"Horst Lichter – Keine Zeit für Arschlöcher" heißt der Spielfilm, den das ZDF am Sonntag (9. Januar, 20:15 Uhr) seinem Publikumsliebling widmet. Der "Bares für Rares"-Star wird am 15. Januar 60 Jahre alt. Der Spielfilm, in dem Lichter von Schauspieler Oliver Stokowski gespielt wird, basiert auf dem gleichnamigem autobiografischem Buch des Entertainers. Darin schildert Lichter, wie der Abschied von seiner schwer erkrankten Mutter, zu der das Verhältnis nicht immer leicht war, 2014 sein Leben veränderte. Im Interview mit FOCUS Online erzählt der Entertainer, warum dieser Film nicht leicht für ihn anzusehen ist. Er hat einen wichtigen Tipp für ein erfüllteres Leben, er verrät, wie er seinen 60. feiern wird – und warum er unbedingt noch eine Schreinerlehre machen will.
FOCUS Online: Mitte Januar feiern Sie Ihren 60. Geburtstag, und oft werden TV-Stars mit einer Show oder einem Best-Of der Karriere gewürdigt. Das ZDF hat anlässlich Ihres 60. Ihr autobiografisches, sehr nachdenkliches Buch verfilmt. Wie fühlt sich das für Sie an: das Leben von Horst Lichter als Spielfilm im Fernsehen?
Horst Lichter: Mir fehlt tatsächlich das richtige Wort, das ich dafür sagen möchte. Es ist Demut, es ist Dankbarkeit, es ist eine unfassbare Freude (überlegt)… Ganz ehrlich, mir fehlt dafür dieses Wort, um da wirklich meine Dankbarkeit, für diese Ehrwürdigung meiner Person, ausdrücken zu können. Ich kann es einfach kaum in Worte fassen, außer dass ich darüber unfassbar glücklich bin.
Die meisten Zuschauer haben Horst Lichter als Frohnatur mit immer einem lockeren Spruch auf den Lippen im Kopf. In dem Film stehen nun der Abschied von Ihrer schwer erkrankten Mutter und Ihre nicht immer leichte Kindheit auch wegen der Strenge Ihrer Mutter im Zentrum. Glauben Sie, dass viele Menschen von dieser Seite von Horst Lichter überrascht sein werden? Und wie wichtig war es Ihnen, sie zu zeigen?
Lichter: Eigentlich war es ja mein Buch "Keine Zeit für Arschlöcher", in dem ich natürlich auch sehr viel verarbeitet habe, was gewesen ist, und mit dem ich auch zeigen wollte, wie sehr ich meine Mutter geliebt habe. Wenn so eine starke Persönlichkeit an so einer schweren Krankheit in kürzester Zeit so elendig erkrankt und stirbt, beschäftigt einen das sehr. Und ich glaube, dass unendlich viele Menschen in meinem Alter ihre Eltern ähnlich verloren haben, und damit werde ich wahrscheinlich nur das aussprechen, was andere auch erlebt haben.
Und ob es mir wichtig ist, diese ernste Seiten zu zeigen: Normalerweise zeigt der Clown ja nichts hinter den Kulissen. Aber da halte ich mich jetzt ausnahmsweise mal an einen berühmten Herrn, Heinz Rühmann, er hat auch ein wunderbares Lied gesungen:
"Der Clown, der Clown
War immer lustig anzuschau'n
Doch keinen ließ
Der Clown, der Clown
In sein Herz hineinschau'n"
Und ich hab's halt getan.
Horst Lichter: "Aber schon das hat mich sehr emotional mitgenommen."
Der Film ist sehr emotional, in Rückblicken werden neben dem Abschied von Ihrer Mutter auch Schicksalsschläge in Ihrem Leben angesprochen wie Ihre zwei Schlaganfälle und Ihr Herzinfarkt in jungen Jahren, der Verlust Ihres Kindes durch plötzlichen Kindstod, Ihre Schulden und Ehekrise. Vermutlich war das nicht leicht, sich das alles im Film anzusehen.
