Einer gegen alle - und trotzdem ging er (fast) immer als Sieger hervor: In den 80er-Jahren stieg Sylvester Stallone zum überlebensgroßen Actionhelden auf. Mit seinen "Rambo"-Filmen prägte Sylvester Stallone den Actionfilm der 80-er entscheidend. In seiner zweiten Kultrolle schwang er als unerschrockener Boxer Rocky Balboa die Fäuste. Und dieser beinharte, unerschütterliche Athlet soll jetzt zum Reality-TV-Star werden? Für Actionfans ist dieser Schritt wohl nur schwer vorstellbar, trotzdem wird er ab 14. Juli Realität. Dann startet "The Family Stallone" bei Paramount+.

Der 76-Jährige werde die "größte Rolle seines Lebens" übernehmen, heißt es in einer Ankündigung des Streaminganbieters: die des Vaters. Die hyperbolische PR-Floskel aber scheint größtenteils der Wahrheit zu entsprechen, verriet Stallone doch einst in einem Interview: "Ich bin ein Familienmensch und denke: Das ist das Wertvollste und Wichtigste, das wir im Leben haben." Diese These unterstreicht er auch in den Auftaktfolgen der achtteiligen Doku-Soap mehrfach und in unterschiedlichen rhetorischen Varianten.

"The Family Stallone" ignoriert Scheidungsankündigung

Das gilt aber nicht nur für Stallone selbst, sondern auch für die wichtigsten Frauen in seinem Leben. Neben seiner Frau Jennifer ("Ich habe noch immer Schmetterlinge im Bauch, wenn ich ihn sehe") sind das die drei Töchter Sophia, Sistine und Scarlet. In gegenseitiger Hochachtung schmieren sich die Familienmitglieder Honig um den Mund, alles zusammengefasst in einem Credo, das Jennifer recht bald auf den Punkt bringt: "Für mich ist Familie alles."

Diese verschworene Gemeinschaft hat Sylvester Stallone auch dazu gebracht, die Türen zu seinem Privatleben für ein Kamerateam zu öffnen. "Wäre es nicht toll, einfach nur Zeit mit ihnen zu verbringen, aus der sie nicht entkommen können? Sie sollten bei mir sein", erklärt er seine Intention hinter "The Family Stallone". Warum er dafür Wert auf Kamerabegleitung legt, verschweigt "Sly". Stattdessen verrät er, dass lange Drehs - zu Beginn des Reality-Formats kehrt Stallone von sechsmonatigen Arbeiten an der Serie "Tulsa King" zurück - längst nicht mehr das "Abenteuer" für ihn seien, wie noch zu Beginn seiner Laufbahn. So lange am Stück von der Familie getrennt zu sein, fühle sich jetzt wie eine "Bestrafung" an.

Setzt man sich etwas genauer mit den Stallones auseinander und nimmt man die Interviewsequenzen samt verjüngenden Filtern nicht für bare Münze, kommen dann doch Zweifel an der vorgegaukelten Harmonie auf. Im August 2022 nämlich, also parallel zu der in der Show erzählten Zeit, machte Jennifer Stallone mit der Ankündigung Schlagzeilen, sie wolle sich von ihrem Mann scheiden lassen. Wenige Wochen später folgte die 180-Grad-Wende und das Liebescomeback. Ehe-Problemen oder anderem Zwist lassen die Stallones in ihrer TV-Show aber keinen Platz zur Entfaltung. Vielmehr scheint es so, als solle am inszenierten Bild der perfekten Familie (zumindest in den beiden Auftaktfolgen) nichts rütteln.

"Bitte schaltet kurz die Kamera aus, dass ich diesen Ort zerstören kann"

Dokumentarische Einblicke in das echte Leben und Wirken des Actionstars darf aber ohnehin niemand im Publikum der Reality-TV-Sendung erwarten. Meist geht es sehr seicht zu, Zu den interessanteren Fakten gehört noch, dass Stallone seine Kinder "wie beim Militär" (Sistine) großgezogen hat und er sich schwertut, seinen Nachwuchs der Männerwelt zu überlassen. Er sei "überfürsorglich", lässt das Töchtertrio wissen. Er müsse aufhören, Datingpartner zu verstören, wirft Sophia ihrem Vater an einer Stelle vor. Der erklärt andernorts entschuldigend: "Ich schaue auf sie wie Kinder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie selbst Kinder haben."

Wie sehr der Schauspieler offenbar noch an seinen Kindern hängt, macht eine fiese Aktion Sistines zum Geburtstag ihres Vaters deutlich. Mit einer Baby-Torte suggeriert sie ihm, sie erwarte Nachwuchs. Der Schock im Gesicht ihres Vaters spricht derart Bände, dass man ihm seine scherzhafte Drohung nach der Auflösung der Verlade glatt abnehmen würde: "Bitte schaltet kurz die Kamera aus, dass ich diesen Ort zerstören kann."

Ähnlich unterhaltsam für das Publikum fällt ein Treffen Stallones mit seinem guten Freund Al Pacino aus. Dass zu der echten Männerfreundschaft auch dazugehört, dass der 76-jährige Stallone seinem sieben Jahre älteren Kumpel erklärt, in welchem Winkel er sein Smartphone für ein perfektes Selfie halten müsse, ist einfach köstlich.

Das Original zu diesem Beitrag "Rambo war gestern: Sylvester Stallone zeigt sich jetzt ganz privat" stammt von "Teleschau".