TV Spielfilm: Was denkt man als Schauspieler, wenn nach über vier Jahren der Anruf kommt und es heißt: "Downton Abbey" ist zurück und wir hätten dich gerne wieder als Mr. Crawley?

Hugh Bonneville: Es war keine so große Überraschung, weil die Idee gar nicht so neu war. Gareth Neame, unser Produzent, hatte die ersten Ideen für einen "Downton Abbey"-Film während der fünften Staffel, also so um 2014. Die wahre Herausforderung war eigentlich von Anfang an, jeden erstmal wieder an Ort und Stelle zu bekommen, nach dem wir nach dem Serienende auseinander gingen. Wir hätten es gerne schon früher gemacht, aber diese Dinge brauchen Zeit und Julian [Fellowes, der Macher der Serie und Autor des Films] schrieb mehrere Story-Entwürfe, daher hat es eben etwas länger gedauert. Aber sie mussten mich nicht zurückholen, ich stand die ganze Zeit bereit dafür.

Und haben Sie den Film herbei gesehnt?

Ja, aber auf andere Art als man erwarten würde. Ich weiß noch, dass wir für die sechste Staffel Werbeauftritte in Washington D.C. hatten und damals mit einer kleinen Zuschauerschaft die ersten 30 oder 40 Minuten der Staffel auf der großen Leinwand ansahen, und ich dachte mir: "Wow, wir sollten wirklich mal einen Film machen." Es war absolut beeindruckend, wie die Zuschauer gemeinsam lachten oder still wurden an wichtigen Stellen und ich hatte direkt den Eindruck, dass unsere Geschichten enorm von dem Gemeinschaftsgefühl profitieren können, welches man so nur im Kino haben kann.

Gab es denn keine Bedenken Ihrerseits, dass der Sprung ins Kino gelingen könnte?

Doch, natürlich. Die Frage, die du dir stellst, ist letztlich immer: Werden die Leute ins Kino gehen? Selbstverständlich ist man sich im Klaren, dass da draußen ein Publikum ist, dem "Downton Abbey" gefällt, aber bislang haben sie es immer zuhause vor dem Fernseher gesehen. Stehen sie auch dafür auf und setzen sich in ein Kino? Aber dieses gemeinsame Erleben, was Kino bedeuten kann, hat mir jede Anspannung und auch jeden Zweifel daran schnell genommen.

"Ich bin sehr effizient"

Das Serienfinale hatte damals fantastische Kritiken und schien die Geschichte von "Downton Abbey" sehr passend zu vollenden. Was fügt der Film neu zur Serienwelt hinzu, warum lohnt es sich, nach einem sehr guten Ende zurückzukehren?

Die Frage hat uns alle sehr beschäftigt, und ich hätte erwartet, dass Julian womöglich einen komplett harten Schritt vollzieht und etwas Radikal anderes für den Film geplant hat. Dem war nicht so. "Downton Abbey – Der Film" ist gewissermaßen ein weiteres Kapitel der existierenden Geschichte und es dürfte sich anfühlen wie der Luxus einer weiteren Christmas-Special-Episode, nur noch länger. Aber es gibt auch einen neuen Twist, denn bisher war Robert immer die Spitze der Führung von Downton Abbey und durch den royalen Besuch gibt es jetzt eine neue soziale Struktur, eine noch höher gestellte Partei und das finde ich im Film äußerst reizvoll zu sehen, weil es neue Konflikte und Spannungen hervor ruft.

Würde jemand, der die Serie gar nicht gesehen hat, diesen Film mögen?

Ich hatte sehr lange genau dieses Problem, mir vorzustellen, wie jemand darauf reagieren wird, der einfach nur ins Kino gehen und sich zwei Stunden unterhalten möchte. In unserem Film wird er mit Figuren konfrontiert, die eine sehr lange Vorgeschichte miteinander haben und die dem Serienzuschauer sehr vertraut sind. Aber seit ich den Film gesehen habe, glaube ich, dass es jedem problemlos möglich sein wird, hier Spaß zu haben. Er erzählt seine eigene Geschichte und die Beziehungen und Chemien unter den Figuren sind so klar verständlich, dass man sich gut in das Abenteuer fallen lassen kann, außerdem sieht "Downton Abbey" fantastisch aus auf der großen Leinwand. Mit anderen Worten: Was der Film leistet, ist etwas Liebgewonnenes zu polieren und für eine noch größere Zuschauerschaft auszustellen.

