Back to the roots: Christian Rach arbeitet wieder als Restauranttester. Es ist das, was er am besten kann: andere Formate wie die "Restaurantschule", "Rach tischt auf" und "Rach undercover" blieben hinter den Erwartungen zurück. Nun knüpft der 59-Jährige für zunächst fünf Folgen dort an, wo er 2013 bei RTL aufhörte. Wir trafen ihn in seinem Büro in der Hamburger Großen Elbstraße, das nur fünf Minuten Fußweg von TV Spielfilm entfernt ist.
Warum die Rückkehr zum alten Format "Rach, der Restauranttester"?

Christian Rach Ich kriege jede Woche mindestens eine Handvoll Anfragen von Restaurants, die mich um Hilfe bitten. Es sind jede Menge spannender Geschichten dabei, sodass ich mich irgendwann fragte: warum eigentlich nicht? Und als dann noch RTL mich ansprach und sagte, die Leute wollen dich als Restaurantester sehen, kam eins zum anderen.

Woran hapert's am meisten bei den Restaurants, die Sie betreuen?

Rach Ich stoße immer wieder auf drei Aspekte: null Ahnung von Betriebswirtschaft, null Ahnung von Hygiene, null Ahnung von Qualität. Leider ist vielen Gastronomen nicht bewusst, dass der Gast sieht, wenn ein Tisch schmierig ist und sich das schmutzige Geschirr auftürmt. Dann kommt er nicht wieder. Und wenn für das Essen die schlechtesten Produkte benutzt werden, stößt das dem Gast ebenfalls sauer auf.

Andererseits gibt es die "Geiz ist geil"-Mentalität: Der Gast will alles billig. Wenn der Koch trotzdem teure Zutaten kauft, verstößt er genau gegen das, was Sie monieren: betriebswirtschaftliche Grundlagen

Rach
Das ist in der Tat ein Problem. Dagegen hilft nur, mit stoischer Geduld immer wieder darauf hinzuweisen, dass auch mit noch so großer Kochkunst aus miesen Produkten kein gutes Gericht entsteht.

Was sind das für Leute, die sich mit so wenig Kenntnissen in das Abenteuer stürzen, ein Restaurant zu betreiben?

Rach Viele Leute unterschätzen die Arbeit. Da gibt es zum Beispiel die Ärztin, die glaubt, sie könne neben ihrer Praxis noch ein Restaurant führen. Da gibt es alte Griechen, die glauben, sie bräuchten nur an ihrem Tisch zu sitzen, und schon stellte sich von selbst griechische Atmosphäre ein. Dazu kann ich nur sagen: Wer so wenig Gespür für den Gast hat, der braucht sich nicht zu wundern, wenn der Pleitegeier über seinem Laden kreist.

Nicht jeder Laden, den Sie besucht haben, hat es geschafft.

Rach Scheitern gehört einfach dazu. Ich hatte gerade einen Fall, da war Leuten der Strom abgeschaltet worden, weil sie nicht gezahlt haben. Statt zu überlegen, was sie mit ihrem Restaurant falsch machen, haben sie mit einem Verlängerungskabel den Strom vom Nachbarn bezogen. Das ist schon abenteuerlich. Außerdem ist scheitern nicht gleich scheitern. Wenn jemand begreift, dass es für ihn das Beste ist, sein Geschäft zu schließen, dann ist das besser, als wenn er immer weiter im Schuldensumpf versinkt. Das heißt, den Leuten zu helfen, ihr Leben zu sortieren und in den Griff zu bekommen, ist die eigentliche Aufgabe. Wenn dazu ein Scheitern des Geschäftsmodells notwendig ist, dann bitte.

Für die Betroffenen eine bittere Wahrheit

Rach Ja, aber sie können nicht umhin, diese Wahrheit offen und womöglich brutal auszusprechen. Manche Leute sind schlicht überfordert, ein Restaurant zu führen

"Einen Ausbildungsberuf Fernsehkoch gibt es nicht"

Sind heute die Anforderungen an einen Restaurantbesitzer anders als vor 20 Jahren?

Rach Definitiv. Das fängt schon bei der Einrichtung an. Es gibt heute viel höhere Anforderungen an Kühlräume, Toiletten etc. Ich schätze, dass 50 % der bestehenden Restaurants heute aus baupolizeilichen Gründen keine Lizenz mehr erhalten würden, sondern erst einmal entsprechend umgebaut werden müssten. Was nicht heißt, dass diese Restaurants schlecht sind. In vielen kann man sehr gut essen, und auch die Hygiene ist tadellos.

Was hat sich in der Gastro-Szene seit der letzten Staffel von "Rach, der Restauranttester" verändert?

Rach Es wollen immer weniger Köche und Kellner werden. Die Ausbildungsquote hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren halbiert. Das ist mehr als dramatisch. Die Folge ist nämlich, dass immer mehr mit Fertigprodukten gearbeitet wird. An dieser Misere tragen die Gastronomen eine Teilschuld. In der Gastronomie haben Sie nämlich als Auszubildender die schlechtesten Arbeitsbedingungen, die schlechtesten Arbeitszeiten und die schlechteste Bezahlung.

