Wer bei den Liedtexten des Singer-Songwriters Joris (31) genau hinhört, könnte den Eindruck bekommen, ihn persönlich zu kennen. Der 31-Jährige scheint beim Singen das Herz auf der Zunge zu tragen. Seit er ein kleines Kind ist, schlummert großes Talent in ihm. Sein Hit "Herz über Kopf" verhalf ihm 2015 zu seinem großen Durchbruch. Aktuell macht sich der Sänger nicht nur mit seinem neuen Album "Willkommen Goodbye" einen Namen in der Musikbranche, sondern auch mit seiner Teilnahme an der beliebten Show "Sing meinen Song – Das Tauschkonzert".
Heute (27. April) wird der Fokus der beliebten Gesangssendung auf ihm liegen. Künstler wie Produzent DJ BoBo (52), Sängerin Stefanie Heinzmann (31) oder Sendungs-Gastgeber Johannes Oerding (38) geben ihre Interpretationen von Joris' Songs zum Besten. Der Abend scheint eine große Portion Lebensfreude zu versprechen, zeitgleich sind tiefgründige Gedanken nicht fern, wenn Joris in der Nähe ist. BUNTE.de hat in einem exklusiven Interview Einblick in die Welt des Songwriters bekommen.
Wie schafft es Joris, auch nach den schwersten Abschieden, an ein neues "Willkommen" zu denken? Wo finden sich auf seinem neuen Album Spuren seiner Kindheit, die durch die Trennung seiner Eltern geprägt war? Und was steht eigentlich auf der klassischen Einkaufsliste des Sängers? Singer-Songwriter Joris berichtet von einem Leben, über das nicht nur Lieder, sondern ganze Bücher geschrieben werden könnten.
Joris: "Alles im Leben läuft in gewisser Weise auf ein Ende zu"
BUNTE.de: Was war ein Höhepunkt bei der Produktion deines neuen Albums?
Joris: Ich habe gut drei Jahre an dieser Platte geschrieben. Ein Höhepunkt war, als wir vom letzten Festival im Tour-Bus saßen, zurückgefahren sind und "Nur die Musik" im Bus gesungen und aufgenommen haben. Mit dem Handy. Das haben wir dann auch auf dem Album verwendet. Ich hätte auf den anderen Platten nie Handyaufnahmen mit reingepackt.
Gab es bei der Arbeit zu deiner neuen Platte auch Tiefpunkte?
Die Schattenseite der Album-Produktion war die Arbeit im Lockdown. Sie war davon geprägt, dass ich auf einmal nicht im großen Studio mit anderen Musikern war und live aufgenommen habe, sondern, dass ich viel alleine geschrieben habe.
Dein Album trägt den Titel "Willkommen Goodbye". Wann lag bei dir beides nah beieinander?
Ich habe das Gefühl, dass Willkommen und Goodbye immer nah beieinander liegen. DJ BoBo hat bei "Sing meinen Song" gesagt, dass in dem Moment, wo man geboren wird, klar ist, dass man wieder gehen wird. Alles im Leben läuft in gewisser Weise auf ein Ende zu.
Wie gehst du mit diesem Wissen um?
Wir haben in der Hand, wie wir den Dingen begegnen. Ich gebe zu, gerade in der aktuellen Zeit fällt es mir oft nicht leicht, Abschieden mit einem Willkommen zu begegnen. Die letzten sieben Jahre haben für mich viel verändert. Weil ich gemerkt habe, ich komme nie da an, wo ich es mir vorher überlegt habe. Der Weg ist immer ein anderer, als ich ihn mir vorher gezeichnet hätte. Aber wenn man den Weg mit offenen Armen geht, dann ist es ein sehr schöner Weg.
Joris: "Ich habe Erfahrungen mit zerbrochener Liebe gemacht"
In "2017" verarbeitest du das Ende einer Beziehung. Wenn du in deinen Songs alte Wunden aufreißt, tut es beim Singen jedes Mal weh?