Ihr Charakter hat im Film die große, wenn auch unerwartete Ehre, das königliche Paar willkommen zu heißen, was für ihn und seine Belegschaft ein großes Maß an Organisation bedeutet. Sind Sie selbst ein Organisationstalent?

Tatsächlich schon. Ich halte mich für sehr effizient in der Hinsicht. Wenn ich eine genaue Vorstellung von etwas entwickle, dann will ich sie auch genauso umgesetzt sehen und setze mich sehr genau dafür ein, was mir im Haushalt und bei der Schauspielerei weiterhilft. In den letzten Jahren bin ich aber auch gut darin geworden, andere anzuleiten und ihnen dabei zu helfen, gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Von daher sehe ich mich durchaus als sehr guten Organisierer, nur in meine Sockenschublade dürfen Sie zur Kontrolle besser nicht nachsehen. (lacht)

Ist es schwer, nach vier Jahren in so einen Charakter und seine Welt wieder einzutauchen?

Ich würde Ihnen gerne sagen: Ja, es war fürchterlich hart und wir mussten sehr schwer dafür arbeiten und immenses Schauspiel-Training über uns ergehen lassen. Aber um ehrlich zu sein war es eher wie einen alten Anzug wieder anzuziehen. Vom ersten Tag an dominierte bei uns allen die Erinnerung daran, wie die Serie am besten funktionierte und wir am effizientesten miteinander arbeiteten. Und genauso haben wir gearbeitet. Meine erste Szene für den Film war eine mit Penelope Wilton [Lady Merton] und wir hatten sie nach dem ersten Durchlauf direkt im Kasten. Es fühlte sich ganz natürlich an – zum Glück, denn so ein Film kann viel Arbeit sein, selbst wenn sich alle verstehen und gut miteinander arbeiten.

Für Kulinariker: "Downton Abbey"-Fans können 125 Rezepte aus der britsichen Erfolgsserie mit dem gleichnamigen Kochbuch nachkochen. Bei Amazon ab 24,95 EUR.

Publikum entscheidet über Zukunft von "Downton Abbey"

Wenn Sie alle so viel Spaß bei den Dreharbeiten hatten, wird dieser Film dann wirklich das letzte Kapitel sein oder gibt es die Hoffnung auf einen weiteren "Downton Abbey"-Film?

Das hängt nicht von mir ab. (lacht) Ich denke, wir hatten alle eine großartige Zeit beim Dreh und bin mich sicher, dass das bei einem weiteren Film oder einer weiteren Staffel nicht anders wäre.

Aber glauben Sie an eine weitere Rückkehr?

Die Entscheidung darüber liegt ja größtenteils darin, ob die Zuschauer den Film sehen und mögen werden. Ich behaupte sicher zu sein, dass es da draußen das Publikum gibt, welches in die Kinos strömt und unseren Film zu einem Erfolg machen wird, aber wenn das nicht passiert, dann gibt es auch keinen weiteren Film. Da muss einfach einiges zusammen spielen: Das Publikum muss da sein, wir müssen da sein, und unsere Arbeit so gut gemacht haben, dass auch nach diesem Film noch der Appetit der Zuschauer auf mehr da ist. Ich bin tatsächlich sehr aufgeregt, wie die Öffentlichkeit reagieren wird, aber noch muss ich abwarten. Wie Julian sagt: Sag niemals nie.

Der Film spielt in den 1920ern. Bei all dem, was derzeit in Großbritannien los ist, wird man da manchmal nostalgisch bezüglich einer anderen, vielleicht besseren Zeit?

