Sie heißen Anne und Erik und sind als Pärchen so alltäglich wie ihre Namen. In der ZDF-­Miniserie werden Herr und Frau Merz von Annette Frier und Christoph Maria Herbst gespielt. Durchschnitts-Idealbesetzung. Wir treffen die beiden Schauspieler und ihren Autor Ralf Husmann zum ­Interview, das zwischen Ernst und Ironie oft unmerklich wechselt. Gern stellt Herbst das Interview-Ritual auch mal auf den Kopf – und beginnt selbst mit einer Frage.
Christoph Maria Herbst: Herr Unruh, Sie laufen ganz in Schwarz mit Rollkragen herum. Das erinnert an katholische Priester. Werden Sie jetzt eigentlich öfter angesprochen wegen der Geschichten mit den ­kleinen Jungen?
Äh… dafür entpuppen Sie sich in der Serie als Mädchenschreck.
Herbst: Sie meinen die Szene beim Juwelier?

Genau. Ihre Figur Erik Merz schneidet beim Juwelier Fratzen, um ein kleines Mädchen aufzuheitern. ­Dessen Mutter wittert in Ihnen den Kinderschänder und verlässt mit ­ihrer Tochter empört den Laden.
Herbst: Die Nerven liegen blank bei vielen. Das hängt mit unserer ­digitalen Welt und den vielen sozialen und asozialen Medien zusammen.
Ralf Husmann: Die Szene war ­ursprünglich länger.
Herbst: Eigentlich sollte ich die Mutter zurechtweisen und ihre Er­ziehungsmethoden kritisieren. Aber das hätte zu sehr nach "Stromberg" geklungen.
Husmann: Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich habe "Merz gegen Merz" für Annette und Christoph geschrieben, auch deshalb, damit man sieht, dass die beiden ganz andere Rollen spielen können als Danni Lowinski und Stromberg. Aber ehrlich gesagt finde ich die Szene beim Juwelier gar nicht so wichtig. Wollen Sie nicht mit einer anderen Frage anfangen?
Annette Frier: Das ist doch eine Unverschämtheit. Da drehen wir 300 geile Minuten High-End-Comedy, und dann reiten Sie auf einer solchen Lappalie herum. Von welcher Zeitschrift kommen Sie noch mal?
Husmann: Mit der "taz" reden wir nie wieder.
Herbst: Der Nächste, bitte!

Mir hat die Szene gefallen. Ich habe sie als Symbol für eine hysterisierte Öffentlichkeit wahrgenommen: Angst essen Spaß auf.
Husmann: Okay, Sie dürfen bleiben. Sie kriegen eine zweite Chance. Fangen Sie noch mal von vorn an.

Danke. Warum gibt es im deutschen Fernsehen eigentlich so viel mehr Krimi als Comedy?
Husmann: Die Deutschen haben als Nation keinen Humor. Wir verhandeln anders als die Briten und Amerikaner wichtige gesellschaft­liche oder persönliche Themen nie über etwas Lustiges.
Frier: Ich finde übrigens, dass sehr viele Krimis einen sehr einfachen Unterhaltungscharakter haben. Oft geht es doch schlicht darum, den Täter zu finden, also "who done it". Mich lässt das meistens ziemlich kalt. Vielleicht spiele ich deswegen auch lieber Rollen, die sich mit den Absurditäten des Alltags herumschlagen müssen als eine Gerichtsmedizinerin, die täglich Leichen seziert.
Husmann: Als jemand, der selbst Drehbücher für Krimis schreibt, sehe ich das etwas differenzierter. Es gibt natürlich die einfach gestrickten Krimis, die Annette meint und die meist am Vorabend laufen. Aber ein guter "Polizeiruf 110" erzählt schon mehr über die Welt, in der wir leben, als ­eine Folge von "Ritas Welt".

"Merz gegen Merz" ist also lustig und realistisch?
Herbst: Man kann sich über die acht Folgen gut amüsieren, aber man wird wohl auch das eine oder andere Tränchen vergießen. Und ob das Lach- oder Trauertränen sind, das hängt davon ab, was für ein Typ man ist. Es geht da schon ans Eingemachte. Wenn ich mich selbst zitieren darf.
Frier: Sehr gern!
Herbst: "Merz gegen Merz" ist ­prädestiniert für den deutschen ­Tragedy-Preis. Das habe ich schon bei "Stromberg" gesagt. Leider wurde er bis heute nicht implementiert. Deshalb möchte ich an dieser Stelle den Aufruf starten: Wer macht mit, diesen Preis ins Leben zu rufen?
Frier: Ich, aber nur, wenn ich den Preis auch kriege.