Es kommt darauf an, ob ich das 2017 gefragt werde oder jetzt 2021. Ich habe Erfahrungen mit zerbrochener Liebe gemacht. 2017 endete meine Langzeitbeziehung, mit der ich knapp acht Jahre zusammen war. Also schon vor meinem Karrierestart und bis in meine Karriere hinein. Uns hat sehr viel miteinander verbunden und wir haben viel zusammen erlebt. Irgendwann haben sich die Welten auseinandergelebt. Ich weiß mittlerweile, dass diese Dinge auch dazugehören und wir uns weiterentwickeln. So sehr es wehtut, warten immer auch neue, schöne Dinge auf einen.
Warum ist es dir wichtig, alte Geschehnisse wieder aufzuarbeiten?
Musik ist eine Grundlage, in der viele Emotionen passieren. Ich habe die wenigsten Lieder über Banalitäten wie das Einkaufen gehört. Natürlich sind es eher, wie in "Nur die Musik", wunderschöne Erlebnisse im Leben oder, wie in "2017", Erlebnisse, die mir nächtelang Bauchschmerzen und Liebeskummer bereitet haben. All das gehört zum Menschsein dazu und eben auch zu der Musik.
Dabei gibt es sicherlich viele Fans, die auch deine Einkaufsliste hören wollen würden.
Die ist sehr unspektakulär. Da stehen meistens ein bisschen Toastbrot und guter Wein drauf.
Wie fühlt es sich an, deine Emotionen so offen zu zeigen? Macht das angreifbar?
Ich habe es selten als angreifbar wahrgenommen. Damals, als das Tour-Leben noch möglich war, habe ich mich nach den Konzerten gerne mit den Leuten unterhalten. Das Schöne an Musik ist, dass sie uns irgendwie verbindet. Obwohl ich eine Geschichte in einer bestimmten Art gemeint habe, versteht jemand anders seine eigene Geschichte darin. Das kenne ich selbst auch von vielen Musikern, die mein Leben begleiten. Das ist eine große Ehre, wenn andere Menschen mit deinen Liedern etwas Eigenes verbinden. Man macht sich also nicht wirklich angreifbar, es ist eher ein Privileg.
Bist du schon immer so offen mit deinen Gefühlen umgegangen?
Im echten Leben, fernab der Musik, bin ich ganz bekennender Ost-Westfale. Ich bin durchaus verschlossen. Aber in der Musik gehören Gefühle dazu. Das ist eine schöne Ebene, um den Dingen, die mich beschäftigen, Platz zu geben.
In "Sturm und Drang" sprichst du deine Mutter an. Deine Eltern trennten sich, als du sechs warst. Wieso verbindest du das mit dem "Sturm und Drang"?
"Sturm und Drang" ist ein Song über meine Kindheit und meine kindlichen Träume. Dazu gehörten die Monster im Schrank und dass meine Mutter vielleicht irgendwann zurückkommen würde. Ich finde, das Träumen ist gerade in der heutigen Zeit wichtig. Ich merke, dass ich, auch als Erwachsener, oft an den Punkt komme, wo ich viel zu wenig träume.
Laut deiner Album-Bio zähltest du dich früher zu den Außenseitern und Antihelden. Wie stehst du dazu heute?
Ich war nie ein Außenseiter im klassischen Sinn. Aber man ist nicht immer auf der Gewinnerstraße. Wie man in "Untergang" hört, habe ich, obwohl ich eher uncool war, sehr gerne das Leben gefeiert. Wenn ich ehrlich bin, habe ich gerade in den letzten sieben, acht Jahren, extrem viel Glück gehabt. Ich habe das Privileg, dass Menschen auf meine Konzerte kommen, meine Musik hören. Das ist ein Traum, den habe ich schon mein Leben lang gehabt.
Wie fühlst du dich nach den Touren, wenn es zuhause still wird?