Ich habe zunächst einmal nur in die Rohfassung reingeschaut und war auch mal am Set dabei beim Drehen. Aber schon das hat mich sehr emotional mitgenommen. Den ganzen Film wollte ich mir bewusst das erste Mal ganz alleine und in Ruhe ansehen, damit ich ihn anhalten und mich beruhigen kann, und das zweite Mal nur gemeinsam mit meiner Frau. Es ist mein Leben. Und das anzusehen, mit all den Emotionen und Erlebnissen, ist für mich nicht leicht.
Würden Sie zustimmen, wenn man sagt, dass dieser Film eine Liebeserklärung an das Leben, an Ihre Mutter und an Ihre Frau ist?
Lichter: Ja! Es ist eine Liebeserklärung, aber auch gleichzeitig ein Bekenntnis für: "Mein Gott, warum habe ich mir nicht mehr Zeit genommen?" Denn jetzt, wo meine Mutter nicht mehr lebt und mein Vater nicht mehr lebt, wo ich Menschen verloren habe, wird mir erst bewusst, wie wenig ich eigentlich über sie wusste. Wie wenig ich mich ernsthaft für sie interessiert habe – was aber jungen Menschen generell nachgesagt wird, weil sie im Alltag so mit sich selber beschäftigt sind und mit ihrem eigenen Leben.
Also, was ich von meinem Papa zum Beispiel nicht wusste: Wie viele Jahre hatte er eigentlich Schule? Hatte er Freunde und wenn ja welche? Wann hat er wirklich gelacht? Was waren seine Träume, seine Wünsche? Auch bei meiner Mutter war es ähnlich. Bei meiner Frau kann ich das zum Glück anders machen. Bei meinen Kindern ebenso und hoffentlich bei meinen Enkelkindern später auch. Bei mir muss wiederum keiner nachfragen, dafür gibt es einen Film. Das ist die größte Würdigung, glaube ich, die ein Mensch erfahren kann.
"Ich möchte mir keine Zeit mehr für Arschlöcher nehmen"
Am Ende des Films sagen Sie – dargestellt von Oliver Stokowksi – dass Sie nach dem Tod Ihrer Mutter Ihr Leben entrümpelt und ihm eine neue Richtung gegeben haben, dass sie "keine Zeit für Arschlöcher" mehr haben, wie der Titel auch heißt. Was haben Sie in Ihrem Leben geändert?
Lichter: Das ist eigentlich schon fast ein Tipp für alle Menschen. Wie viele gehen zur Arbeit mit Magenschmerzen? Wie viele Menschen bekommen einen Burn-Out, weil sie sich selber unter diesen immensen Stress setzen? Weil man zu viel Aufmerksamkeit den wenigen Menschen gibt, die nicht guttun.
Und ich habe irgendwann beschlossen, ich möchte mir keine Zeit mehr für Arschlöcher nehmen. Ich möchte mehr mein Augenmerk lenken, auf die Guten, die Lieben, auf die Höflichen, auf die Respektvollen. Denn wenn wir mal ganz ehrlich sind: Es ist die Minderheit, die laut ist, böse ist, aber über die reden ca. 80 - 90 Prozent der Menschen. Wann reden wir mal über die 80 - 90 Prozent der Menschen, die freundlich, liebevoll, höflich und respektvoll sind? Nie! Warum? Weil sie nicht auffallen. Es wird Zeit, dass wir die Aufmerksamkeit auf die lenken, die lieb sind.
Was würden Sie Menschen raten, denen auch ein Abschied von vertrauten Personen bevorsteht. Ihre Tante sagt im Film einmal über Ihre Mutter zu Ihnen, "Du solltest Ihr vergeben".
Lichter: Das ist richtig, genau das sollte man: vergeben, verzeihen und vor allen Dingen verstehen – weil ich meine Mutter heute verstehe, warum sie manchmal so war, wie sie war. Man darf nie vergessen, in welcher Zeit sie groß wurden. Was haben sie erlitten! Was haben sie durchgemacht! Wie hart war ihr Leben! Und sie wollten nur das Beste für ihre Kinder. Das haben sie versucht, ihnen mit jeder Phase ihres Körpers zu geben. Und dazu gehört auch eine Art Erziehung, die heute nicht mehr stattfindet, aber die sie selber noch viel härter erfahren haben. Deswegen habe ich nicht nur verziehen, sondern ich habe vergeben und die Liebe ist größer geworden.
