Mittlerweile überragt sie ihre Schwester nicht nur bei der Körpergröße. Elle Fanning (1,75 Meter) hat die vier Jahre ältere Dakota (1,63 Meter) auch schauspielerisch vorerst in die zweite Reihe geschoben. In Blockbustern wie "Super 8" von Sci-Fi-Magier J. J. Abrams oder der stilbewussten Märchenverfilmung "Male­ficent - Die dunkle Fee" spielt die zarte Blondine souverän den elfengleichen Hingucker. Für Indie-Darling Sofia Coppola wird sie in den Arthouse-Dramen "Somewhere" und "Die Verführten" gar zu einer kind­lichen Muse. Und Woody Allen hat sie für seinen nächsten, noch unbetitelten Film verpflichtet.

Die jüngere Fanning ist in Hollywood zum wunderschönen Mädchen für alles gereift, während ihre Schwester mit - durchaus sehenswerten - Werken wie der Ökofabel "Night Moves" weit unter dem Radar des Massenpublikums fliegt.

Das war nicht immer so. Dakota Fanning ist gerade zarte fünf Jahre alt, da wird sie in Hollywood schon als das "Next Big Thing" gehandelt. Kurz darauf avanciert sie mit dem Drama "Ich bin Sam" 2001 an der Seite von Sean Penn zum Kinderstar, der Filmproduzenten und Cineasten Freudentränen in die Augen treibt. Hinter der Kamera immer dabei: die kleine ­Elle, die schnell Gefallen daran findet, ebenfalls vor der Kamera zu agieren. Auch sie hat enormes Talent und kann in den folgenden Jahren als Kinderdarstellerin in Oscar-prämierten Filmen wie "Babel" und "Der seltsame Fall des Benjamin Button" aus dem Schatten ihrer Schwester heraustreten.

Keine Schwester-Konkurrenz

Konkurrenz herrscht zwischen den Geschwistern dem Vernehmen nach nicht. Ganz im Gegenteil, Dakota sei für Elle sowohl schauspielerisches Vorbild als auch Beraterin in allen Lebenslagen. "Früher habe ich mir wieder und wieder alte Talkshow-Aufnahmen von Dakota ­angeschaut", sagt Elle. Sie spiegelt sich häufig in ihrer Schwester, was auch damit zusammenhängt, dass sie sich im Alltag wie im rauen Glamourbusiness gern mit vertrauten Menschen umgibt. Ob beim Autofahren, wie sie leicht ­geniert bei US-Talker Conan O'Brien zugibt, oder bei der Karriere­planung: Das Girl aus Georgia gibt gern das Steuer aus der Hand.

Die 19-Jährige, die Hollywood praktisch schon mit der Flasche bekam, lebt im Medienzirkus wie in einer Blase. Nach ihrem Umzug nach Los Angeles kutschiert Mutter Joy Fanning die Schwestern von Casting zu Casting, während sich Oma Mary Jane Arrington einige Jahre um Elles Heim­unterricht kümmert.

Bis heute wohnt sie bei ihrer Familie. "Meine Mutter will, dass ich für immer bei ihr bleibe", gesteht Elle. Außerhalb der vier Wände werden die Fanning-Sprösslinge zu Medienprofis erzogen. Bei einer Halloweenparty posieren die Mädels mit breitem Grinsen in zuckersüßen Kleidern für ­Fotografen oder über­raschen Journalisten bei Presseterminen mit ungewöhnlich eloquenten Antworten. Elle ist sich ihrer gesellschaftlichen "Isolationshaft" allerdings bewusst und geht mit ihrem Status als Dornröschen-Star offensiv ins Gericht.
In dem Film "The Neon Demon" von "Drive"-Regisseur Nicolas Winding Refn, der am 11. August auf Sky Cinema anläuft, kokettiert sie mit diesem Image. In dem Film verkörpert sie das unschuldige Nachwuchsmodel Jesse, das schlussendlich von der harten Realität ihres Jobs verzehrt wird.

"Auch ich begann jung mit der Schauspielerei und kenne diese anfängliche Unbeflecktheit." Sie identifiziere sich sehr mit ihrer Figur, die anfangs von all der Aufmerksamkeit überwältigt zu sein scheint. Allerdings: "So tief abgerutscht wie Jesse bin ich Gott sei Dank nie."
Aus den Teenager­rollen wächst Elle, Jahrgang 1998, langsam, aber sicher heraus. Im kommenden Jahr spielt sie in dem Noir-Krimi "Gal­veston" von Mélanie Laurent eine verletzliche junge Prostituierte, die vor einem skrupellosen Gangsterboss flieht. Schon vor einem Jahr verkörperte sie in Ben Afflecks Thriller "Live by Night" eine verstörte Südstaatlerin. Harter ­Tobak für die zerbrech­liche Darstellerin und auf jeden Fall ein guter Kontrast zum Leben in der Blase.

Autor: Maximilian Fischer