Nostalgisch ist wohl das falsche Wort. Wenn ich die Zeit vergleiche, dann überwiegt für mich der Gedanke, wie wenig die Dinge sich doch geändert haben in 90 Jahren. Die menschliche Natur ist immer noch so kompliziert wie damals und wir lernen leider zu wenig aus der Vergangenheit. Wenn ich in die Zukunft blicke, dann hoffe ich einfach, genau wie wir alle wohl, dass wir die nächsten Monate und Jahre friedlich überstehen werden. Aber unsere heutigen Probleme sollten nicht dazu führen, dass wir die Vergangenheit glorifizieren.

So wie der Film etwa Probleme der damaligen Zeit aufzeigt?

Ganz genau. Für Julian und unser ganzes Team war es wichtig, dass der Zuschauer nicht nur blind von der Aura dieses Jahrzehnts profitiert, sondern auch die hässlichen Seiten kennenlernt und über soziale Probleme Bescheid weiß. Im Film gibt es einen großen Nebenplot um Homosexualität und mit welcher Angst sich Homosexuelle damals verstecken und tarnen mussten. Diese Szenen finde ich sehr beklemmend und sie haben mich daran erinnert, dass es vor weniger als hundert Jahren auf unserem Kontinent noch verboten war, so zu sein wie man sich fühlt und der sein zu können, der man gerne wäre. Und wenn ich mich auf der Welt umschaue, dann haben diesen Fortschritt noch längst nicht alle Nationen gemacht und das ist ein sehr schockierender Gedanke. Aber ich hoffe, uns gelingt mit dem Film, dem Zuschauer etwas zu vermitteln, ohne zu belehrend zu werden.

Hugh Bonneville: Fanpost aus China

Wann immer man hierzulande über "Downton Abbey" spricht, hört man vor allem eines: "Die Serie ist so unglaublich britisch." (Bonneville lacht) Wie lässt sich Ihrer Ansicht nach erklären, dass "Downton Abbey" in Deutschland, aber auch vielen anderen Ländern auf der Welt so ein Erfolg ist, obwohl es so britisch angelegt ist?

Vielleicht darf ich Ihnen dazu noch eine Geschichte erzählen. Erst gerade kürzlich habe ich einen Leserbrief von einem Fan erhalten, der vor allem meinen Charakter sehr mag. Ich war wie vom Donner gerührt, als ich sah, dass der Brief aus China kam. Es ist erstaunlich, wo man überall bekannt ist und Menschen erreicht, von denen man es sich gar nicht vorstellen kann. (lacht) Das ist verrückt oder nicht? Anfangs hätten wir nie gedacht, dass wir die Serie außerhalb von Großbritannien verkaufen können. Wenn überhaupt haben wir mit einem Erfolg in den USA gerechnet, weil die Amerikaner ihre Historiendramen lieben.

Und wie kam es zum Erfolg in Europa oder sogar China?

Offensichtlich hat das Publikum genau die Dinge geliebt, von denen wir dachten, sie würden außerhalb von Großbritannien nicht verstanden werden. "Downton Abbey" handelt enorm von sozialen Strukturen, von Nuancen der britischen Kultur in der Historie, und genau darauf haben unter anderem unsere deutschen Zuschauer enorm reagiert. Vielleicht ist die Antwort, dass weil unsere Serie so enorm britisch ist und in ihrer eigenen Welt spielt, sie so gut ankam. Ich glaube, dass "Downton Abbey" als Serie und als Film dem Zuschauer ein Angebot macht, indem es sagt: Das ist die Welt, in der diese Figuren leben und diese Geschichten spielen. Du bist eingeladen, darin einzutauchen und ein Teil davon zu werden und diese Welt mit uns zu erkunden – oder es zumindest für eine Episode auszuprobieren. Und ich denke, da ist "Downton Abbey" nicht anders als viele anderen fiktiven Serien. Wir leben alle in unseren Welten – und eine Serie wie unsere gibt uns die Möglichkeit, diese für ein paar Stunden zu verlassen und etwas völlig Neues kennenzulernen.

Vielen Dank.