1924 öffnet eine neue Traumfabrik in Los Angeles: Metro Goldwyn Mayer, kurz MGM, ein Zusammenschluss von Metro Pictures Corporation, Goldwyn Picture Corporation und Louis B. Mayer Pictures. Bald darauf steht MGM dank seiner Stars, großer Studioanlagen und Filmen, die im Lauf der Jahrzehnte über 200 Oscars gewinnen, an der Spitze der Filmindustrie.

Ein stürmischer Beginn ins neue Jahrzehnt

Hatte MGM in den 1980er-Jahren mit United Artists einen wichtigen, aber verschuldeten Partner gewonnen, so weht dem Studio auch in den frühen 1990er-Jahren weht MGM ein rauer Wind entgegen. 1990 kauft der zwielichtige italienische Geschäftsmann Giancarlo Parretti MGM/UA für 1,3 Millarden Dollar vom bisherigen Haupteigentümer Kirk Kerkorian, einem armenisch-stämmigen Großunternehmer. Um diese Finanzmittel überhaupt aufbringen zu können, nimmt Parretti bei der Crédit Lyonnais große Geldmengen auf, lizensiert MGM's Filme bereits Jahre im Voraus an Time Warner und fusioniert MGM mit seiner eigenen Pathé Communications Group. Parretti feuert fast die gesamte Chefetage, setzt seine 21-jährige Tochter als Finanzdirektorin ein und führt nach außen ein Leben als Hollywood-Mogul - nur dass unter seiner Führung kaum Filme gedreht wird.

In der Folge gibt es mehrere Gerichtsprozesse wegen Veruntreuung von Firmengeldern und Zahlungsverzug bei der Crédit Lyonnais. Die Bank zieht 1991 die Notbremse, entmachtet Parretti und übernimmt vorerst selber das Ruder bei MGM.

Viele Filmprojekte liegen während Parrettis Zeit brach, aber auf "Rocky" und Sylvester Stallone ist Verlass: Auch der fünfte Film seiner Boxer-Drama-Reihe ("Rocky V", 1990) wird zumindest ein finanzieller Erfolg. Mit "Das Rußland-Haus" (1990) nach dem Roman von John Le Carré verfilmt MGM einen Agententhriller vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, Hauptdarsteller ist der alte Bond-Darsteller Sean Connery.
1991 setzt MGM mit dem rabenschwarzen Emanzipations-Roadmovie "Thelma & Louise" Susan Sarandon und Geena Davis ein sozialkritisches Ausrufezeichen: Der Film gewinnt den Oscar für das "Bestes Drehbuch" und wird für den jungen Brad Pitt zum Sprungbrett seiner späteren Weltkarriere.

MGM zieht um und ein neuer Bond meldet sich zum Dienst

In der Firmenpolitik steht ein größerer Richtungswechsel an. 1992 zieht MGM in den Wohn- und Geschäftsbezirk Century City in Los Angeles um. Ab sofort betreibt MGM keine eigenen Studios mehr, sondern mietet sich für Drehs Studiogelände an. Nachdem das alte "MGM Grand Hotel and Casino" 1980 nach einem Großbrand verkauft wurde baut MGM 1993 ein neues Hotel unter gleichem Namen, das wie das alte als das größte seiner Zeit gilt. Bereits seit 1980 bezieht MGM seine Haupteinnahmen aus dem Unternehmenszweig "MGM Grand Hotels".
Nicht nur an große Namen versucht man anzuknüpfen, sondern auch an alte Erfolge: z.B. mit der Krimi-Komödie "Der Sohn des Rosaroten Panthers" (1993) aus der Pink-Panther-Reihe, diesmal mit Roberto Benigni statt Peter Sellers in der Hauptrolle, der bis 1982 fünfmal den beliebten schusseligen Inspektor Clouseau gespielt hatte.

Mit einem Erotikdrama wagt sich MGM 1993 auf ungewohntes Terrain: In "Der Liebhaber" sorgen die Sexszenen für einen kleinen Eklat. Regisseur Jean-Jacques Annaud dementiert zunächst nicht die Behauptung, dass die beiden Hauptdarsteller beim Dreh realen Geschlechtsverkehr gehabt hätten, vielleicht um Eigenwerbung zu betreiben. Die gekränkte Jane March bricht daraufhin den Kontakt zu ihm ab.

In dem Drama "Benny & Joon" (1993) brilliert Johnny Depp in einer frühen Paraderolle als geistig zurückgebliebener Außenseiter und Pantomime, der Stummfilme liebt.
1995 beweist MGM mit "Schnappt Shorty" als Satire auf die Traumfabrik Hollywood eine gehörige Portion Selbstironie und rechnet mit dem verschwenderischen Leben seines früheren Vorsitzenden Parretti ab.

Das unbestrittene Zugpferd für MGM jedoch bleibt 007 James Bond, mit allein drei Filmen der Reihe in dieser Dekade: Mit "Goldeneye" gibt Pierce Brosnan 1995 seinen Einstand als britischer Superagent und rettet nicht nur die Welt, sondern auch ein wenig MGM.

Restrukturierung und MGM wagt den Börsengang

1996 kauft der Multimilliardär Kirk Kerkorian MGM von der Crédit Lyonnais zurück. Mit seinem alten Boss schifft MGM langsam wieder in ruhigeren Fahrwassern. Die Restrukturierungsmaßnahmen greifen und 1997 wagt Kerkorian einen weiteren großen Schritt: MGM geht an die Börse.

Beständig kauft MGM andere Produktionsfirmen und deren Filmrechte auf. 1997 sind es mehrere Tochterunternehmen von Metromedia, 1999 PolyGram Filmed Entertainment. Somit sichert sich MGM die Rechte an Filmen wie "Der mit dem Wolf tanzt" (1990) oder "Das Schweigen der Lämmer" (1991). MGMs Filmarchiv umfasst mittlerweile mehr als 4000 Titel, das ist Top in Hollywood und MGMs größtes Kapital.
Und MGM dreht selber - zumindest auf Sparflamme - weiter, gleich dreimal setzen sie auf Publikumsliebling Pierce Brosnan: Einmal in der Wiederauflage der Krimiromanze "Die Thomas Crown Affäre" (1999) und natürlich in seiner Paraderolle als James Bond: in "Der Morgen stirbt nie" (1997), sowie "Die Welt ist nicht genug" (1999).

In den 90er-Jahren hat MGM wichtige Maßnahmen zur wirtschaftlichen Konsolidierung ergriffen, aber der Film-Löwe wird auch immer neuen Millennium einen langen Atem brauchen...

Daniel Regener