Es ist anstrengend. Das war zuletzt nach "Sing meinen Song" so. Wo wir jeden Abend gedreht haben und vielleicht vier Stunden geschlafen haben. Bei den Festivals und Shows ist es so, dass man vor über 50.000 Leuten auf der Bühne gestanden hat. Und auf einmal kommt man nach Hause und der Körper fängt abends gegen sieben, acht Uhr an, hochzufahren. Egal ob man auf der Couch liegt oder was zu essen macht. Ich merke dann, wie ein Kribbeln in mir hochkommt, der Adrenalin-Pegel steigt, der ganze Körper macht sich für den riesen Rausch bereit – und dann? Erlebt man ihn nicht. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
Bei "Sing meinen Song" hast du DJ BoBo das Leben gerettet, als er sich verschluckte. Was habt ihr noch erlebt?
Ich habe sechs ganz liebe Menschen um mich herumgehabt, mit denen ich die Abende durchgefeiert habe. Es gab auch emotionale Momente. An dem Abend von Ian Hooper (34) habe ich mir einen Song ausgesucht, den er für seine Mama geschrieben hat. Ich habe gewusst, dass seine Mutter verstorben ist. Aber vor Ort habe ich gemerkt, dass Ian noch viel mehr damit verbindet. Die Mama ist Irin und hat immer gesagt: "Wir haben in Irland ganz viele tolle Stimmen, aber mach was Richtiges. Ganz viele können davon nicht leben." Dann ist sie sehr krank geworden. Er war in Berlin, hat Musik gemacht und ist dann rüber in die USA geflogen. Er hat sie noch sehen können und ihr erzählt, dass er Musiker werden möchte und sich quasi ihren Segen abgeholt. Sie ist dann verstorben, als er ein Medikament holen war. Das war so viel Dramatik, dass wir alle total baff waren. Dieser starke Ami, der auf einmal mit den Tränen kämpft. Ich habe es noch nie so schwer gehabt, einen Song auf der Bühne zu spielen.
Was hast du bei diesem Auftritt gefühlt?
Normalerweise ist Musik für mich mit ganz viel Glückseligkeit verbunden. In dem Moment war ich tieftraurig. Ich bin früher bei meinem Papa aufgewachsen und ich habe immer große Angst gehabt, dass Papa mal sterben könnte. Ich war total daran zurückerinnert, als ich Ians Geschichte gehört habe. Das war beinahe zu viel für mich.
Wie fühlst du dich vor der Ausstrahlung deines eigenen Abends?
Ich bin extrem aufgeregt. Ich erinnere mich zwar an einen sehr schönen Abend mit ganz vielen tollen Versionen von allen, aber ich erinnere mich gleichzeitig kaum. Ich habe noch nie meine eigene Musik selbst auf der Bühne gesehen. Das war ganz skurril. Auch von Leuten wie DJ BoBo, die ich mein ganzes Leben lang aus dem Radio und dem Fernsehen kannte. Das war eine ganz verrückte 'Freakshow'. Aber die Freakshow war so schön, dass ich mir gewünscht hätte, dass sie nie zu Ende geht.
Hattest du Respekt vor dem TV-Format?
Ich habe ganz großen Respekt vor dem Format gehabt. Es gibt in der heutigen Zeit wenige TV-Formate, die sich mit den Künstlerinnen und Künstlern beschäftigen. Stattdessen muss man buzzern, sich verkleiden und am besten gibt es parallel noch eine Million Euro zu gewinnen. Ich war immer schon durch und durch Musiker. Seitdem ich fünf Jahre alt bin habe ich Musik in meinem Leben. Gemeinsam mit so tollen Leuten Livemusik zu machen, dafür bin ich dankbar.
Was ist während der Corona-Zeit dein schönster Antrieb?
Mein schönster und wichtigster Antrieb sind meine Freunde und meine Familie. Ich war vor Corona vielleicht 20 Tage im Jahr zuhause, sonst immer unterwegs. Im letzten Jahr war das umgekehrt. Ich war viel zuhause, habe gemerkt, wie wichtig es in dieser Zeit, wo man Abstand halten muss, ist, ein gutes Umfeld zu haben.
Der Joris über ein ergreifendes TV-Erlebnis: "In dem Moment war ich tieftraurig" wird veröffentlicht von BUNTE.de.