Im nächtlichen Zürich fährt die Jugendpsychologin Julia Egger (Anna Herrmann) nach einem Familienstreit einen Arbeiter zwischen Containern um. Angeblich sei sie von einem SUV abgedrängt worden, doch das muss sie erst einmal beweisen. Borchert (Christian Kohlund) und seine Vorgesetzte Dominique Kuster (Ina Paule Klink) kümmern sich um Julia und deren Unschuldsbeweis. Wegen eines früheren Delikts ist sie nach Trunkenheit am Steuer vorbestraft. Wollte jemand ihr deshalb die Tat in die Schuhe schieben - und, wenn ja, warum?

Der 16. Zürich-Krimi, "Borchert und die dunklen Schatten" (Das Erste, Donnerstag, 23.05., 20:15 Uhr), ist über weite Strecken wieder mal ein Solo für Christian Kohlund, der in dieser Reihe ein ums andere Mal überzeugt. Bei der Erstausstrahlung des Krimis am 22. September 2022 schalteten 7,10 Millionen Menschen ein. Damit zählt er zu den fünf Filmen der Reihe, die bisher die Sieben-Millionen-Marke knacken konnten. Über sechs Millionen liegen die Einschaltquoten des Erfolgsformats ohnehin schon seit Jahren.

Zürich-Krimi im Ersten: Dem Plot fehlt es an Raffinesse

Borchert mag nicht an die Schuld seiner Mandantin glauben – nicht zuletzt, weil sich deren jüngere Halbschwester Mavie (Flora Li Thiemann) mit Liebe und Leidenschaft einsetzt für sie. Dass die Eltern der beiden ein sehr kaltes Bild abgeben und gar eine Kaution für die Tochter verweigern, mag dem Karrierismus des Vaters geschuldet sein. Immer wieder ist vom Aufstieg in höchste Bankersphären die Rede, auch wenn Julias Mutter (Julia Blankenburg) irgendwann feststellt, dass "Geld eben nicht alles" sei. Für sie gilt es, unbedingt den Schein eines heilen Familienlebens zu bewahren, um die Karriere ihres Mannes nicht zu gefährden.

Während der Banker selbst immer wieder mit einem Dunkelmann verstohlene Gespräche führt, in denen es um milliardenschwere illegale Geldgeschäfte geht, trauert Borchert in seinem Alu-Trailer seinem verstorbenen Vater nach, dessen 100. Geburtstag dieser Tage wäre. Beim Blättern im Familienalbum entdeckt der Sohn dessen alte Leica neu. Seine eigenen Schwarzweiß-Bilder werden durchaus eindrucksvoll.

Die Kurve vom Bankenskandal zum Vater-Tochter-Drama hinzubekommen, kann und will auch ihm allerdings lange nicht gelingen, dazu fehlt es dem Plot an Raffinesse. Aber ganz am Ende zieht Borchert, der das Leben wie kein Zweiter kennt, nochmal alle Gefühlsregister und bringt damit vorherige Krimi-Plattitüden zum Vergessen.

Das Original zu diesem Beitrag "Der Zürich-Krimi: Wie gut ist die Folge am 23. Mai?" stammt von "Teleschau".