Berlin-Kreuzberg, elf Uhr. Vor einem unscheinbaren Café sitzt Kida Ramadan im Hoodie, vor sich eine Schachtel Zigaretten. Den Paten von Neukölln nennt ihn die Presse. Den Titel verdankt er seiner Rolle in der Gangsterserie "4 Blocks". Darin spielt Ramadan Ali "Toni" Hamady, den Chef eines arabischen Familienclans in Berlin-Neukölln, der seine kriminellen Geschäfte an den Nagel hängen will. Mit der Bezeichnung könne er gut leben: "Solange mich meine Kinder weiter Papa nennen, ist mir der Rest egal."

Tiefer Zug an der Zigarette. Mehrere Menschen strömen aus dem Café. Ramadan grüßt, ein kurzer Plausch. Er kennt sie alle. Der Mann, der auf der Flucht der Eltern aus dem Libanon vor 41 Jahren zur Welt kam, ist in Kreuzberg und Neukölln aufgewachsen. Die echten Gangster wohnen um die Ecke. Drogengeschäfte und durchdringende Polizei­sirenen, wie sie "4 Blocks" zeigt, sind ihm nicht fremd. Ramadan selbst rutscht dank ­intaktem Elternhaus nie ab, den Kiez atmet er trotzdem. Er kennt das Milieu, die Leute, die Straßen und Gassen: "Die Serie war für mich ein Heimspiel."

Cast auf "Champions-League"-Niveau?

Produziert wurde sie vom Pay-TV-Kanal TNT, wo sie im Mai lief. Nun stellt ZDF neo die sechs Einstünder dem (hoffentlich) größeren Publikum vor. Vor dem Drehstart sei er ­zusammen mit den Ausstattern durch sein ­Berlin geheizt, schlug Drehorte vor. Die Leute öffneten dem Einheimischen Tür und Tor. Dem österreichischen Regisseur Marvin Kren brachte Ramadan seine Hood näher und machte Besetzungsvorschläge. So stieß auch Rapper Veysel zum Cast, der in der Serie mit strenger Miene und Stiernacken Tonis hitzköpfigen Bruder Abbas verkörpert. Für Krens Geschmack sah Veysel anfangs sogar noch zu lieb aus, berichtet Ramadan. Er konnte ihn aber vom Gegenteil überzeugen. Weitere Rapper wie Massiv oder Gringo folgten, und mit Ronald Zehrfeld und Oliver Masucci ergänzten erfahrene Schauspielgrößen den Cast.

Sie alle sind ein Glücksfall für ein fiktionales Drama, das Authentizität versprühen muss, um zu funktionieren. "Wir haben einen richtigen Champions-League-Cast zusammenbekommen", so Ramadan.

Dass er selbst die Hauptrolle bekleidet, daran hatte er nie Zweifel. Zu den Proben kamen gefühlt 300 Leute. "Das war eine Massenschlachterei, und ich war der größte Metzger. Ich wusste, die sind alle umsonst da. Ich bin reingegangen wie ein Mann und rausgegangen wie zwei Männer", sagt Ramadan schmunzelnd. Sein bemerkenswertes Selbstbewusstsein trägt ihn jetzt über ein Jahrzehnt durch die Filmbranche. Schon 2003 bei seiner ersten Rolle im Film "Alltag" weiß der Autodidakt ganz genau, er kriegt den Part.

Auf Augenhöhe mit "Sopranos" und "Gomorrha"

Ramadans Telefon klingelt. Frederick Lau ist dran. "Freddy, erzähl dem Journalisten mal was über mich", witzelt der Kreuzberger Junge. Lau, ebenfalls Berliner, muss lachen. Beide kennen sich schon ewig, sind beste Freunde und treten häufiger gemeinsam vor die Kamera. Bei "4 Blocks" ist Lau sogar als erster Schauspieler gesetzt und spielt Vince, einen deutschen Freund des Hamady-Clans, der nach langer Zeit wieder in der Stadt ist und sich etwas Geld dazuverdienen will. Dass er gleichzeitig auch ein Undercoverbulle ist, der die Familie hochnehmen soll, verleiht der ganzen Geschichte Würze. Überhaupt, zimperlich geht es in der Serie nicht zu. Polizisten kriegen von Gangstern eine Kugel zwischen die Augen, und einer verfeindeten Rockergang wird mit Backsteinen die Schädeldecke massiert. Dass man trotz all der Brutalität mit den Hamadys mitfühlt, ist eine Qualität des Stoffs, die auch das Publikum der Berlinale bei der Premiere in diesem Jahr würdigte. Ramadan sieht "4 Blocks" auf Augenhöhe mit den Großen: "Die Jungs von den ‚Sopranos‘, die feiern uns, und die Jungs von ‚Gomorrha‘ auch." Vom Regisseur der italienischen Mafia­serie habe er sogar eine lobende E-Mail bekommen. "Wir sind besser", ist sich Ramadan sicher. "Im Angesicht des Verbrechens" sei ­eine gute deutsche Serie gewesen, aber "4 Blocks" habe den Nagel noch mehr auf den Kopf getroffen. Er sagt das mit der Selbstgewissheit eines Muhammad Ali.

"4 Blocks" ist in der Tat kein Budenzauber, keine Pappe, keine Kulisse. Die Serie hat, ­unterstützt vom pumpenden Rap-Soundtrack und dem internationalen Look, eine Schwerkraft, die den Zuschauer ansaugt.

Der erste libanesische "Tatort"-Kommissar?

Durch den Erfolg hofft Ramadan jetzt auf mehr. Er wolle der erste libanesische "Tatort"-Kommissar werden. "Ich warte noch auf den Anruf. Ich gebe den Machern noch drei Jahre Zeit." Auch international geht was. Aber er nehme nicht alles an, sagt der Berliner. Er wolle für Hollywood nicht zum Schwenkfutter werden, das nur am Rand steht. "Ich brauche eigentlich nur mein Neukölln, mein Kreuzberg, mein Wedding." Kann er haben. Eine zweite Staffel "4 Blocks" ist bestellt. Der Dreh beginnt im Januar.

4 Blocks: Ab dem 28.11.2017 in Doppelfolgen bei ZDFneo um 23.15 Uhr (Sechs Folgen).