Oliver Sanne über sein Buch: "Scheinwelt: Klartext zu Reality-TV und Influencern"
TVSPIELFILM.de: Was hat dich zu dem Buch "Scheinwelt: Klartext zu Reality-TV und Influencern" bewogen?
Oliver Sanne: Ich habe selbst gar nicht damit gerechnet, dass ich mal irgendwie Autor werden würde. Dann kam aber, wie der liebe Gott es manchmal so will, der eine Kontakt zum anderen. Der Verlag "NIBE Media" kam auf mich zu und hat gesagt: "Wir hätten Interesse, mit dir ein Buch zu schreiben. Du bist ein guter Typ, du hast schon viele Jahre Erfahrungen gesammelt. Wie sieht's denn aus mit einer Biografie?" Am Anfang habe ich mich gefragt, wen überhaupt die Biografie eines ehemaligen "Bachelor"-Heinis juckt. Seien wir mal ganz ehrlich, ich bin kein Dieter Bohlen (67), kein George Clooney (60), keine Weltberühmtheit.
Was ist dann der Mehrwert deines Buches?
Ich habe mir gedacht, dass wir etwas brauchen, was das Buch ein bisschen reizvoller macht. So bin ich auf die Idee gekommen, das Ganze ein bisschen gesellschaftskritisch aufzubauen und zu erklären, was es mit dem Reality-TV und Influencer-Hype auf sich hat und den Leuten zu zeigen, wie es hinter den Kulissen aussieht und auf was man vielleicht achten sollte, auch unter dem Stichwort Verbraucherschutz. Anhand meiner Beispiele, Erlebnisse und Erfahrungen wollte ich da Licht ins Dunkel bringen.
Was glaubst du, warum heutzutage genau diese Formate so beliebt sind?
Reality-TV ist heutzutage das, was im alten Rom Gladiatorenkämpfe waren. Es dient der Belustigung des Volkes und es wird immer extremer. Vor 15 Jahren hat es im Dschungelcamp ausgereicht, wenn jemandem eine Kakerlake über die Brust gelaufen ist. Heute müssen schon mindestens Kängeruhoden gegessen werden. Ich denke, da geht es letztlich um Fremdscham und Schadenfreude. Wenn man an einem Montagmorgen um neun Uhr ins Büro kommt, tauschen sich die Leute schon darüber aus, wer am Wochenende das "Dschungelcamp" oder "Big Brother" gesehen hat. Die Leute interessiert das Leben Anderer, um sich von den eigenen eventuellen Misserfolgen abzulenken. Das ist die Perversion dahinter: Dass man sich daran ergötzt, andere leiden zu sehen. Ich glaube, es ist evolutionär verankert, dass man das "geil" findet und entstanden ist es aus Mobbing, wenn alle zusammen auf den kleinsten in der Gruppe draufhauen. Das hat sich im Laufe der Zeit nur einfach immer weiterentwickelt und passiert heute völlig selbstverständlich im Fernsehen.
Du hast schon an diversen Formaten, bei "Bachelor", "Bachelor in Paradise" und der "Dschungelshow" teilgenommen. Was ist es, was die Leute vor dem Fernseher nicht über diese Shows wissen, aber wissen sollten?
Man darf nicht vergessen, dass das eine ganz normale Arbeit und ein Business ist, und zwar nicht nur von den Leuten vor der Kamera, sondern auch von denen, die dahinter sitzen. Im Hintergrund sind hunderte Leute, die dafür sorgen, dass solche Großproduktionen wie "Der Bachelor" oder "Kampf der Realitystars" laufen und die wollen den Kram erfolgreich verkaufen. Sie müssen was senden, was die Leute dazu bringt, einzuschalten. Es werden für diese Produktionen Leute eingekauft, von denen klar ist, dass sie vor der Kamera funktionieren. Willi Herren (†45) war so einer. Der stand von klein auf vor der Kamera und hat genau gewusst, wie der Hase läuft, was von ihm erwartet wird und was die Kamera sehen will.
Das hat Oliver Sanne über das Reality-TV-Business gelernt
Was ist deine größte Erkenntnis über das Reality-TV- Business?
Dass du den Leuten nur vor die Stirn gucken kannst. Im Nachhinein kann viel manipuliert werden und du kannst noch so schlau sein, du weißt trotzdem nicht, wie die Leute hinter der Kamera das Spiel spielen wollen. Da bist du einfach eine Marionette und die Produktion hat die Fäden in der Hand. Man muss das Ungewisse lieben und Spaß daran haben.
Inwiefern sind die Teilnehmer Marionetten?
Oft steigern sich bei solchen Formaten die Teilnehmer völlig sinnlos in irgendwas rein, damit es eine Eskalation gibt. Bei so kleinen Dingen merkt man dann, wie gesteuert und manipuliert das alles ist. Das geht dann aber nicht von der Produktion aus, sondern von dem Charakter der Teilnehmer. Heutzutage kommen in die Shows meistens nur noch Leute rein, die ein Management im Hintergrund haben, welches das Image vorgibt und ihnen eine Rolle aufdrängt. Da muss eine attraktive Frau dann bitchy sein und mit den Männern flirten und als Typ muss man zeigen, dass man ein totaler Aufreißer ist. Das Spiel muss man abkönnen, verstehen und gut damit umgehen können.