"Wir haben gemeinsam am Telefon geweint."
Sie werden im Film von Oliver Stokowski gespielt – würden Sie sagen, er ist dem echten Horst Lichter sehr nahegekommen?
Lichter: Ich habe mit Oliver viel gesprochen, wir haben viele Stunden telefoniert, wir haben gemeinsam am Telefon geweint. Ich habe selten einen Menschen erlebt, der sich so unglaublich vorbereitet hat, um einen anderen Menschen zu spielen. Denn er hat alle Bücher gelesen, er hat alle Talkshows mit mir geschaut, er hat viele Sendungen von mir gesehen. Und zum Schluss war es wirklich so, dass ich sagte: "Hallo Horst", wenn er vor mir stand. Ich bin sehr, sehr glücklich und ich denke nicht, dass wir einen besseren Schauspieler hätten finden können in dieser Rolle.
Wenn Sie heute zurückblicken: Gibt es etwas, dass Sie kurz vor Ihrem 60. Geburtstag nicht mehr so machen würden in Ihrem Leben?
Lichter: Oh, es gibt ganz viel, was ich nicht mehr so machen würde, wenn es mir heute bevorstünde. Aber ich muss eine Einschränkung machen: All das, was ich in meinem Leben gemacht habe, gut wie böse, schlecht wie hervorragend, alles was ich erlitten habe, alles was passiert ist, hat dazu geführt, heute der sein zu dürfen, der ich bin. Und den Horst heute mag ich! Wäre irgendetwas anders gelaufen, weiß ich nicht, ob er so geworden wäre, wie er ist, wie ich ihn jetzt mag. Ich spreche übrigens normalerweise nicht von mir in der dritten Person, aber bei Beantwortung dieser Frage muss ich es tun.
Wie werden Sie Ihren runden Geburtstag feiern?
Lichter: Ich hatte vor, meinen runden Geburtstag groß zu feiern. Ich werde 60 und meine Frau hat auch ein Jubiläum. Wir hatten die Location schon gebucht, wir hatten geplant, was passiert. Wir hatten alle Einladungslisten geschrieben, aber zum Glück noch nicht verschickt. In Anbetracht der Gesamtlage in Deutschland machen wir das jetzt nicht. Wir werden im Sommer hoffentlich nachfeiern können, immerhin bin ich das ganze Jahr lang 60 (lacht). Aber wir werden im allerkleinsten Kreise in irgendeiner Weise den Geburtstag genießen. Vielleicht setze ich mich aber auch den halben Tag aufs Motorrad, wenn es trocken ist und fahre einfach mal eine Runde. Und fühle mich selber. Das liebe ich.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahrzehnte?
Lichter: Das ist gar nicht so einfach zu sagen: Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder mehr auf ihre und die Gefühle anderer achten. Was ich oft sage, schon fast predige: Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.
Horst Lichter will eine Schreinerlehre machen
Bei "Bares für Rares" werden die Zuschauer Sie noch lange sehen können?
Lichter: Ich sage immer, da gehören mehrere Dinge dazu. Das eine ist: Wie lange mag man mich sehen? Und das nächste ist: Ich werde all die Dinge so lange machen, wie sie mir wirklich Freude bereiten. Und ich kann sagen: Im Moment bereitet mir die Sendung noch große Freude.
Sie sagten vor wenigen Jahren, dass Sie gern noch mal eine Lehre vielleicht als Möbelschreiner oder Mechaniker machen würden. Ist das noch aktuell?
Lichter: Ja, das würde ich sehr gerne, wenn ich irgendwann mal tatsächlich sage: "So liebe Leute, ich bin dann mal weg", und damit meine ich die ganze Medienlandschaft – dann werde ich nicht einfach nur Motorrad fahren oder spazieren gehen, wandern oder Fahrrad fahren. Nein, dann möchte ich noch etwas lernen. Da möchte ich noch etwas tun! Und es gab zwei Berufswünsche in meiner Kindheit, der eine war Koch und einer Möbelschreiner. Koch habe ich bereits gelernt, ich werde dann also sicher in eine Möbelschreinerlehre gehen. Ich liebe es, mit Holz zu arbeiten und etwas entstehen zu sehen.