In Nordkorea wäre das sicher kein Problem.
Frier: Ein befreundetes Ehepaar hat die acht Folgen von "Merz gegen Merz" gebingt und hat sich für die kostenlose Therapie bedankt.

Herr Husmann, Sie sind selbst ­geschieden. Waren Sie davor auch mal, wie das Paar Merz, bei einer Ehetherapeutin?
Husmann: Nein. Wir haben das einfach finanziell geregelt. Aber das ist ja einer der vielen Vorteile meines Berufs, dass auch die größte Scheiße, die einem widerfährt, dazu taugt, Thema eines Drehbuchs zu werden und von Annette und Christoph ­gespielt zu werden.

Was haben Sie aus Ihrer Trennung gelernt?
Husmann: Es gibt wenig, was Leute mehr in Rage versetzt, als wenn ihre Beziehung kaputtgeht. Mein Anwalt hat mir von einem Paar erzählt, das sich seit 15 Jahren um Geld streitet, das es gar nicht mehr gibt, weil alles für die Anwaltskosten draufgegangen ist.
Herbst: Woran liegt es, dass bei dir solche Geschichten immer lustig werden? Du könntest ja auch ein ­Drama daraus machen.
Husmann: Humor hat für mich viel damit zu tun, dass man auch in unangenehmen Situationen einen Aspekt sieht, der komisch ist.
Frier: Bei einer Leseprobe wollte ich einmal unbedingt etwas sagen, hatte aber gleichzeitig ein Brötchen im Mund, das mir im Hals stecken blieb. Nichts ging mehr. Ich spürte, dass ich ersticken könnte. Kein Scherz. Und dann kam das ganze Zeug aus Mund und Nase raus, und obwohl ich in ­Lebensgefahr war, hatte das etwas Komisches.

Die Gefahr für Autoren scheint heute eher darin zu bestehen, dass sie ­Opfer eines Shitstorms werden, weil viele ganz schnell gekränkt sind.

Husmann: Ich mache mir darüber beim Schreiben nicht so viele Gedanken. Die Sender wissen ziemlich genau, was sie erwartet, wenn sie bei mir etwas bestellen.
Frier: Er ist viel oberflächlicher, als man denkt.
Herbst: Die Tiefe geben wir den Figuren.

Bevor wir alle zum Therapeuten gehen: Wo spielt die Serie eigentlich?

Herbst: Irgendwo zwischen Köln und Neukölln.

Die Protagonisten

Annette Frier
In der ARD-Serie "Hotel Heidelberg" konnte Annette Frier schon mal üben, wie das so ist, mit Christoph Maria Herbst ein Ehepaar zu spielen. So schnell dürfte die 45-Jährige ihn nicht loswerden, denn das ZDF hat bereits vor der Ausstrahlung der ersten ­eine weitere Staffel von "Merz gegen Merz" in Auftrag gegeben.

Christoph Maria Herbst
"Stromberg" war Fluch und Segen zugleich für Christoph Maria Herbst. Bis heute haftet ihm die Rolle des Abteilungsleiters bei der Capitol Versicherung an. Dass er auch ein Schau­spieler für die ganz ­große Leinwand ist, zeigte er im vergangenen Jahr in dem Kinofilm "Jim Knopf und Lukas der ­Lokomotivführer" unter der Regie von ­Dennis Gansel.

Ralf Husmann
Auch für Ralf ­Husmann war "Stromberg" ein Karriereschub – der Wahlkölner verantwortete als Head­autor die Serie. Sein erster ­Roman "Nicht mein Tag" wurde fürs ­Kino verfilmt, sein zweiter"Vorsicht vor Leuten" fürs Fernsehen. Bislang hat der Grimme-Preisträger die Bücher für drei ­"Tatort"-Episoden verfasst, die Krimi und Komik auf originelle Weise mitei­nander verknüpfen.