Was bedeutet das für die anderen Teilnehmer?
Bei dieser Reality-Geschichte muss man aufpassen, wer einem gegenübersitzt und ob diese Person es ehrlich meint oder nur eine Show abzieht, um möglichst viel Sendezeit zu bekommen, denn darum geht es mittlerweile. Es geht nicht mehr darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen, sondern darum, aufzufallen, egal ob positiv oder negativ. Selbst die Leute die, wie Prinz Marcus von Anhalt (54) bei "Promis unter Palmen", mit negativen Schlagzeilen auffallen, haben am Ende des Tages was davon. Der kriegt Presse ab, die Leute fragen nach und klicken auf seine Seite. Das ganze System ist schon verrückt. Die Guten hängen hinterher. Wenn du ein guter Mensch bist, bist du nicht immer spannend. Dementsprechend bekommst du keine Sendezeit, und wenn du keine Sendezeit bekommst, fliegst du eben raus.
Wann und warum wurdest du zuletzt von einer Fan-Community angefeindet?
Das ist mir zuletzt nach der "Dschungelshow" passiert. Da war ich mit Sam Dylan (30) und Christina Dimitriou (29) zusammen in einem Tiny House. Um ehrlich zu sein, sind die beiden davon ausgegangen, dass ich das Ding gewinne. Es wurde nicht ein negatives Wort über mich ausgestrahlt und es fiel auch keines. Irgendwie muss ich mich ihnen gegenüber also korrekt und motivierend verhalten haben. Letzten Endes war es aber so, dass Sam immer wieder von selbst angefangen hat, über Alkohol und Prosecco zu sprechen. Das wurde jedes Mal gezeigt. Christina und ich haben uns beteiligt und haben Scherze darüber gemacht. Im Endeffekt hieß es dann, dass sich bei uns alles nur um ein Alkoholproblem von Sam gedreht hätte. Nach Außen wirkte es dann so, als würden wir uns über ihn lustig machen, dabei haben wir uns mit ihm zusammen amüsiert. Ich habe ja selbst, genau wie Sam, nach Alkohol gefragt, um ein bisschen mehr Spaß in die Bude zu kriegen. Aber wenn einer wie ich, ein sportlicher Typ, der sonst nie trinkt, danach fragt, ist das für die Zuschauer und das Produktionsteam der Dschungelshow nicht spannend. Aber wenn jemand danach fragt, der gerne feiern geht und mit Georgina Fleur (31) in Dubai unterwegs ist, dann ist das sehr wohl spannend.
Die Verlobte des Ex-"Bachelor" wurde im Netz angegriffen
Und deshalb wurdest du angefeindet?
Ich wurde anschließend vor allem von der Schwulencommunity angefeindet. Darunter sind viele Sam-Supporter. Mir wurde vorgeworfen, dass ich mich über Alkoholiker lustig mache. Da war der Punkt, dass es mich in meiner Kompetenz als Motivationscoach angreift. Außerdem bin ich nicht auf den Kopf gefallen. Ich wusste doch, dass meine Mutter, meine Schwiegermutter und meine Kunden bei der "Dschungelshow" zugucken. Da würde ich doch niemals öffentlich so einen Quatsch verzapfen, ganz abgesehen davon, dass dies auch niemals meiner Meinung entspräche. Mir das zu unterstellen und mich Mobber zu nennen, fand ich mies, zumal ich dann selbst in den sozialen Netzwerken heftig beleidigt wurde. Das machen genau die Leute, die sich gegen Mobbing aussprechen. Das ist eine extreme Doppelmoral.
Also hast du dich als Person schlecht repräsentiert gefühlt?
Ja. Meiner Meinung nach wurde dort eine falsche Darstellung meiner Person an den Zuschauer herangetragen. Da hieß es dann auch, dass ich ein Mobber sei oder mich über die Probleme andere lustig machen würde. Dabei gibt es nichts, was mir ferner liegen würde, weil ich hauptberuflich als Motivationscoach arbeite und Leute supporte. Da dachte ich dann, dass da irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Warum?
Ich habe manchmal das Gefühl, dass sie für diese Formate sehr einfach gestrickte Leute suchen. Wenn du da mit ein bisschen Köpfchen und viel Selbstbewusstsein rangehst, bist du ganz schnell das selbstverliebte Arschloch. Da muss man sehr aufpassen. Gesucht sind immer so Gewinnertypen die eine schwere Kindheit hatten und eher einen Looser-Status haben. Die werden gepusht und gehyped. Das ist aber genau das, was der Zuschauer sehen will. Den Starken will er fallen sehen und den Gebrechlichen will er in den Himmel heben.
Über welche Kanäle kamen die Anfeindungen?
