Anfang des Jahres 2020 fand Kino-Ikone James Bond einen ebenbürtigen Gegenspieler: Covid-19. Die Corona-Pandemie zwang den insgesamt 25. Teil der langlebigen Filmreihe zu einer Verschiebung von über einem halben Jahr. Und das enorm kurzfristig: Ein erster Trailer für "Keine Zeit zu sterben" war bereits veröffentlicht worden, selbst der neue Titelsong von Jungstar Billie Eilish lief längst in den Radiosendern. Doch März/April 2020 war nicht nur keine Zeit zum Sterben, sondern auch keine Zeit zum Veröffentlichen eines Bondfilms.
Dank dem jüngsten Erfolg des ersten Post-Corona-Blockbusters "Tenet" hoffen die Macher wohl, ihren geplanten neuen Kinostart am 12. November halten zu können. Zementiert haben sie das mit einem zweiten Trailer, der viele neue Szenenschnipsel offenbarte. Doch die Vorschau verrät vor allem eines: Die Erwartungen sollten möglichst gesenkt werden. Für Hardcore-Fans stellt der Trailer sogar die Frage: Wissen die Macher eigentlich noch, was "James Bond 007" ausmacht?
Hier der Trailer:
James Bond 007: Ein neuer Zeitgeist
Seit Daniel Craig 2005 die Rolle des Geheimagenten übernahm, wagten die Macher hinter dem Traditionsfranchise eine harte Kurskorrektur. Die vorherigen 43 Jahre hatte sich "James Bond" kaum weiterentwickelt. Filme wie "Goldfinger" (1964) und "Die Welt ist nicht genug" (1999) liegen 35 Jahre auseinander, erkennen tut man das aber im Wesentlichen an einem älteren Frauenbild im Ersteren und mehr Action im Letzteren. Ob Sean Connery, Roger Moore oder Pierce Brosnan: Die Formel hinter den Bondfilmen änderte sich nie, kam mit so wenig Anpassungen wie möglich aus. Wer einen Bondfilm im Kino sah, wusste genau, was ihn erwartete.
Doch mit Craig sollte alles frischer und moderner werden. Und das hatte seinen Grund: Die Bondreihe entstand in der Hochphase des Kalten Krieges, der erste Film "Dr. No" wurde kurz vor der Kubakrise 1962 gedreht. Böse Russen als Feindbild und explodierende Kugelschreiber oder unsichtbare Aston Martin als "Agenten-Ausrüstung" wirkten im 21. Jahrhundert nur noch albern und naiv. Ein britischer Weltpolizist, der sich weltweit durch die Betten schlief, war nicht das Heldenbild der Generation, die nach dem Mauerfall aufwuchs und die Terroranschläge vom 11. September 2001 miterlebt hatte.
Das zeigte sich auch im Kino: Matt Damon eroberte in "Die Bourne Identität" als Agent mit Gedächtnisverlust die Herzen der Zuschauer. Er war kein strahlender (Frauen-)Held, sondern selbst ein Opfer seines gefährlichen früheren Lebens. Es gab nicht den einen bösen Russen, sondern die CIA selbst war von zwielichtigen Politikern korrumpiert. Und im TV kämpfte Kiefer Sutherland in "24" als Agent Jack Bauer gegen Terroristen, die auf US-Boden ein zweites 9/11 in Angriff nehmen wollten.
Daniel Craig als James Bond: Wer ist das eigentlich?
Die Aufgabe der Bond-Macher wäre es jetzt gewesen, herauszufinden: Ist James Bond in einer Welt neben Jason Bourne und Jack Bauer noch zeitgemäß? Doch um die Antwort drücken sie sich bis heute. Craigs Einstieg "Casino Royale" orientierte sich stattdessen an der Konkurrenz. Wie in "24" jagte 007 nun internationale Terroristen und Börsen-Spekulanten, wurde sogar in typischer Jack-Bauer-Manier brutal gefoltert. Für die Fortsetzung "Ein Quantum Trost" schickte man Bond direkt auf einen brutalen Rachetrip und filmte das im Stil von "Das Bourne Ultimatum". Die Kopie war so dreist, dass 2008 kaum eine Kritik nicht den Vergleich mit Jason Bourne wagte.
Weil das bei Fans eher mittelprächtig ankam, legte man 2012 eine 180-Grad-Wendung hin. Regisseur Sam Mendes inszenierte seine Filme "Skyfall" und "Spectre" im Stil der alten Sean-Connery-Filme. Er brachte Moneypenny und Q zurück, ein Mann wurde wieder Bonds Chef, Craig witzelte auf einmal wie Roger Moore durch die Gegend und Christoph Waltz‘ Bösewicht entpuppte sich als Ernst Stavro Blofeld, der schon 1963 das erste Mal in der Reihe auftrat. Im Hintergrund wurden Terrorismus, Cyberkriminalität und Drohnenkriege kurz angesprochen, doch die Botschaft war klar: Bond bleibt, wer er ist. Während die NSA-Enthüllungen rund um Edward Snowden weltweit das Vertrauen in Geheimdienste erschütterte, blieb Bond davon im Kino unberührt. Nicht 007 muss sich an die Welt anpassen, die Welt muss sich 007 fügen.
Lesetipp
"Keine Zeit zu sterben": Kampf um die Identität
Jetzt zum Abschied also "Keine Zeit zu sterben" und es stellt sich die Frage: Welche Richtung geht der Film? Wieder nah am Zeitgeist-Geschehen wie Craigs Einstiege oder die volle Retro-Nummer wie Sam Mendes‘ Filme? Die Antwort ist: Am liebsten alles gleichzeitig. Der Trailer strotzt nur so vor Nostalgie-Bomben: Das legendäre Bond-Auto Aston Martin DB5 ist wieder zu sehen, die alte Version der Titelmusik von 1962 (!) ist im Hintergrund zu hören, das Set des Superschurkenverstecks erinnert an alte Klassiker der Reihe wie "Feuerball" oder "Der Spion, der mich liebte".
Gleichzeitig ist der Trailer bemüht, modern zu wirken. Bond fliegt in einem High-Tech-Flugobjekt (mit Tauchfunktion) durch die Gegend, eine Sci-Fi-Fliegerbombe ist zu sehen, die an einen "Star Wars"-Film erinnert. Die Action wirkt schwerfällig, dramatisch und humorlos. Dem Sexismus der Reihe geht man erneut einfach aus dem Weg: 007 ist mal wieder unsterblich verliebt, als neues "Bondgirl" präsentiert man eine ihm ebenbürtige schwarze Agentin – trotzdem läuft zusätzlich Neuzugang Ana de Armas im tief geschnittenen Cocktail-Kleid als Bondine alter Tage durch's Bild.
Craigs letzter Bondfilm wird nicht nur die Geschichte der vier Vorgänger abschließen müssen, sondern sollte auch endlich beantworten, welche Identität die Bondreihe mittlerweile anstrebt und welchen Platz die Figur in einer Welt nach 9/11 und #metoo hat. Sind Bondfilme heute nicht mehr als eine nostalgische Reise in die Zeit, als Bond noch aufregend und spannend war? Oder ist Bond heute ein Gemischtwarenladen aus "Mission: Impossible", "Jason Bourne" und was immer noch gerade populär ist?
Sein Name ist Bond, James Bond. Nur: Wer ist das eigentlich? Hoffentlich weiß der Film die Antwort auf diese Frage. Darauf hoffen kann man nach diesem Trailer allerdings nicht.