Wenn man sich die Köche im Fernsehen anschaut, könnte man das Gegenteil vermuten: TV-Köche inszenieren sich wie Popstars.

Rach Das Bild von den Köchen kreist um schnelle Autos, schöne Frauen und Champagner - Gott sei Dank hat dieses Image wenig mit der Realität zu tun. Es ist wie bei den "Tatort"-Kommissaren. Die sind auch viel schrägere Typen als die große Mehrzahl der echten Ermittler. Das ist eben Fernsehen. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die meisten Fernsehköche eine harte Schule als echte Köche hinter sich haben. Einen Ausbildungsberuf Fernsehkoch gibt es nicht.

Das Interesse an Essen und Ernährung ist aber zweifellos gewachsen, nicht zuletzt als Folge des Fernsehens, oder?

Rach Ja, und ich mache da gern ein wenig Werbung für die Kollegen vom NDR, die mit den Ernährungs-Docs das beste Verbrauchermagazin im deutschen Fernsehen machen. Ich wundere mich, warum die noch keinen Fernsehpreis gewonnen haben. Drei gestandene Ärzte begleiten Patienten über mehrere Monate und klären zugleich anschaulich und seriös darüber auf, wie eine Umstellung der Ernährung das Leben verbessert. Großartig!

Sie kennen beides, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und das private. Gibt es da Unterschiede?

Rach Ich kann nur zu meiner Zusammenarbeit mit RTL sagen, dass dort geradlinig und schnell kommunziert wird. Hat man sich einmal für ein Format entschieden, dann hält man sich auch an diesen Entschluss und zerredet nicht alles. Am Ende zählt die Quote: wenn es nicht funktioniert, dann setzt man es ab. Aber man weiß, woran man ist.

Lieferdienste als Konkurrenz

Zurück zur Ernährung: Man hat den Eindruck, in Deutschland tut sich eine Schere auf, die einen, die es sich leisten können, geben immer mehr Geld für teure Bio-Produkte auf dem Markt aus, und die anderen haben resigniert, essen Fast Food und schieben Fertigprodukte in die Mikrowelle.

Rach In der Werbung wird systematisch verschwiegen, wie ungesund Fast Food ist. Da müssten der Staat und seine Bildungseinrichtungen entgegensteuern und über Essen und Ernährung aufklären. Übrigens auch im Eigeninteresse, denn 50 bis 60 Prozent der Menschen, die ins Krankenhaus eingewiesen werden, sind auch als Folge schlechter Ernährung krank. Der Staat hat es bislang versäumt, diejenigen mitzunehmen, die resigniert haben und denen es egal ist, was sie in sich hineinstopfen. Wir sollten unbedingt Ernährungslehre an den Schulen unterrichten: von der Grundschule bis zum Gymnasium. Dann ginge es nicht nur den Menschen besser, sondern auch der Volkwirtschaft: Man könnte durch den geringeren Krankenstand Milliarden Euro einsparen.

Man kann ja auch mit wenig Geld gesunde Gerichte kochen. Aber die Leute kaufen lieber schlechtes Fast Food, was oft gar nicht so billig ist, wie es anfangs scheint

Rach In den letzten Jahren ist die Kompetenz verloren gegangen, für wenig Geld gesund und schmackhaft zu kochen. Hier wäre erneut der Staat gefragt, aber bitte ohne pädagogischen Zeigefinger, damit nicht der Eindruck entsteht, jetzt bestimmt der Staat auch noch, was ich essen soll. Aber es soll glasklar und wissenschaftlich fundiert darüber aufgeklärt werden, was mit dem Körper passiert, wenn man sich nur von Currywürsten und Fertigprodukten ernährt. Zur gesunden Ernährung kann man niemanden zwingen, aber man kann ihm das Angebot schmackhaft machen.

Wenn ich durch die Stadt laufe, dann sehe ich überall Werbung für Lieferdienste, die mir von der Pizza bis zum gebratenen Rinderfilet alles ins Haus liefern wollen. Bestellen wir in Zukunft unser Essen mit der App und gehen gar nicht mehr ins Restaurant?

Rach Die Lieferdienste, von Amazon bis Lieferando, haben einen enormen Vorteil: Sie appellieren an unsere Bequemlichkeit, und was bequem für den Konsumenten ist, das setzt sich durch. Aus Sicht der Restaurants stellt sich das Ganze etwas ungemütlicher da: Wer nicht bei einem der großen Food-Lieferdienste gelistet ist, der bekommt langfristig ein Problem. Wenn sich erst einmal das Gefühl durchgesetzt hat, ich kann auf Restaurantniveau auch zu Hause speisen, dann müssen sich die Gastronomen dringend etwas einfallen lassen, um dem entgegenzusteuern.

Was empfehlen Sie?

Rach Die Restaurants, die Wert auf gute Produkte, handwerkliches Können und perfekten Service legen, dürften keine Schwierigkeiten bekommen. Dort finden Sie ja auch heute oft ohne Reservierung keinen Platz. Aber für die mittelmäßigen und schlechten brechen richtig schwere Zeiten, die werden von den Lieferdiensten brutal unter Druck gesetzt. Nur mit Qualität und Individualität kann man Lieferando. & Co. begegnen

Interview: Rainer Unruh