Während ich in der Show war, wurde meiner Verlobten das alles via Social Media zugetragen. Sie hat versucht, mich wie eine Löwin zu verteidigen und wollte erklären: "Mein Olli ist nicht so! Der ist weder ein Sexist noch sonst was." Da wurde ihr aber dann auch der Tod unserer ungeborenen Kinder gewünscht und solche kranken Psychosachen. Sie hat einen Masterabschluss mit 1,0 gemacht und ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie weiß ja, wie viel Wert sie solchen Anfeindungen beimessen kann und von wem sowas kommt. Sie ist aber vom Herz und den Emotionen ein bisschen weicher als ich und deshalb macht ihr das mehr aus als mir. Wenn ich in so eine Show gehe, will ich natürlich nicht, dass sie darunter leidet. Im Gegenteil, ich will, dass sie stolz auf mich ist, wenn ich da wieder rauskomme. Im besten Fall mit einem goldenen Ticket im Wert von 50.000 Euro. Hat aber nicht sollen sein.
Woran lag das deiner Meinung nach?
Bis zuletzt fand ich bei der "Dschungelshow" sehr in Ordnung, was gesagt und gezeigt wurde, wurde dann aber eines Besseren belehrt. An Tag eins war ich auf dem ersten Platz beim Zuschauer-Voting. Ich habe mich dann logischerweise weiterhin genauso verhalten, war plötzlich aber der Erste, der rausflog. Da kann irgendwas nicht stimmen. Ich glaube nicht, dass die Anrufe manipuliert wurden, aber ich habe die Sendung hinterher gesehen. Ich hätte mich tatsächlich auch rausgewählt. Ich verstehe zwar meinen Humor und stehe dazu, aber manches, was im Fernsehen gezeigt wurde, war einfach unangenehm. In der wirklichen Situation war das zwischen Sam, Christina und mir aber ganz anders.
Oliver Sanne geht entspannt mit seinem Macho-Image um
In Folge deiner Reality-TV-Auftritte galtest du eher als Mann mit Macho-Image. Wie möchtest du in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden?
Ich habe gar nichts gegen dieses Macho-Image, das gebe ich auch offen zu. Ich habe manchmal auch Macho-Sprüche drauf. Vielleicht wurde ich von meinen Eltern auch ein bisschen so erzogen. Sie sind eine ganz andere Generation mit viel traditionelleren Rollenbildern. Das bedeutet aber nicht, dass ich ein sexistischer, Frauen unterdrückender, Anti-Emazipations-Typ bin, denn dann wäre meine Verlobte nicht mehr bei mir. Sie liebt mich so, wie ich bin und selbst wenn ich gelegentlich mal meine ironischen und sarkastischen Sprüche raushaue, stehe ich daheim genauso hinter dem Herd oder hab mal den Staubsauger in der Hand wie sie. Aber wenn sie sagt, dass sie das lieber selbst und damit besser macht, sage ich natürlich auch nicht nein.
Guckst du auch selbst Reality-TV?
Ja klar! Ich bin ja irgendwie auch ein Teil von dem Ganzen und kenne viele Leute, die da mitmachen. Der "Bachelor" hängt mir mittlerweile aber zum Hals raus. Ich finde eher die neuen Formate wie "Kampf der Realitystars" cool. Ich gucke sowas aber immer aus zwei Perspektiven. Auf der einen Seite mit dem Fokus auf den Unterhaltungsfaktor, auf der anderen Seite mit der Sicht auf die Analyse, um zu schauen, was die Faszination dahinter ist und warum die Zuschauer es so toll finden, wenn sich da wieder alle anschreien.
Du stehst dem Reality-TV Business sehr abgeklärt gegenüber und siehst es als einen Job, der gutes Geld abwirft. Wird dieser Job auch deine Zukunft sein?
Ich würde es mir wünschen, weil es mir Spaß macht, im Mittelpunkt zu stehen und ich das Spiel mit dem Ungewissen mag. Außerdem ist es natürlich ein super Taschengeld! Ich werde das aber immer mit Vorsicht genießen und meinen Fokus weiterhin auf die ganz normale, ehrliche Arbeit legen, weil ich finde, dass das für ein ganzes Leben und bis zur Rente den größeren Mehrwert hat. Ich bin froh, dass ich nach sechs, sieben Jahren immer noch für irgendwelche Shows angefragt werde. Ich bin ja schon ein alter Hase. Auch wenn ich nur 20.000 Follower habe, habe ich schon einige Sendungen auf dem Buckel und einiges an Sendezeit hinter mir, was viele Leute mit einer Million Followern von sich nicht behaupten können. Ich kann da schon mitreden. Aber auf Dauer muss ich das Brot, das meine Familie ernährt, anders verdienen, weil ich nicht vorhabe, irgendwann Schlager am Ballermann zu singen oder Tee zu verkaufen. Das bin ich nicht, das gibt es bei mir nicht. Ich bin glücklich so wie es ist und froh, dass ich gesund bin. Ich nehme das Leben so, wie es auf mich zukommt. Und wenn da nochmal eine Show dabei ist, nehme ich die gerne mit.