Wenn Jens Riewa, der neue Chefsprecher der "Tagesschau" und damit Nachfolger von Jan Hofer, abends um 20 Uhr im feinen Zwirn vor den ARD-Kameras sitzt, verkörpert das Seriosität. Er und seine Kolleginnen und Kollegen stehen für Bodenständigkeit und seriösen Journalismus und damit auch im Auge der deutschen Öffentlichkeit. Das betonte Jan Hofer bereits 2020 als Gast der Podcast-Reihe "Entscheider treffen Haider" des "Hamburger Abendblatts", wo er auch über sein Einkommen als "Mr. Tagesschau" sprach.
Dabei kam heraus: Der Verdienst ist nicht so üppig, wie man vielleicht denken könnte, was insbesondere daran liegt, dass die Sprecher nicht fest angestellt sind, sondern als freie Mitarbeiter allabendlich die Nachrichten verlesen. Mit einer Hauptausgabe verdienen Riewa und Co. 259,89 Euro. Ist die Sendung allerdings kürzer, schrumpft auch das Gehalt. Zu bedenken sei jedoch, dass die Sprecher nicht bloß eine Ausgabe pro Tag bestreiten, sondern häufig auch sieben oder acht. Rechnerisch wäre somit ein Monatsgehalt von von ungefähr 8000 bis 10.000 Euro denkbar.
Je bekannter das Gesicht, umso höher die Gage
Man müsse, so Hofer, dieses Gehalt jedoch auch in Relation zum öffentlichen Interesse an der eigenen Person sehen: "Als Sprecher der 'Tagesschau' wirst du ja nicht dafür bezahlt, dass du um 20 Uhr vor der Kamera stehst. Du wirst dafür bezahlt, dass du an 365 Tagen 24 Stunden lang öffentlich für die 'Tagesschau' da bist. Wir 'Tagesschau'-Sprecher sind immer im Dienst, ob wir wollen oder nicht."
Über seinen Umgang mit negativen Zuschauerreaktionen sagte er im "Abendblatt"-Podcast: "Die Reaktionen nicht persönlich zu nehmen, ist nicht einfach. Ich habe früher schlaflose Nächte deswegen gehabt. Man muss außerdem begreifen, dass man nie als eigenständige Person, sondern immer als Vertreter des Systems gesehen wird. Im Zweifel führst du einen Stellvertreter-Krieg." Aber ist dieses gebührenfinanzierte System, das für journalistische Unabhängigkeit und Unparteilichkeit stehen soll, mit Nebeneinkünften seiner Markenbotschafter in Einklang zu bringen? Denn die Gesichter der "Tagesschau" bestreiten ihr Monatseinkommen nicht bloß mit 260 Euro pro Sendung.
Welche Jobs haben die "Tagesschau"-Sprecher noch?
Weil sie für ihre Stimmen bekannt und für ihre Moderationskompetenz geschätzt werden, bewegen sich die Nebentätigkeiten der Sprecher auch häufig in diesem Bereich. Jan Hofer moderierte bereits die Wahl zur deutschen Weinkönigin, im Jahr 2017 aber auch das 60. Firmenjubiläum eines Glücksspielautomaten-Herstellers. Sein Nachfolger Jens Riewa wiederum führt in Ingolstadt regelmäßig durch die Weihnachtsfeier des Elektrofachhandel-Konglomerats "Media-Saturn", moderiert die jährliche Verleihung des Karnevalsordens "Wider den tierischen Ernst" in Aachen und warb 2013 im Netz für den Verkauf von 50.000 Euro teuren Flugdrohnen der Marke "Rotair".
Der damalige "ARD-aktuell"-Chefredakteur Kai Gniffke kommentierte das gegenüber der Fachzeitschrift "W&V" so: "Mitglieder des 'Tagesschau'-Sprecherkollegiums machen grundsätzlich keine Werbung. Obgleich sie im Status eines freien Mitarbeiters für ARD-aktuell tätig sind, achten sie generell bei anderen Tätigkeiten darauf, dass das Image der Tagesschau keinen Schaden nimmt."
Eröffnung von McDonald's Filiale und Hörbücher
Ähnlich äußerte er sich zwei Jahre später, als Judith Rakers sich bei der Eröffnung einer McDonald's-Filiale am Frankfurter Flughafen mit dem Firmenmaskottchen Ronald McDonald ablichten ließ und gegenüber einem Reporter der "Bild"-Zeitung betonte, dass sie auf "fette Burger mit Pommes" stehe. Der Aufritt war mit Gniffke nicht nur abgesprochen, sondern wurde von ihm damit begründet, dass es sich "nicht um einen Werbeeinsatz, sondern um die Moderation einer geschlossenen Veranstaltung vor geladenen Gästen" handele.
Aber nicht nur das Gesicht, sondern auch die reine Stimme kann lukrativ eingesetzt werden. So verdingt sich Jens Riewa nebenher auch als Sprecher von Hörbüchern, insbesondere der Reihe "Offenbarung", die verschiedene Verschwörungsmythen aufgreift und irgendwo zwischen Realität und Fiktion verortet ist. In ein prominenteres Autoren-Regal griff Linda Zervakis. Sie las, gemeinsam mit "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga, das Hörbuch zu einer Gesprächssammlung der Schriftsteller Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre ein, mit dem Titel "Alle sind so ernst geworden". Ganz so ernst wird es für Zervakis in Zukunft erst einmal nicht mehr – sie hat schließlich gerade erst ihren Rückzug aus dem "Tagesschau"-Sprecher-Team bekannt gegeben.
Der Rund 260 Euro für die Abendausgabe: Das verdient man als Tagesschau-Sprecher wird veröffentlicht von BUNTE.de.