit als günstig und nur wenig anstrengend galt, täglich eine wilde Horde intelligenzresistenter Konversationsanfänger mit ihren persönlichen Problemen in der Gesprächsarena aufeinander-zuhetzen, so merkte man irgendwann durch die Entdeckung der "Scripted Reality", dass man die gleichen stinkenden Sendeplätze für noch viel weniger Geld und Mühe genau so sinnfrei voll-koten konnte.
So verschwanden Vera, Sonja, Bärbel und all die anderen Moderationskartenhalter nach und nach in der Versenkung. Nur der blondierte Brittstift blieb an seinem Sendeplatz kleben und war sich für keine Absurdität zu schade, von "XXL-Mama: Du bist zu fett, um eine gute Mutter zu sein!" bis hin zu "Von der Schule in den Kreißsaal: Deine Zukunft heißt Hartz 4!" Hier durfte sich jeder nach Herzenslaune selbst blamieren und demontieren, stets nach dem Motto "Brüllen und Anbrüllen lassen". Doch nun ist damit Schluss. Einfach so. Und Tausende verzweifelter Gesprächsprimaten fragen sich: Wo soll ich denn jetzt meine intimen Probleme zur Schau stellen? Und wo krieg ich sonst einen kostenlosen Vaterschaftstest?
Die einst so strahlende Daily-Talk-Sonne ist endgültig am Quotenhorizont untergegangen. Jedenfalls fast. Denn immer, wenn ein Thema bei den Privaten bis zum absoluten Overkill ausgelutscht, durchgenudelt und achtlos auf die Deponie geworfen wurde, greifen die Öffentlichen-Rechtlichen es auf und erklären die vorher vehement verachtete Sendeform zur neuen Chefsache. Weshalb uns die ehrliche Freude am überfälligen Abgang von "Britt" jetzt durch den angedrohten Start der täglichen Schnattershow mit der bis-herigen RTL-Bauernfrau-Sucherin Inka Bause im ZDF versaut wird.
Ja, richtig gelesen, kein Aprilscherz! Doch bevor Sie sich wundern: Nur 20 Jahre später auf ein totgerittenes Geisterpferd aufzuspringen, ist für das ZDF Höchstgeschwindigkeit! Und den Arsch des Faultiers mit dem Kopf zu verwechseln, wird erst dann unangenehm, wenn man ihm den ersten Kuss gibt.
Oliver Kalkofe
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