Wer weiß, was bis zum Kinostart noch alles ans Licht kommt? Nach massiven Beschuldigungen gegen Schauspieler Kevin Spacey wegen sexueller Nötigung hatte Regisseur Ridley Scott beschlossen, dessen Szenen mit Christopher Plummer rasch neu zu drehen und den Film rechtzeitig zur Oscar­-Deadline fertigzustellen. Die einzige Nominierung bekam ausgerechnet "Ersatzmann" Plummer.

Danach schwärmte Scott von der Einsatzbereitschaft seiner Schauspieler, die für den Nachdreh angeblich unentgeltlich zur Verfügung gestanden hatten. Das flog ihm um die Ohren, als herauskam, dass Mark Wahlbergs Agentur eine Zusatzgage von 1,5 Millionen Dollar herausgeholt hatte; Co­-Star Michelle Williams bekam dagegen nur den Standardsatz von etwas unter 1000 Dollar. Pikant: Wahlberg und Williams sind bei derselben Agentur. Mittlerweile hat Wahlberg seinen Bonus in Williams' Namen dem Time's Up Legal Defense Fund gespendet, der Anwaltskosten für Opfer sexueller Gewalt übernimmt.

Darüber drohte der Film selbst fast ein wenig in den Hintergrund zu geraten, was schade wäre. Obwohl sich die Hauptgeschichte um die Entführung des Milliardärsenkels John Paul Getty III im Jahr 1973 in Rom dreht und um die Bemühungen seiner Mutter und der Polizei, ihn zu finden, liegt der eigentliche Schwerpunkt auf dem von Plummer gespielten J. Paul Getty. Scott zeichnet das Bild eines von Ehrgeiz und Gier Getriebenen; ein Geizhals mit dynastischen Bestrebungen, der immer das bessere Geschäft sucht und nie den vollen Preis für etwas zahlt. Im Grunde ist "der reichste Mann in der Geschichte der Menschheit" (O-­Ton Enkel Paul) nichts als ein Schnäppchenjäger, der selbst die Freilassung des Enkels unter Aspekten wie Steuerabzugsfähigkeit und Geiz­-ist-­geil­-Mentalität sieht.

Sie haben so viele Geschichten in unterschiedlichen Genres erzählt. Warum diese?
Ridley Scott: Ich war besonders von der Darstellung der Familie fasziniert. Der Film zeigt den äußeren und inneren Verfall der Gettys. Was bedeutet es, so viel Geld zu haben? Die erste Generation einer solchen Dynastie ist in der Regel fleißig und ehrgeizig. Die nachfolgenden Generationen hingegen erben alles, verprassen das Geld und sehen sich am Ende einer Leere gegenüber.

1996 drehten Sie den Film "White Squall", mit John Paul Gettys Sohn Balthazar.
Das stimmt. Und rund zehn Jahre nach dem Dreh habe ich ihn in einem Restaurant wiedergetroffen, und er hat mich dann seinem Vater vorgestellt, der nun ironischerweise eine Hauptfigur in "Alles Geld der Welt" ist.

Sechs Wochen vor dem US-Kinostart kam der Sexskandal um Kevin Spacey ans Licht. War Ihnen gleich klar, dass Sie ihn ersetzen müssen?
Ja. Nach den Vorwürfen musste ich viel telefonieren. Das größte Problem war, die Darsteller wieder zusammenzubringen. Aber sie kamen alle für die Nachdrehs zurück.

Wie hat denn Christopher Plummer auf Ihren Anruf reagiert?
Er meinte nur: "War auch höchste Zeit." (lacht) Ich hatte ihn vorher schon mal zusammen mit Russell Crowe getroffen, er war mir nicht ganz fremd.

Haben Sie auch mit Kevin Spacey gesprochen?
Nein. Ich habe eigentlich auf eine Reaktion von ihm gewartet. Jedoch weder er noch seine Berater riefen mich an, um über die Anschuldigungen zu sprechen. Ich konnte die Taten einer einzigen Person aber nicht die großartige Arbeit vieler anderer zerstören lassen. Also entschied ich mich, nach vorn zu schauen und seine Szenen neu zu drehen.

Plummer war schon früher im Gespräch für die Rolle. Warum hatten Sie sich zunächst für Kevin Spacey entschieden?
Vorher schwirrten mir ständig diese beiden Namen im Kopf herum. Mein Job ist es aber, Menschen in die Kinos zu holen. Kevin war damals mit "House of Cards" auf dem Höhepunkt und ein internationaler Star.

Worin unterscheiden sich Spacey und Plummer in der Rolle?
Kevin Spacey hat einen fantastischen Job gemacht, ich bereue die Entscheidung für ihn nicht. Aber Plummer gibt der Figur mehr Herz und eine besondere Vielschichtigkeit.

Gibt es einen Getty in Ihnen?
Nur insofern, als dass auch ich mit Ambitionen geboren wurde, das schon.

Wenn Sie mit J. Paul Getty sprechen könnten, was würden Sie ihn fragen?
Wie er so viel Geld machen konnte. (lacht) Nein, im Ernst: Getty war ja nicht nur ein Geizhals, sondern tat auch viel für die Allgemeinheit. Er interessierte sich sehr für Kunst und machte diese der Öffentlichkeit zugänglich. Getty war auch ein Mann mit Visionen, er war risikofreudig und mutig. Ansonsten wäre er nicht so reich geworden.

Seine Weigerung, das Lösegeld für seinen Enkel zu bezahlen, zeugt allerdings schon von einer gewissen Hartherzigkeit.
Na ja, ich sehe das etwas anders: Für mich ist eine Entführung durchaus vergleichbar mit Terrorismus. Und mit Terroristen verhandelt man nun mal nicht.