Georgine Kellermanns Alltag war es einst, Geschichten über das Leben anderer zu erzählen. Politische Berichterstattung, lokale Anliegen – jahrzehntelang stand sie im Fokus der Aufmerksamkeit, während ihr eigenes Ich verborgen blieb. Erst im Alter von 62 Jahren fand sie den Mut, sich der Welt in ihrer wahren Identität zu offenbaren und entschied sich für ein Coming-out als Transfrau. Gegenüber "t-online" gibt sie ihre Erfahrungen preis – so hatte sie stets Angst davor gehabt, ihrer wirklichen Identität Raum zu geben. Doch heute genießt sie ihr Leben in vollen Zügen.

Privat eine Frau, im Beruf ein Mann – Georgine Kellermann führte zwei Leben

Obwohl Kellermann jahrzehntelang die Rolle des Mannes lebte, eine Figur, die ihr rückblickend nicht immer sympathisch war, offenbarte sie sich früh im Privatleben. Freunde kannten ihre wahre Identität. Doch die Furcht, öffentlich als Frau aufzutreten, veranlasste sie dazu, weiterhin in männlicher Verkleidung zu leben und zu arbeiten – eine Anstrengung, die sie rückblickend lieber in andere Lebensbereiche investiert hätte.

Die größte Sorge, die Kellermann nicht losließ, war die Angst, ihren geliebten Beruf nicht mehr ausüben zu können, wenn sie ihr wahres Ich der Welt zeigt. Als Transfrau in der überwiegend männlich dominierten Welt des Journalismus der 80er Jahre hätte sie vermeintlich nicht dieselben Chancen gehabt, schildert sie ihre Bedenken gegenüber "t-online".

So schwer fiel Kellermann ihr Trans-Outing

Eine zufällige Begegnung am Frankfurter Flughafen mit einer Kollegin sollte alles verändern. Auf dem Weg nach San Francisco, gekleidet in weibliche Garderobe, korrigierte sie die Kollegin, die sie mit "Herr Kellermann?" begrüßte. Ihre selbstbewusste Antwort: "Nein, ich bin eine Frau." löste eine Welle der Erleichterung aus. In diesem Augenblick begann für Georgine Kellermann ein neues Kapitel. Die Angst vor ihrem Coming-out auf der Arbeit war trotzdem groß: "Als ich der ersten Kollegin beim WDR davon erzählte, habe ich noch gezittert. Aber je öfter ich mich Menschen öffnete, desto leichter fiel es mir."

Trotz der positiven Reaktionen im persönlichen Umfeld sieht sich Kellermann auch mit Hass und Feindseligkeit konfrontiert. Angriffe und bedrohliche Situationen, wie die Begegnung mit einem aggressiven Mann am Bahnhof, zeugen von den Gefahren, denen Transpersonen regelmäßig ausgesetzt sind. Dennoch bleibt Kellermann standhaft, verteidigt sich und tritt online für ihre Überzeugungen ein.